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Die Welt ändert sich, „Die Simpsons“ ebenfalls: Auf Wiedersehen, 1970er- und 1980er-Jahre!

verfasst am 21.März 2021 von Markus Haage

Die Zeiten ändern sich und somit die Welt. Schon die Hindus wussten vor rund 5000 Jahren, dass die Zeit „die Zerstörerin aller Welten“ ist. Und so pathetisch es sich auch lesen mag, gilt dies natürlich auch für die gelben Welten eine der langlebigsten Kultserien des US-Fernsehens und ihrer Fans.

Als am 17. Dezember 1989 die erste Episode der Animationsserie „Die Simpsons“ („The Simpsons“, 1989–) auf dem US-amerikanischen Fernsehsender Fox ausgestrahlt wurde, konnte niemand erahnen, zu welch kulturellen Phänomen sie sich entwickeln würde. Vorab waren „Die Simpsons“ bereits 1987 als Kurzfilme Teil von „Die Tracey Ullman Show“ („The Tracey Ullman Show“, 1987–1990), bekannt wurden sie allerdings weltweit erst mit ihrer eigenen Serie zwei Jahre später. Schon in den ersten Produktionsjahren entwickelte sich Matt Groenings subversiver Zeichentrick zu einem Kult, der multimedial ausgeschlachtet wurde. Spielzeuge, Videospiele, Comichefte, sogar eine Hitsingle gesungen von der Originalstimme Bart Simpsons („Do the Bartman“, 1990) wurde produziert. Die Serie gewann alle bedeutenden Preise und wurde auch in Deutschland zeitweise zur besten Sendezeit, der sogenannten Primetime, ausgestrahlt. Zwischenzeitlich entstand sogar ein Kinofilm, der weltweit rund 536 Millionen US-Dollar (inflationsbereinigt 2021: rund 687 Millionen US-Dollar) einspielen konnte. In Deutschland sahen den Film 4,6 Millionen Zuschauer nur in den Kinos. Berühmtheiten rissen sich um Gastauftritte in der Sendung. Von Michael Jackson und Danny DeVito über Dustin Hoffmann und Lucy Lawless bis zu Meryl Streep, Johnny Cash, Jack Lemmon oder Stephen Hawking, alle wollten Teil der gelben Welt sein. Doch schon die Namen dieser Stars, von denen einige vor über zwei Jahrzehnten verstarben, zeigen auf, wie lange das gelbe Springfield bereits relevant ist. Mittlerweile schreiben wir das 2021. Und die Serie läuft immer noch…

Homer, nun ein Teenager in den 1990ern.
(© The Walt Disney Company)

Diesen Sonntag, am 21. März 2021, feiert die nunmehr 700. Episode ihre Premiere im US-Fernsehen. Schon vor Jahren wurde über die Absetzung spekuliert, doch die Serie befindet sich in ihrer 32. Staffel. Ein Ende ist noch nicht in Sicht – man plant offiziell bis zur 757 Episode –, aber Al Jean, einer der Showrunner der Serie seit der ersten Stunde, ist sich gegenüber Variety.com darüber bewusst, dass man früher oder später ein Ende setzen muss, aber wohl auch nur um einen Neuanfang zu wagen.

„We’re going to definitely do 757. I wouldn’t say that’s the end, but I don’t know how much further we can go…As soon as they cancel us, they’ll reboot us. I’m confident after I’m gone, there’ll be some sort of ‘Simpsons’ coming. It’s too ubiquitous to think that it’ll just disappear.“

Und dies ergibt (leider) durchaus Sinn. Als popkulturelle Institution ist ein Ende der „Simpsons“ mittlerweile kaum vorstellbar. Die Fans der ersten Stunde, die die Serie als Kinder erstmalig entdeckten, sind mittlerweile jenseits der 40. Die Synchronsprecher teilweise schon jenseits des Renteneintrittsalters. In Deutschland mussten sich die Fans schon vor Jahren von den markanten Stimmen von Elisabeth Volkmann (Marge Simpson) und Norbert Gastell (Homer Simpson) verabschieden. Die Zeit steht leider nicht still und dies ist auch den Machern bewusst.

Die Serie stellte immer einen Spiegel ihrer Zeit dar. Mit jeder neuen Season fand de facto eine Art Reboot statt. Lisa und Bart Simpson werden der Grundschule von Springfield wohl nie entfliehen können. Nur wenigen Charakteren, wie Ned Flanders oder Apu Nahasapeemapetilon, war eine Art Weiterentwicklung gegönnt, dennoch können die Macher die Jahrzehnte, die sie mittlerweile überbrückt haben, auch nicht mehr vollends ignorieren. Auch wenn in Springfield jeden Tag „Groundhog Day“ ist, ist die Welt (und vor allem die Zeit) eben doch nicht vollends abgeschottet. In den 1990er-Jahren war Grandpa Simpson noch ein Veteran des Zweiten Weltkriegs. Zahlreiche Episoden blickten auf seine Kriegszeit zurück. Homers Mutter hingegen verließ die Familie früh, um sich der Hippie-Bewegung in den 1960er-Jahren anzuschließen, und Marge und Homer hatten ihre ersten Dates zur Disco-Ära als Filme wie „Das Imperium schlägt zurück“ („The Empire strikes back“, 1980) veröffentlicht wurden. Ein berühmter Rückblick gehört zu den Klassikern der Serie, der heute noch gerne zitiert wird.

Doch das Jahr 1980 ist nun 41 Jahren her. Nach dieser Zeitrechnung müssten Marge und Homer nun selber bereits in Rente und ihre Kinder erwachsene Menschen sein. In der 19. Episode der sechsten Staffel, „Lisas Hochzeit“ („Lisa’s Wedding“, 1995), die nunmehr auch 26 Jahre alt ist, blickt die Serie in das futuristische Jahr … 2010. Die Episode gewann nicht nur einen Primetime Emmy Award, sondern zeigt auch auf, wie stark die Serie sich durch ihre Langlebigkeit „überholt“ hat. Diesem Umstand muss nun in gewisser Weise Rechenschaft getragen werden. Homers und Marges Schulabschluss fand laut einer Episode der vierten Staffel (1993) ursprünglich im Jahre 1974 statt…

Homer und Marge machten ihren Abschluss ursprünglich anno 1974. Das Bild stammt aus der 19. Episode „Wir vom Trickfilm“ („The Front“, 1993) der vierten Staffel.
(© The Walt Disney Company)

Mit der 699. Episode „Do Pizza Bots Dream of Electric Guitars“, deren Premiere am 14. März 2021 im US-Fernsehen stattfand, musste Homers Lebensgeschichte nun auch den zeitlichen Dimensionen angepasst werden. Humor ist jetzt kein Kind der 1960er-Jahre und kein Teenager der 1970er-Jahre mehr. Homers und Marge junge Liebe, ihre ersten Schritte in das Erwachsenenalter als junges Ehepaar, fand nicht mehr in den 80ern statt. Homer ist nun ein 90ies-Kid. Nach dieser Rechnung wurde Bart frühestens 2011 und Lisa 2013 geboren. Dies ist schon lange so, aber man sprach es eigentlich kaum aus. Der Zuschauer musste es wissen, wollte es aber vielleicht nicht wahrhaben.

Gerade die Popkultur der 1970er- und 1980er-Jahre bestimmte die Serie über Jahr(zehnt)e stark. Woodstock, Watergate, New Hollywood, Disco, Kalter Krieg, Vietnam, Kabelfernsehen, dies alles ist nun endgültig Vergangenheit. Woodstock fand vor 53 Jahren statt. Die jungen Menschen von damals, die im Schlamm Jimi Hendrix zelebriert haben, leben zum Teil schon nicht mehr. Eine neue Zeit bricht nun an. Dies wird die Serie so stark beeinflussen, dass selbst Simpsons-Produzent Matt Selman sich via Twitter zu Wort meldete. Er wusste wohl, wie enorm dieser kulturelle Imprint die Serie bestimmt hatte. Schon 2008 versuchte man Marge und Homers junges Leben mit „Die wilden 90er“ („That 90s Show“) eben in die 1990er-Jahre zu verlegen. Auch dies führte damals zu Proteststürmen. Da die Episode aber auch inhaltlich als problematisch gilt (Marge geht fremd), wurde sie wie andere kontroverse Episoden – man denke an „Alles Schwindel“ („The Principal and the Pauper“, 1997) – schlichtweg vergessen oder als Fehltritt ignoriert. Dies ist nun aber anders. Will man zurückblicken, so kommt man um die 1990er-Jahre nicht mehr drumherum. Dazu ist einfach zu viel Zeit vergangen.

Die Langzeit-Fans nahmen diese Veränderung in der aktuellen Episode natürlich mit einer gewissen „Skepsis“ auf, vielleicht auch, weil sie realisierten, dass Homer nun jünger ist, als Bart Simpson zu Beginn der Serie. Homer ist nun Jahrgang 1982. Somit hat sich für viele Langzeit-Fans auch die letzte Konstante ihrer Kindheit und Jugend endgültig verändert. Dies schmerzt natürlich. Niemand kann sich dem Wandel der Zeit entziehen, aber will die Serie relevant bleiben, so muss sie sich den Veränderungen anpassen. In einer der besten Episoden, „Homer auf Tournee“ („Homerpalooza“, 1996), erinnert sich Homer an seine Jugend in den 1970er-Jahren zurück und realisiert nicht nur wehmütig, wie sich die Zeit doch verändert hat, sondern wird von seinem eigenen Kind dafür verspottet („Dad, nobody cares for any of your stupid dinosaur bands!“). Er kann die Jugend, die nun zu Bands wie The Smashing Pumpkins oder Cypress Hill rockt, nicht mehr nachvollziehen.

Es birgt eine gewisse Ironie, dass Homer nun, 25 Jahre später, selber zu dieser Jugend gehört. Er ist nun das 90er-Kid, von dem sein altes Ego anno 1996 genervt war. Und somit sind wir, für die Homer die Karikatur eines Kleinstadt-Vaters in den 1990er-Jahre darstellte, jetzt selber Homer Simpson. Damit werden zukünftige Gags vielleicht nicht mehr so gut funktionieren, …

… aber selbst jahrzehntealte Szenen bekommen nun vielleicht für die jungen Fans von damals eine ganz neue Bedeutung („Do it for her!“).

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!