„Dein Großvater ist doch Halbjude. Die werden wohl kaum einen rekrutieren, der jüdisches Blut in sich hat.“
Nazizombies. Wer die entsprechenden Genrebeiträge von Jess Franco („Oase der Zombies“) und Jean Rollin („Sumpf der lebenden Toten“) kennt, wird jetzt schreiend Reißaus nehmen. Und das aus gutem Grund. Denn wenn sich zombifizierte Wehrmachtsbrüder unter dem Einfluss der Wüstensonne vampirmäßig in Luft auflösen oder grüngesichtige Untote mit ihren Töchtern händchenhaltend durch die Gegend schlenzen, haut es selbst abgebrühten Trash-Victims die Schrauben aus der Mütze. Und bevor jemand Einspruch erhebt: Ja, die sonnenbebrillten Supernazis aus „Shock Waves“ waren auch nicht gerade der Brüller vor dem Herrn, aber im Gegensatz zu o.g. Kandidaten hatte besagter Streifen zumindest ansatzweise so etwas wie Atmosphäre zu bieten. Und Peter Cushing. Dämlich war der Streifen aber natürlich trotzdem. Ob „Dead Snow“ hier neue Akzente setzen kann?
Acht Freunde wollen dem drögen Alltagsleben entfliehen und in der verschneiten Einöde Norwegens ordentlich den Eber rauslassen. Als Schauplatz der Ausschweifungen muss eine abgelegene Berghütte herhalten, doch die Partystimmung fährt schlagartig in den Keller, als ein wunderlicher Kauz aufkreuzt und sich zum Amüsement der Anwesenden eine hanebüchene Horror-Story aus dem Kreuz leiert:
2. Weltkrieg. Die Deutschen halten den Hafen von Øksfjord besetzt. Rädelsführer des Nazi-Pöbels: Oberst Herzog. Herzog hat nicht nur einen sehr deutschen Namen, sondern auch einen ausgeprägten Hang zum Sadismus. Prügel und Folter gehören zum guten Ton. Um ihren miesen Ruf vollends zu zementieren, plündern die Deutschen zum Ende des Krieges die Stadt, doch die gebeutelte Bevölkerung hat die Faxen dicke und schlägt zurück. Viele der Besatzer sterben. Oberst Herzog kann mit einigen seiner Spießgesellen fliehen und das Diebesgut in Sicherheit bringen. In den Bergen verliert sich ihre Spur. Was aus den Langfingern wurde ist unklar, doch seitdem geht Unheimliches in der verschneiten Ödnis vor und jeder täte gut daran, diesen Ort zu meiden. Behauptet zumindest der Eremit.
Wenig beeindruckt setzen die Freunde ihr Saufgelage fort und werden selbst dann nicht stutzig, als sie unter den Bodendielen einen kostbaren Fund machen. Dass es sich hierbei nicht um Uwe Bolls Nazigold, sondern um die Kriegsbeute des Herrn Herzog handelt, dürfte klar sein. Auch unseren trinkfreudigen Buddies wird dies schlagartig bewusst, als ihnen plötzlich eine Horde uniformierter Untoter ans Leder will.
Hilfe von außen ist nicht zu erwarten, was vor allem an der Unfähigkeit der Beteiligten liegt, telefonische Notrufe so abzusetzen, dass der Gesprächspartner KEINEN Irren an der anderen Leitung vermutet:
„Guten Tag, mein Name ist Martin Hoften. Ich bin mit einem Freund in einer Hütte in der Nähe von Øksfjord. Wir werden hier von etwas angegriffen, was ich auf den ersten Blick als untote Deutsche aus dem 2. Weltkrieg beschreiben würde. Und wir haben…wie soll ich sagen…durch einen dummen Zufall die Hütte angezündet. Hallo?…hallo!!??…die Schlampe hat einfach aufgelegt!!!“
Da auch eine Flucht unmöglich erscheint, rüsten sich die Überlebenden frei nach dem Motto „Lieber stehend sterben“ zum finalen Showdown und stellen sich mit dem Mut der Verzweiflung (nebst Kettensäge) den heranstürmenden Untoten…
Fatality:
Mit Horrorkomödien stand ich schon immer auf Kriegsfuß, da sie meist nicht halten, was sie versprechen. Verwunderlich ist das nicht, da Horror und Komödie nun man zwei grundverschiedene Filmgattungen sind, die sich nur schwer miteinander kreuzen lassen. Und nur um das klarzustellen: Blut und Gedärm ist für mich kein Horror, Horror ist Unbehagen, Furcht und Schrecken. Wenn ich mir also einen Film antue, der von sich behauptet, eine Horrorkomödie zu sein, dann erwarte ich gefälligst auch gepflegtes Grauen und nicht nur slapstikartig in Szene gesetzte Genre-Klischees, die bis zum Erbrechen ausgewalzt werden. Zugegeben – den goldenen Mittelweg zwischen Gänsehaut und Komik zu finden ist nicht leicht, was auch den Mangel an derartigen Genrevertretern erklärt.
Inwieweit „Dead Snow“ diesen Spagat bewerkstelligt, ist wohl Ansichtssache. Ich für meinen Teil bescheinige diesem Film jedenfalls, genau das geschafft zu haben. Denn auch wenn die Tendenz eindeutig Richtung Komik geht, bleibt dank des stimmungsvollen Handlungsortes und der wirklich gelungenen Zombiemasken trotzdem noch genug Raum für den ein oder anderen wohligen Schauer. Damit wäre dann auch die Frage geklärt, ob „Dead Snow“ seine eingangs erwähnten Genrekollegen übertrumpfen kann. Er kann. Und zwar deutlich und mit ausgestrecktem Mittelfinger. Vier Köppe.
‐ Odo
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