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A Quiet Place (USA, 2018)

verfasst am 23.Juli 2018 von Markus Haage

(© Paramount Pictures)

Horror hat Hochkonjunktur. Nach den Erfolgen von „Get out“, „Insidious“, „Annabelle“, „The Conjuring“ oder auch den Purge-Filmen, erfreut sich der Zuschauer nachweislich wieder am Grusel auf der Leinwand, der zumindest vom Umsatz her mittlerweile mit den großen Blockbuster-Produktionen mithalten kann. So verwundert es wohl auch nicht, dass „A Quiet Place“ zu den kommerziellen Höhepunkten des Filmjahres 2018 zählt und das, obwohl der Film zumindest versucht, mit einigen etablierten Regeln des Genres zu brechen…

Mehr als vierhundert Tage nach der Ankunft von wohl außerirdischen Wesen, steht die Menschheit kurz vor ihrem Fall. Die Invasoren metzeln alles nieder, was ein Geräusch von sich gibt. Sie können nicht sehen, wohl auch nicht riechen, aber dafür noch so jeden kleinen Laut hören. Für die wenigen Menschen, die die erste Welle ihres Angriff überlebt haben, bedeutet dies, dass sie ein Leben in absoluter Stille führen müssen. Für immer.

Mutter und Tochter: Emily Blunt spielt Evelyn Abbott und Millicent Simmonds spielt die taube Regan Abbott.
(© Paramount Pictures)

Mit einem Einspielergebnis von mehr als 332 Millionen US-Dollar weltweit, gehörte „A Quiet Place“ zu den großen Film-Überraschungen des Jahres. Fortsetzungen werden natürlich bereits laut diskutiert. Der Erfolg des Films lag sicherlich auch in dessen brillanter Marketing-Kampagne begründet. Während der erste Trailer kaum etwas über die Handlung verriet, sondern nur den doch recht simplen Aufhänger präsentierte, so dass er eben in den sozialen Netzwerken genug Diskussionsstoff bot (Wieso flieht die Familie nicht? Wer sind die Monster? Was ist mit dem Rest der Menschheit?), eröffnete das darauffolgende Promotion-Material die gesamte Welt des Films und klärte damit nebenbei viele Frage auf, über die es natürlich auch zu berichten galt. Als der Film dann endlich in die Kinos kam, war es eben dieser einfache Aufhänger, der weitere Schlagzeilen generierte. Webseiten, YouTuber und Blogger diskutieren nicht nur über das Werk selber, sondern auch über die Tatsache, dass der Film die Zuschauer (angeblich) dazu zwingen würde, im Kino ruhig zu sein. Ob dies tatsächlich der Fall gewesen ist, lässt sich kaum überprüfen, die Schlagzeile wurde aber dennoch generiert und ausgiebig herumgereicht. Den Machern kann es aber auch egal sein, denn die Gratis-Werbung wurde dank dieser Pseudo-Debatte sicherlich gern angenommen. Aber es war eben dieser simple Aufhänger, die Grundidee für den Grusel, kein Geräusch von sich geben zu dürfen, der das Werk an den Kinokassen vorantrieb. Eine Art von High Concept, nicht nur für die Story, sondern auch das Publikum. Man könnte nun gleich vorab monieren, dass ein Film um eine solche Prämisse nicht viel zu bieten haben kann, ist die gesamte Handlung doch nur auf eben diesen Grundeffekt aus, aber „A Quiet Place“ schafft es tatsächlich dieser simplen Idee inhaltlich weitaus mehr abzuringen als man es von anderen Genre-Filmen, wie etwa „Don’t Breathe“ (2016), kennt. Dies liegt vor allem an der Inszenierung des Regisseurs, Autors und Hauptdarstellers John Krasinski, der den Fokus seiner Handlung auf die Figuren, der Familie, legt. Demnach überrascht es auch nicht, dass seine Ehefrau Emily Blunt im Film auch seine Partnerin spielt. So kreiert er eine überzeugende Dramatik zwischen den Charakteren, die der Zuschauer nachempfinden kann, ohne diese dabei aber in der apokalyptischen Größe der Handlung zu verlieren. Der Fokus liegt auf den Familienmitgliedern und ihrer Beziehung zueinander. Von diesen zeichnet Krasinski für einen Horrorfilm ein teils überraschend intimes Portrait.

Regisseur und Produzent John Krasinski gibt seiner Frau Emily Blunt Drehanweisungen.
(© Paramount Pictures)

Die große Apokalypse spielt sich im Kleinformat ab. All das, was der Menschheit zugestoßen ist, stößt dieser Familie nun zu. Die Angst, der Schrecken, die Panik, die Aufopferung. Man kann nur mutmaßen, welch Grauen die Aliens verursachten, als sie wie tollwütige Hunde durch die Großstädte zogen und jede Geräuschquelle innerhalb von wenigen Sekunden vernichteten. Belegt wird dies innerhalb des Films nur genretypisch in alten Zeitungsschlagzeilen, die für den Zuschauer wie ein Beweismassaker dargelegt werden. Es gibt keine Rückblenden. Der Zuschauer wird bereits in der ersten Minute unvorbereitet mit dieser neuen Realität konfrontiert und muss sehr schnell die Regeln dieser neuen Welt akzeptieren. Aufgrund dieser besonderen Prämisse wird vom Zuschauer aber auch eine gewisse Suspension of Disbelief, die willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit, erwartet. Man muss wohl akzeptieren, dass man nicht alle Geräuschquellen ausschalten kann. Die Familie, die sich fernab der Zivilisation ein kleines Refugium errichtete, verfügt weiterhin über Strom. Der dazu benötigte Generator scheint geräuschlos zu sein. Auch die Feldarbeit und alle anderen Tätigkeiten. So irritiert es manchmal eben doch, dass im Detail die kleinsten Geräuschquellen durchdacht ausgeschaltet wurden, während man eben die größeren im Hintergrund ignoriert. Und so verpasst der Film hier einige Chancen, um eben diese Prämisse vollends auszukosten. Denn eigentlich dürfte man nicht einmal einen unruhigen Schlaf haben, um in dieser Welt überleben zu können. Dafür findet Krasinski leider keine Zeit. Der Fokus liegt streng auf der Familie, der Welt, die sie sich errichtet hat, und der Moment, in dem die Handlung spielt (das Gros der Story erstreckt sich über einen Zeitraum von 24 Stunden). Und in dieser Welt – oder diesem Moment- gelten eben die eigenen Regeln, damit die Geschichte funktionieren kann.

Bloß kein Geräusch machen…
(© Paramount Pictures)

Dadurch, dass Krasinki und seine Ehefrau Emily Blunt die Hauptrollen übernommen haben, schaffen sie es tatsächlich ein sehr glaubwürdiges und intimes Portrait ihrer Familie zu kreieren. Der Fokus liegt aber eindeutig auf Emily Blunts Darstellung, die einmal mehr ihre Fähigkeiten als Schauspielerin beweist. Ihr Kampf gegen die Geburtsschmerzen, die Unterdrückung jeglichen Geräuschs, gehört zu den Schlüsselmomenten des Films, die auch im Marketing hervorgehoben wurden. Der Fokus darauf lenkt aber von einer durchaus extrem interessanten Nebenhandlung ab. Die jüngste Tochter fühlt sich für den Tod des jüngsten Sohnes verantwortlich. Dieser Subplot bietet unglaublich viel tragisches und dramatisches Potenzial auf, welches leider nur sehr oberflächlich genutzt wird, auch weil dieser Charakter tatsächlich taub ist. Sie besitzt im Grunde nicht einmal ein eigenes Körpergefühl für Lautstärke. Dies würde die Bemühungen der Eltern den Kindern unter diesen Umständen eine halbwegs normale Kindheit zu ermöglichen verstärken. Denn das eigentliche Grauen des Films liegt in der ewigen Ungewissheit die nächste Minute noch überleben zu können. Die Monstren, von denen sich drei in der stetigen Nähe der Familie befinden, schweben wie ein Damokles-Schwert über sie. Das Grauen ist immer nur ein kleines Geräusch entfernt, und damit auch die Trauer und der Tod. Jeder falsche Schritt, jedes Aufstöhnen, jedes Knacken, kann in wenigen Sekunden zum Ende führen. Man kann vor den Monstren nicht davonrennen, nur versuchen mit ihnen zu leben. Die Anspannung, die daraus erfolgt, fängt Krasinski meisterhaft ein, auch wenn er, wie erwähnt, um seine Geschichte glaubwürdig zu erzählen, darauf setzen muss, dass der Zuschauer die von ihm konstruierte Welt nicht zu sehr hinterfragt. Interessant ist, dass Krasinki bei der visuellen Erzählung auf durchaus untypische und kreative Kameraperspektiven setzt, die sich aber nahtlos in den Film einfügen. Eine bemerkenswerte Leistung, mit der sich Krasinki für Größeres empfiehlt. Dahingegen werden die auditiven Möglichkeiten, die der Film inhaltlich bietet, nicht ausreichend genug genutzt. Zu stark verlässt sich Krasinki auf die Bilder anstatt des Tons. Dies ist schade. Mehr Mut zum audiovisuellen Experiment hätte man sich hier gewünscht. Als Zuschauer ist man dann doch überrascht, wie routiniert die Prämisse technisch abgehandelt wird.

Ruhe ist gefragt.
(© Paramount Pictures)

Aufgrund des überraschenden Erfolges und der inhaltlichen Möglichkeiten wurde die inszenatorische Bedeutung von „A Quiet Place“ in den Medien sicherlich etwas stark überhöht dargestellt. So zeigt der Film in erster Linie nicht nur auf, wie abwechslungsreich das Horrorgenre sein kann, sondern auch wie spannend man es mit anderen Genres verbinden kann. Es bedarf eigentlich keiner der bereits angekündigten Fortsetzungen, trotz des absichtlich ambivalenten Endes, da „A Quiet Place“ auch gerade wegen seiner eigenwilligen Prämisse und hochqualitativen Inszenierung als eigenständiges und alleinstehendes Werk vollends überzeugen kann. Sollte man sich doch zu einem (oder gar mehreren) Sequels hinreißen lassen, so bleibt zu hoffen, dass man weitaus experimentierfreudiger in der Umsetzung ist, was aber die Leistung von „A Quiet Place“ nicht schmälern soll. Der Segen des Marketings ist hier etwas zu einem Fluch geworden. Als Zuschauer sollte man dementsprechend seine Erwartungen etwas herunterfahren. „A Quiet Place“ ist kein „The Blair Wich Project“ (1998), der das Genre neu erfindet oder durch technische Innovationen in der Umsetzung des Grauens überrascht, sondern dann doch einfach „nur“ ein überzeugender, teils hoch dramatisch gespielter, elegant inszenierter und durchweg unterhaltsamer Horrorfilm. Und diesbezüglich sicherlich einer der besten des Jahres.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!