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Das „Feld der Träume“ und der Wandel Amerikas

verfasst am 14.August 2019 von Markus Haage

Das US-amerikanische Kinoposter.
(© Universal Pictures)

Phil Alden Robinsons „Feld der Träume“ („Field of Dreams“, 1989) gehört zu den ganz großen Klassikern des Phantastischen Kinos der 1980er-Jahre. Zumindest in den USA. Bereits 2017 wurde das Werk in die Library of Congress als „culturally, historically, or aesthetically significant“ aufgenommen. In dem Fantasy-Drama, das gar für drei Oscars (unter anderem „Bester Film“) nominiert wurde, baut der Farmer Ray Kinsella, gespielt von Kevin Costner, ein Baseballfeld auf seiner Farm. Stimmen verleiten ihn dazu. Dafür verschuldet er sich hoch, riskiert den Wohlstand seiner Familie. Seine Freunde und Verwandte halten ihn für verrückt, doch er glaubt fest daran und lässt sich von der Idee nicht abbringen.

Aufgrund des Settings und Inhalts besitzt der Film vor allem in den USA eine enorme Popularität. In Europa und Deutschland wurde „Feld der Träume“ oft als rührseliges Fantasy-Filmchen wahrgenommen. Er spricht Themen, Motive und Gefühle an, die man als Deutscher oder Europäer kaum oder nur schwer nachvollziehen kann und stellt eine Erinnerung an ein bereits damals untergegangenes Amerika dar. Das Land befand sich in einem drastischen kulturellen, sozialen, ökonomischen und demnach auch politischen Wandel. Umbrüche standen bevor. Jeder spürte es. Die Welt begann nun größer und schneller zu werden. Bahnbrechende Entwicklungen veränderten das Alltagsleben.

Kevin Costner mit seiner Filmtochter.
(© Universal Pictures)

Die traditionellen Familienfarmen, Hauptschauplatz des Films, begannen zu verschwinden. Über Jahrzehnte prägten sie nicht nur das Bild des ländlichen Amerikas, sondern hatten ihren Ursprung im Manifest Destiny, der Eroberung des Westens, als die Farmer mit ihren Kolonnen westwärts zogen, um das riesige Land jenseits des Missouri Rivers zu zähmen. Nicht ohne Grund landete Superman auf einer Farm in Kansas, dem sogenannten Heartland. Amerikanischer ging es kaum. 2015 schrieb The Atlantic: „As industrial agriculture replaces men with machines, the American landscape loses its stewards, and the culture they built.„. Die „Greatest Generation“, die Weltkriegsgeneration, die nach der großen Depression das Land in den 40er und 50er-Jahre verteidigt und den Wohlstand aufgebaut hat, zog sich altersbedingt zurück. Die riesigen Malls am Stadtrand zerstörten die Mainstreet USA, die Innenstädte der Kleinstädte. Die Autokinos schlossen ihre Tore, die Jugend zog erstmals in enorm großen Zahlen aus Smalltown, America, in die Großstädte zum Studium. Arbeitsplätze wanderten ab oder verlagerten sich, das industrielle Amerika ging zugrunde. Die Motorcity Detroit, die Autostadt Amerikas, verlor über eine Million Einwohner. Die Digitalisierung setzte sich allmählich durch. Minderheiten erstarkten und begannen das Gesicht Amerikas nachhaltig zu verändern. Nicht nur demografisch, sondern auch kulturell und politisch. Die Bevölkerungsgruppen, die das Land vor allem kulturell seit der Staatsgründung zweihundert Jahre zuvor geprägt haben, mussten allmählich Platz machen. Bereits im April 1990 berichte das TIME-Magazin mit den Worten „What will the U.S. be like when Whites are no longer the majority?“ auf einer Titelstory von diesem Wandel. Mit Douglas Wilder wurde 1989 erstmalig seit 1872 ein Afroamerikaner Gouverneur eines Bundesstaates. Die hispanische und vor allem auch asiatische Community machte auf sich aufmerksam und neben Baseball, dem vielleicht traditionellsten US-Sport, machten sich andere Sportarten, wie etwa Basketball, vor allem unter afro-amerikanischen Jugendlichen beliebt, breit. Auch Football erhielt eine weitaus größere Bedeutung. Andere Identitäten, andere Lebensläufe, andere Ansichten und Vorstellungen.

Für die W.A.S.P.s, die White Anglo-Saxon Protestants, die noch dominierende Bevölkerungsgruppe der USA, stellte dies alles sicherlich einen Einschnitt dar. Amerika veränderte sich. Teils radikal. Manch einer würde behaupten, dass sich dieser Wandel bis heute bemerkbar macht. Negativ auch in der Wahl des derzeitigen US-Präsidenten Trump. Das wäre sicherlich zu einfach und im Kontext des Films dem Werk gegenüber auch ungerecht, denn „Feld der Träume“ romantisiert zwar, vordergründig aufgrund des Alters des Films die Kultur der Bevölkerungsmehrheit, hier den W.A.S.P.s, aber er dividiert nicht. Es findet keine Ausgrenzung statt. Das Werk möchte, wenn auch auf teils naive Weise, zusammen- und nicht auseinanderbringen. Das Baseballspiel ist ein Symbol für all das, was selbst die stürmischsten Zeiten überdauert und die Menschen vereint.

In Rays Traum vom Baseballfeld manifestieren sich demnach viele unterschiedliche Sehnsüchte. Erinnerungen an eine vermeintlich bessere Zeit, Hoffnungen für einen Neuanfang. In einer der Schlüsselszenen des Films sagt James Earl Jones in der Rolle des afroamerikanischen Schriftstellers Terence Mann zum zweifelnden und vor dem Bankrott stehenden Costner:

„Die Menschen werden kommen, Ray. Sie kommen nach Iowa, aus Gründen, die sie nicht einmal kennen. Sie werden zu dir abbiegen und nicht wissen, wieso sie das tun. Sie kommen an deine Tür, unschuldig wie die Kinder, die sich nach früher sehnen. … Sie geben dir das Geld, ohne groß darüber nachzudenken. Denn Geld das haben sie und Frieden hätten sie gern. … Und sie sehen dem Spiel zu, und es wird sein, als wären sie in einen magischen Raum getreten. Und so viele Erinnerungen kommen über sie, dass sie sie sich von den Gesichtern waschen müssen. Die Menschen werden kommen, Ray. Das einzig Konstante über die Jahre hindurch war das Baseball. Amerika ist wie von einem Heer von Dampfwalzen überrollt worden. Ausgelöscht wie die Schrift auf einer Tafel, wieder gebaut und wieder ausgelöscht. Aber Baseball hat die Zeit überdauert. Dieses Feld, dieses Spiel ist ein Teil unseres Erbes, Ray. Ist ein Symbol für alles was gut gewesen ist und es wieder sein könnte. Oh, die Menschen werden kommen, Ray, die Menschen werden mit Sicherheit kommen.“

Diese Szene ist auch deswegen so interessant, weil sie viele Mythen der US-amerikanischen Gesellschaft vereint. Terence spricht nicht nur die im Kontrast zum Wandel stehende Nostalgie an, sondern auch den Individualismus, Pioniergeist und Kapitalismus, Pfeiler des American Dreams. Verknüpft wird dieses im Film oftmals durch religiös anmutende Erscheinungen. Längst verstorbene Baseball-Stars treten aus dem Maisfeld hervor, das das Baseball-Feld umzäunt. Es sind die Spieler der Chicago White Sox, die 1919 in dem Black Sox Skandal, einem Bestechungsskandal, verwickelt waren. Sie erhalten hier gewissermaßen ihre Erlösung. So auch Ray, dessen Vater sich ebenfalls unter den Spieler befindet. Beide hatten ein schlechtes Verhältnis und konnten sich zu Lebzeiten nie mehr aussprechen. Das „Feld der Träume“ bietet somit auch die Möglichkeit für einen Abschluss und Neuanfang. Spirituell oder religös eine Art Wiedergeburt, oder modern eben ein Comeback. Letzteres besitzt in der US-amerikanischen Kultur einen enormen Stellenwert. Das Ende, der Untergang des Alten, wird akzeptiert, ein neuer Anfang riskiert.

In einer verkürzten Variante des obigen Zitats, die später im Film für Costners Charakter personalisiert wird, heißt es: „If you built it, he will come.“. Diesen Satz kennt in den USA mittlerweile jedes Kind. Ein Filmzitat, welches auch außerhalb des Films existieren und funktionieren kann. Instinktiv weiß jeder Amerikaner, was er bedeutet, oder glaubt es durch eine eiegne Interpretation zu wissen. Ein Traum, den man hinterherjagt. Etwas zu erschaffen und aufzubauen und darin eine Erlösung zu finden. Und die Menschen werden kommen und diesen Traum zelebrieren, wenn man nur den Mut dazu hat. Koste es, was es wolle.

Dasselbe dachte sich wohl auch die US-amerikanische Baseball-Liga MLB (Major League Baseball), die 30 Jahre nach dem Release des Films nun ein eigenes Baseballstadion mit 8000 Sitzplätzen auf dem echten „Feld der Träume“ errichtet hat. Nur wenige Meter vom originalen Drehort entfernt. Dieser dient seit Jahrzehnten als Touristenattraktion und beherbergt ein Museum mit Übernachtungsmöglichkeiten.

Das Feld der Träume.
(© MLB)

Im August 2020 werden auf dem „Feld der Träume“ die New York Yankees gegen die Chicago White Sox spielen. 101 Jahre nach dem Black Sox Scandal. Ein absolut traumhaftes, natürlich kapitalistisches, und ur-amerikanisches Comeback-Event. They built it. They will come.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!