„Wie alt werden Zauberer? 10.000 Jahre oder noch älter?“
- „Ich hab’ noch ein gutes 1.000 vor mir ...und ich bin noch gut bei Samen!“
Ralph Bakshi, amerikanisches Fantasy-Schlachtroß und Schöpfer der Zeichentrick-Variante des „Herrn der Ringe“ (man möge sich erinnern), erschuf 1977 unter dem Einfluß der kunterbunten „Peace&Love“-Bewegung und wahrscheinlich einen Haufen unbekannter Gewürzarten einen wahnwitzigen Antikriegsfilm, verpackt als animiertes Fantasy-Gemetzel – oder wie uns eine weibliche Stimme aus dem Off den Streifen eröffnet: „Eine aufklärende Geschichte über den Kampf um die Weltherrschaft zwischen den Mächten der Technologie und Magie.“
Die gleiche weibliche Off-Stimme beginnt auch ohne Rast in den ersten (gefühlten) 300 Minuten des Films (obwohl dieser insgesamt nur 77 Minuten andauert) den Zuschauer in die Geschichte dieser obskuren Fantasy-Welt einzuweisen.
Anno Irgendwas wurde Mutter Erde von fünf Terroristen und einen Haufen Atombomben in die Luft gejagt. Den nuklearen Holocaust überlebten nur wenige Menschen, die fortan in den verseuchten Wüsten des ehemals blauen (nun braunen) Planeten um ihr Überleben kämpften. Durch die radioaktive Verseuchung mutierten diese zu „schrecklichen“ Wesen heran. Eine Herrschaft des Terrors begann. Nach tausenden von Jahren ließ in anderen Erdteilen die Radioaktivität allmählich nach und die guten Wesen, „die wahren Vorfahren unserer Menschheit“ – die Feen, Elfe und Zwerge – erwachten aus einen tiefen, festen Schlaf (muss sehr tief sein, wenn man ’ne Atombombe über’m Kopp nicht mitkriegt) und besiedelten das Land erneut.
Eines Tages zog ein schweres Gewitter auf und Delia, Anführerin der guten Wesen, flüchtete „wie in Trance“ in ihr Haus. Dort übertrumpfte sie selbst die Jungfrau Maria – trotz Jungfräulichkeit presste sie nicht nur ein Kind, sondern gleich zwei heraus. Und ob dies nicht schon zuviel des Guten wäre, handelte es sich um keine gewöhnlichen Kinder, sondern um „Zauberwesen, die wie Magnete polarisiert waren. Der eine war anziehend – und der andere war abstoßend“.
Während Avatar, der gute, seine Mutter bis zu ihrem Tode mit Zaubertricks erfreute, zog sich Blackwolf, der böse, zurück und „quälte am liebsten kleine Tiere“. Blackwolf erhoffte sich durch den Tod seiner Mutter, ihren Platz als Anführer der Trolle einzunehmen, doch Avatar stellte sich ihm entgegen und besiegte Blackwolf.
Dieser floh weit weg und gründete Scortch…sein eigenes Tümpel-Imperium. Nach 3000 Jahren fühlt er sich nun mächtig genug um das Reich der Elfen und Trolle zu vernichten. Als willige Vollstrecker dienen ihn die mutierten Menschen, die jeden niedermetzeln, der an das Reich der guten Magie glaubt…
Willkommen im Film. Denn der beginnt jetzt erst…
Blackwolf hält seine kunterbunte Truppe an Mutanten allerdings nicht für schlagkräftig genug und besinnt sich deswegen alterwürdiger Propaganda. In irgendeinem jahrtausendealten Keller findet er einen rostigen Filmprojektor, sowie einen abgenudelten Nazi-Propagandafilm, der ihn nicht nur dazu inspiriert das Bodendekor seines Thronsaals neuzugestalten, sondern auch Panzer und Kampfflugzeuge in die Massenproduktion zu geben…
Doch auch die Mutanten sind letztlich ja nur Menschen, und so ist ihre Kampfeskraft zwar groß, doch der Wille lässt den ultimativen Triumph auf sich warten…also, holt Blackwolf seine Geheimwaffe heraus – den Filmprojektor mitsamt Nazi-Propaganda. Die Mutanten, aufgestachelt von Aufmärschen der Wehrmacht und Reden Hitlers, gieren nun nach Krieg und Zerstörung.
Die guten Wesen der Erde sind auf diesen Ansturm aus Wut und Hass nicht vorbereitet und werden allesamt niedergemetzelt.
Blackwolf scheint der Triumph sicher – doch da entscheidet sich Avatar, sich seinem Bruder zu stellen. Doch bevor er dies tun kann, muss er ins dunkle Herz von Scortch vordringen. Zusammen mit der dick-busigen Elfe Elinor und dem jungen Krieger Weehawk, tritt Avatar einen langen Marsch durch den post-apokalyptischen Fantasy-Gedöhns an…
Ralph Bakshi zaubert uns mit seinem vierten Zeichentrickfilm einen wilden Mix aus Fantasy, Endzeit und schieren Wahn auf die Leinwand. Mit den Mitteln der klassischen Animation, kombiniert mit Live-Action sowie Rotoscoping, bombadiert er die Augen des Zuschauers ohne Gnade. Eines ist von Anfang an klar: Dieser Film, sowie Inhalt als auch Umsetzung, polarisiert. Entweder man liebt es – oder hasst es. Nun, gut. Auf der berühmt-berüchtigten Skala des persönlichen Filmgeschmacks mag es hierbei vielleicht noch einige feine Nuancen geben. Dennoch muss man sich ohne Frage auf die Geschichte, sowie die Machart einlassen und den Streifen so eine Chance geben. Ich erkenne es aber an, dass es einfach nicht Jedermanns Sache ist. Bakshis eigenwilliger Stil, der letztlich aus einer Not geboren wurde (Fox weigerte sich während der Produktion das Budget aufzustocken, so dass die Schlachtszenen aus Live-Action bestehen), zerhämmert Gehirne. Keine Frage. Aber der Streifen ist nunmal ein Kind der 70er. Er hat zweifelsohne Stil, Groove, eine klare Antikriegs-Message, einen funkigen Soundtrack, etwas Sozialkritik, haufenweise Slapstick, einen Hauch Sex, skurile Charakter, einen Schuss Gewalt. Letztlich ein wildes Wirrwarr an künstlerischen Einflüßen der unterschiedlichsten Art, die nur eines zum Ziel haben: die Botschaft des Films unters Volk zu bringen.
„Wizards“ (so der Originaltitel, mit „Die Welt in 10 Millionen Jahren“ hat sich der deutsche Verleih wieder mal einen sehr freien Titel ausgedacht) spaltet die Meinungen der Zuschauer, wie Bruce Lee Holzblöcke. Dennoch sollte man dem Streifen trotz des eigenwilligen Stils nicht einfach links (oder rechts) liegen lassen. Er ist eben strange, sehr strange. Wahrscheinlich sogar zu strange für Fox, die den Film erst 2004 in den USA auf DVD veröffentlichten. In Deutschland gibt’s Bakshis animierte Kriegs-Mär lediglich in einer (sehr seltenen) VHS-Verleih-Auflage, von denen der Großteil mittlerweile eine mehr als urige Qualität besitzen dürfte (sofern sie noch existieren). Dennoch hatte die US-DVD-Veröffentlichung Fox dazu bewegt einen zweiten Teil unter Bakshis Federführung zu genehmigen. Anscheinend hat der (mehr oder minder) geheime Kultcharakter des Films sich in den Verkaufszahlen wiedergespiegelt. Sollte es im zweiten Teil ähnlich wild zu gehen, dann sitze ich im Kino definitiv ganz weit vorne… Direkt im Mosh-Pit.
Wer sich bis dato nicht gedulden will (oder kann) und schnellstens eine Spritze „Wizards“ benötigt, dem bleibt wohl leider nur der Griff zum Bestellformular seines US-DVD-Händlers des Vertrauens. Schade, denn gerade die deutsche Synchronisation setzt den Streifen noch die Krone auf (unter anderem findet sich hier die Stimme von Martin Semmelrogge wieder…).
Fatality:
Ich hab eine Schwäche für wilden Schmonz und allein der Gedanke an die fragenden Gesichter des Kinopublikums ringen mir ein Lächeln ab. Deswegen klare vier Köppe – allerdings mit dem Hinweis, dass der Streifen wohl wie kaum ein anderer Film vom persönlichen Geschmack abhängt. Love it or hate it. I love that shit.
‐ Markus Haage
Werbung |