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Cold Skin – Insel der Kreaturen (Frankreich/Spanien, 2017)

verfasst am 25.Juli 2018 von Markus Haage

(© Tiberius Film)

Niemand zieht auf eine einsame Insel, weil er etwas erkunden will. Jeder zieht auf eine einsame Insel, weil er vor etwas fliehen will. Doch was immer dies auch sein mag, es wird einen immer einholen. Auf die ein oder andere Art und Weise…

Am Ende der Welt.
(© Tiberius Film)

Ein junger, namenloser Mann flieht vor der Welt. Auf einer einsamen Insel mitten im kalten Atlantik nimmt er für ein Jahr eine Arbeit an. Er soll den hiesigen Leuchtturmwäter ablösen, doch dieser hat sich in seinem Turm verbarrikadiert. Der Mann bezieht eine nahe gelegene Hütte, doch bereits in der ersten Nacht muss er sich einer Übermacht an Kreaturen entgegenstellen, die nur ein Ziel haben: Seinen Tod. Nur knapp entkommt er diesen. Auch in der zweiten Nacht wird er angegriffen, diesmal brennt seine Hütte ab. Der schroffen Natur ausgesetzt, erlangt er Unterkunft beim Leuchtturmwärter, aber nur weil er Tabak, Kaffee und Munition als Gegenleistung anbieten kann. Dort erfährt er, dass die Insel von Kreaturen bewohnt wird, die diese kompromisslos gegen jeden Eindringling verteidigen. Der alte Leuchtturmwärter, der die Insel gar nicht mehr lebend verlassen will, hält eine der Kreaturen als Haustier und Sexsklavin. Doch der junge Mann sieht in diesen mehr als nur Tiere. Er erkennt, dass ein Frieden wenigstens temporär möglich sein kann, doch dieser einen hohen Preis von ihm abverlangen wird…

Der letzte Vorposten der vermeintlichen Zivilisation.
(© Tiberius Film)

„Cold Skin – Insel der Kreaturen“ ist eine düstere Mär, die die Protagnisten und den Zuschauer in den Abgrund am Endes der Welt blicken lässt. Zivilisation trifft auf Wildnis, Mensch auf (vermeintliches) Ungeheuer. Ein Überlebenskampf an der Final Frontier. „Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“. Dieses bekannte und oft verwendete Zitat von Friedrich Nietsche stellt Xavier Gens seinem Film als Einführung voran. Nicht als Belehrung, sondern als Prophezeiung. Die Charaktere müssen, auf sich alleine gestellt, mit ihren Weisheiten und Überzeugungen brechen, ihre Ängste überwinden und mit ihrer Moral brechen, um zumindest ihre Menschlichkeit zu bewahren. Dies gelingt nur bedingt. Die Natur kennt kein Erbarmen. Denn im Kampf gegen die Monstren, die ihr Revier, ihre Heimat, in die nun der Mensch als Invasor vordringt, verteidigen, setzt die Verrohung ein. Die Wildnis frisst die Charaktere innerlich auf. Dieser klassische Kampf, Mensch gegen Natur, ist nicht neu. Regisseur Gens bedient sich hier vieler Vorbilder aus Kunst, Literatur und Film, ohne sie aber wie eine bloße Kopie wirken zu lassen. Denn die phantastischen Aspekte sind in eine hyperrealistische, oder eher hyperhistorische Welt verpackt, von der alleine eine unglaubliche Faszination ausgeht. Das Zeitkolorit gibt dem Film eine irritierend glaubwürdige Distanz. Ein Blick in eine bekannte aber auch gleichzeitig fremde Vergangenheit. So entsteht eine glaubwürdige Fabel, die die übernatürlichen Aspekte in eine sehr bekannt wirkende natürliche Welt einbettet. Doch Gens macht nicht den Fehler und zelebriert romantisierend die Naivität sovieler inhaltlich ähnlich gelagerter Erzählungen. Dies ist keine Gute-Nacht-Geschichte. Hier wird am Ende kein schöner Jüngling die Natur umarmen und eine Prinzessin aus einer fremden Zivilisation ehelichen.

Nur langsam baut sich Vertrauen auf.
(© Tiberius Film)

Die schroffe Wildnis, die kargen Landschaften, die Gens einfängt, wirken schon fast unnatürlich real. Er gibt sich einem unwiderstehlich schönen Naturalismus hin, der sich auch in der Gestaltung der Kreaturen widerspiegelt. Sie sind Tiere mit menschlichen Zügen. Animalisch und wild, ein Kollektiv, welches zwei vollkommen gegensätzlichen Einzelkämpfern gegenübersteht. Ihre Darstellung überzeugt, auch weil sie sich so stark der Realität bedient. Sie gehen somit eine Symbiose mit der schroffen, realen Landschaft ein. Gens verzichtet fast vollständig auf den Einsatz von CGI. Wenn überhaupt nur als Hilfsmittel, um die Massen an Kreaturen glaubwürdig darzustellen. Er kennt aber auch die Grenzen seines Budgets und weiß, was er zeigen kann und was er auf kreative Art und Weise im Schatten lässt. Als beeindruckendes Visual wird dem Zuschauer sicherlich die Verteidigung des Leuchtturms über mehrere Nächte in Erinnerung bleiben. Dieser Clash of the Cultures wird in opulenten Bildern zu einer rauen, gewaltsamen Montage oder gar Orgie regelrecht zelebrierend aufbereitet, ohne dabei aber den Fokus auf die Charaktere zu verlieren. Dass diese Szene als Moneyshot in keinem Trailer vorhanden ist, verwundert sogar, beweist aber vielleicht letztlich doch, dass Gens die archaischen Gewaltausbrüche als bedeutende Momente im Wandel der Charaktere versteht und sie eben nicht als aus dem Kontext der Handlung gerissene Key Visuals missverstanden wissen will. Der Film handelt von Gewalt, in den großen aber eben auch sehr kleinen und intimen Momenten, es ist aber kein gewaltverherrlichender Film, sondern ein Werk, dass Gewalt als Naturkraft versteht, die die Charaktere (über)leben aber auch leiden lässt.

Der Schritt in eine neue Welt stellt auch einen faszinierenden Rückschritt in die Vergangenheit dar.
(© Tiberius Film)

Dieser zu erwartende Wandel der Figuren überrascht den Zuschauer allerdings nicht zwingend, was in aller Konsequenz vielleicht das größte Manko darstellt. Trotz der einzigartigen und durchweg gelungenen Inszenierung, erzählt der Film letztlich eine sehr bekannte Geschichte, dessen Ende und sogar dessen finalen Twist man frühzeitig erahnen kann. Man sollte dies aber nicht zwingend als zu starken Kritikpunkt missverstehen, da es eben auch eine gewisse Faszination an sich darstellt, diese bekannte Storyline so eigenwillig und inszenatorisch stringent präsentiert zu bekommen. Vielleicht auch, weil Gens Interpretation von Albert Sánchez Piñols Roman die Kreaturen nicht zu sehr romantisiert. Sie sind wie die schroffe Natur, die sie umgibt, eben faszinierend und schön, aber auch grausam und kalt zugleich. Diese zu romantisieren wäre naiv und auch nicht im Sinne der Geschichte. Nietzsches als Einführung genutztes Zitat stellt einen zentralen philosophischen Gedanke dar, nämlich die (von Nietzsche geprägte) Ewige Wiederkunft des Gleichen. Die Gewalt kann man nicht stoppen, sie kommt immer und immer wieder. Wer die Gewalt stoppen will, muss selber zur Gewalt werden. Der Mensch ist Teil von ihr und der Gewalt ausgesetzt. Sie manifestiert sich im Kampf gegen die Natur. Gegen den Sturm, gegen die menschenfeindliche Umgebung, gegen die Kreaturen. So wie die ewig wiederkehrenden Wellen gegen den Fels schlagen, so wird auch der Kampf des Menschen gegen die Natur kein Ende finden. Mit dem Ende des Films ist bereits ein neuer Kreislauf begonnen.

„Cold Skin – Insel der Kreaturen“ gehört vielleicht zu den fesselndsten europäischen Genrefilmen der letzten Jahre, auch wenn die Geschichte sicherlich nicht neu ist, dafür aber in einer absolut faszinierenden hyperrealistischen und naturalistischen Welt gebettet ist. Eine raue, schroffe Mär vom sich ewig wiederholenden Kampf Mensch gegen Natur.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!