„Verdammte Schweden.“
1981 knarschte die rauhe Stimme eines Off-Sprechers aus den Lautsprechern des Kinos: „Twelve men have just discovered something. For 100,000 years it was buried in the snow and ice. Now it has found a place to live. Inside. Where none can see it. Or hear it. Or feel it.“ Doch dies war nicht die reißerische Ankündigung eines 08/15-Splattergrusel, sondern eines späteren Filmklassikers des modernen Horrorkinos: „Das Ding aus einer anderen Welt“.
Tief in der Antarktis steht der Außenposten 31: eine amerikanische Forschungsstation inmitten des weißen Nichts. Das monotone Forscherleben wird eines Tages jäh unterbrochen als ein Hubschrauber über das amerikanische Camp hinwegdüst und Jagd auf einen Schlittenhund macht. Die Forscher, vollkommen überrascht, versuchen den Hund zu schützen, doch die Mannschaft des Hubschraubers, die sich als zwei norwegische Wissenschaftler einer anderen Station entpuppen, nehmen keinerlei Rücksicht und verletzten sogar einen Forscher des US-Trupps. In ihrem Wahn werden sie jedoch unvorsichtig – einer der Norweger jagt sich mit einer Handgranate selber in die Luft, während der andere von einem der US-Wissenschaftler in Notwehr erschossen wird…
Nachdem die Verwundeten verpflegt und das Chaos sich gelegt hat, entscheidet MacReady, DeFacto-Anführer des Trupps, das norwegische Camp aufzusuchen – doch dort angekommen finden sie nur noch eine vollkommenen zerstörte und ausgebrannte Ruine wieder, auch von den Forschern fehlt jede Spur. Erst als der Trupp die Ruinen der Forschungsstation durchsucht finden sie die grausam zugerichteten Leichen der Wissenschaftler, inklusive eines nicht genau zu definierenden humanoiden Wesens, welches schrecklich deformiert ist. Sie entscheiden sich die Leiche mitzunehmen und genauer zu untersuchen. Hierbei stellt sich heraus, dass es sich um einen Menschen handeln muss.
MacReady entscheidet sich der Sache weiter nachzugehen – aus den Notizen der toten Wissenschaftler erfahren sie, dass sie kurz vor ihrem Tode ein unbekanntes Flugobjekt, tief im ewigen Eis der Antarktis vergraben, gefunden haben…
Blair, Chef-Biologe der Truppe, untersucht indes die Gene des deformierten Menschen und findet dabei heraus, dass ein äußerst aggressiver Virus den menschlichen Körper als Wirt nutzte. Nach seinen Berechnungen würde es weniger als 27 Stunden (Übersetzungsfehler, eigentlich 27.000 Stunden) dauern, bis die gesamte Weltbevölkerung infiziert ist. Blair weiß, dass er alles daran setzen muss, damit der außerirdische Parasit nicht die lebensfeindlichen Antarktis verlassen kann. Denn nur diese hat ihn (wahrscheinlich) jahrtausende in Schach gehalten. Ohne Absprache mit dem restlichen Team zerstört er den Hubschrauber als auch die Funkanlage. Zwischenzeitlich haben sich bereits weitere Forscher mit dem aggressiven Virus angesteckt. Doch für sie kommt bereits jede Hilfe zu spät.
Dies war aber erst der Anfang, denn es reicht ein Tropfen Blut aus, damit der Parasit Besitz vom Körper eines anderen Wirts nehmen kann. Mißtrauen herrscht nun unter den Forschern, da niemand weiß wer infiziert sein könnte…
1982 brachte uns John Carpenter seine Vision des Horror-Klassikers „Who goes there?“ von John W. Campbell Jr. ins Kino. Bereits 1951 schickte sich Hollywood-Legende Howard Hawks an, den Stoff zu verfilmen. Hawks nahm sich hierbei viele Freiheiten, während Carpenter die Kurzgeschichte weitaus getreuer umsetzte. Trotzdem bezeichnet Carpenter sein Werk als Remake, war es doch der 51er-Film, der ihn u.a. dazu inspirierte selber Filmemacher zu werden. Bereits in seinem professionellem Erstlingswerk „Halloween – Die Nacht des Grauens“ zitiert er Hawks’ Version und für das britische DVD-Release des Klassikers steuerte er sogar den Audiokommentar bei. Für Carpenter ging bei der Produktion des Films somit ein Kindheitstraum in Erfüllung – der sich leider an den Kinokassen in einen Flop umwandelte. Im Jahr der freundlichen Außerirdischen, „E.T. – Der Außerirdische“ eroberte die internationalen Kinokassen, ging seine düstere Alien-Vision vollends unter. Kritiker zerrissen den Film, das Publikum wandte sich dem fahrradfliegendem Gnom zu. Für Carpenter ein persönliches Desaster – so schlimm, dass er sich für mehr als drei Jahre vom Film zurückzog und sogar mit dem Gedanken spielte, die Filmerei komplett aufzugeben.
Doch womit niemand rechnete, war, das „Das Ding“ über die Jahre zu einem von Carpenters populärsten Werke mutierte. Im Gegensatz zum großen Lichtspielhaus konnte der Film via Fernsehen und Video sein Publikum finden und gilt heutzutage als wegweisender Klassiker des modernen SciFi-Horrors, der unzählige Ripp-Ofs nachzog und eine ganze Generation junger Nachwuchsfilmer inspirierte. Erst im Jahre 2002 erschien ein Computerspiel zum Film, welches narrativ als direktes Sequel fungiert. Die Gerüchte um eine filmische Fortsetzung, oder gar ein Prequel, reißen seit Jahren nicht ab. Carpenter bot 2003 dem Produktionsstudio Universal an, selber eine Fortsetzung zu inszenieren – in der Kurt Russel (MacReady) als auch Keith David (Childs) wieder mitspielen sollten. Universal ging darauf allerdings nicht näher ein. Eine vierstündige Miniserie für das Fernsehen war ebenfalls als direktes Sequel geplant und Strike Entertainment versuchte 2006 ein Prequel aus dem Boden zu stampfen. Sogar von einem direkten Remake ist oftmals zu hören, was allerdings beim vorliegenden Film vollkommen unnötig ist.
Der Streifen hat nunmehr fast 30 Jahre auf dem Buckel und nichts von seiner Qualität eingebüßt. Würde man den Film heutzutage gegen moderne Genre-Smasher antreten lassen, so bräuchte sich „Das Ding“ keineswegs verstecken, sondern würde wohl qualitativ weit herausragen. John Carpenters Vision von „Who goes there?“ ist ohne Frage zu einem zeitlosen Klassiker geworden. Ein großer Verdienst liegt hierbei nicht nur bei Carpenter selber, der wahrscheinlich seine beste Regiearbeit abliefert, sondern auch beim SFX-Team um Rob Bottin, der einen (oftmals unbeachteten) Meilenstein der Trickkunst schuf. Nicht einmal eine Oscar-Nominierung gönnte man den SFX-Team – im Gegensatz zu Produktionen wie „Ghandi“ oder „Am Anfang war das Feuers“.
Für die deutschen Lande haben gerade diese expliziten und fast schon perfekten SFX die Indizierung nachsichgezogen. Obwohl „Das Ding“ anfänglich ab 16 Jahren freigegeben wurde, entschied man sich nach einer Neuprüfung doch noch für eine Freigabe ab 18 – und eine zusätzliche Indizierung. Nach 25 Jahren hat das Dasein auf dem Index endlich ein Ende und zu aller Überraschung wurde der Streifen wieder ab 16 Jahren freigegeben. Woran dies lag, bleibt im Dunkeln. Vielleicht haben die deutschen Zensoren endlich die Genialität dieses Films erkannt. Denn hinter der Fassade eines schleimigen Sci-Fi-Horrors steckt weitaus mehr. Eine düstere, beklemmende Atmosphäre, minimalistisch-beängstigende Musik und hervorragende Schauspieler tragen eine weitaus verstricktere Storyline, als man auf den ersten Blick annehmen mag. Genauso wie die Charaktere, bleibt auch der Zuschauer immer im Ungewissen, wer nun infiziert wurde und wer nicht. Auch über die wahre Absicht des Dings kann spekuliert werden, sowie über das Überleben von MacReady und Childs und ob einer der beiden doch infiziert wurde. VideoRaider Skullo machte hierzu folgende Anmerkungen:
– Ob das Ding nun eine Biowaffe ist, ein Alienparasit oder zu einer raumfahrenden Rasse von Dingern gehört, wird nicht geklärt. Allerdings verhält sich das Ding für einen üblen „Aggressor“ reichlich passiv. Jedes Mal wenn es angegriffen hat, war es in unmittelbarer Lebensgefahr und hat lediglich versucht zu überleben – sogar in dem es seine Artgenossen verrät (Palmer und der Spinnenkopf)! Wozu sollte es ein Raumschiff bauen, wenn nicht um von der Erde zu flüchten? Wenn es nur um eine Infektion der Erdbevölkerung ginge, hätte es genau so gut den Hubschrauber reparieren können. Deswegen meine Vermutung, das Ding ist ein Kundschafter der ideal für den ersten Kontakt, bzw. unauffällige Beobachtung fremder Lebensformen, zuständig ist …aber eben mit gehörigem Überlebenswillen, wenn er von den Einheimischen doof angemacht wird. Bei uns Erdlingen ist das Ding halt an die Falschen geraten und in eine missliche Lage gekommen. Die Fähigkeiten vom Blair-Ding sind auch ein Indiz für die Passivität des Dings: Als es Garry und Nauls angreift, geschieht dies absolut leise, d.h. es hätte nach Norris wirklich alle Forscher übernehmen können. Stattdessen hat es nur Palmer übernommen, um seine Chancen zu verbessern. Es ist halt kein Assimilations-Killer.
– Wer war wann infiziert? Der Schatten der im Zimmer zu sehen ist, als das Hund-Ding seinen ersten menschlichen Wirt besucht, ist von einem Stuntman und keinem der Schauspieler. Trotzdem vermute ich, dass es Norris ist, dies liegt an der Kleidung (Rollkrangenpulli) und der „bulligen“ Erscheinung. Palmer wurde vermutlich infiziert als McReady und Copper im Norweger-Camp waren. Auch hier fällt die Passivität des Dings auf, denn Norris und Palmer sind MacReadys Begleiter zum Raumschiffwrack (Drehbuch, Buch zum Film), unternehmen jedoch nichts um MacReady zu übernehmen. Dr.Blair hat sich eine mikroskopische Ding-Infektion zugezogen (es ist zu sehen, dass er mit einem Bleistift, das unbewegliche Hund-Ding antetscht, selbigen Bleistift hält er sich in der Folgeszene an dem Mund). Deswegen hat es länger gedauert, bis er zum Ding wurde. Als er eingesperrt wird, ist er noch größtenteils menschlich. Später, ist er es nicht mehr. In einer Szene ist in seinem „Gefängnis“ ein Strick zu sehen, er wollte sich umbringen, hat es sich aber wohl dinghaft anders überlegt.
– Die einzelnen Dinger können wahrscheinlich telepathisch mit einander kommunizieren. Indiz hierfür ist, dass das Blair-Ding vom Ableben Palmers wusste und deswegen seinen UFO-Bau aufgegeben hat.
Ich stimme diesen Überlegungen zwar nicht zu 100% überein, dennoch zeigt es die Tiefe der Story, insbesondere in Bezug des ersten Punkts, mit dem ich mich sehr gerne anfreunden kann. Die Tatsache, dass das Ding vielliecht gar niemanden töten und nur von der Erde verschwinden wollte (siehe Raumschiffbau), und lediglich defensiv agierte, gibt der gesamten Geschichte eine tragische Wendung. Schaut man sich den Film unter diesen Gesichtspunkten noch mal an, so fällt einem auf, dass es immer nur der Mensch ist, der agiert und Schlüsse zieht (Blair) und darauf sein Handeln und seine Aktion aufbaut. Natürlich sind dies alles nur Mutmaßungen und dagegen spricht der Originalroman „Who goes there?“ in der eindeutig aufgezeigt wird, dass der Raumschiffbau, der hier leidglich als normales Fluggerät dargestellt wird, dazu diente nur aus der Antarktis zu verschwinden.
Aber gerade dieses Unbekannte ist es, was den Film in Sachen Suspense in die Champions League befördert. Dieses Unbekannte spiegelt Carpenter auch brillant in der Optik des Films wieder. Langsame Schnitte und eine ruhige Kameraführung, die, die gähnende Langeweile, aber auch völlige Isolation des Forscherteams wiederspiegeln, bestimmen den Film. Unterstützt wird dies von einem minimalistischen Soundtrack, der zwar nicht, wie üblich, von Carpenter selber stammt (sondern von Altmeister Ennio Moriccone – auch wenn Carpenter nacharbeitete), aber in bester Tradition zu ihm steht. Lediglich wenn sich das Ding zu erkennen gibt, bricht die Hölle los – und dies in einer Brillanz, die man selbst mittels CGI nicht besser hätte einfangen können. Die animatronischen Effekte gehören wohl ohne Frage zu den besten SFX die jemals auf die Leinwand gezaubert wurden.
Trotz des finanziellen Flops und einer damit zusammenhängenden Schaffenskrise Carpenters, mutierte „Das Ding“ zu einem Kult-Klassiker des modernen Horrors und dürfte im Jahre 2009 in keiner Film-Sammlung fehlen. Mittlerweile werden sogar Thing-Feste abgehalten, Aufführungen des Films unter Teilnahme der Crew. Dank des Internets kann die weltweite Fangemeinde ihrem Lieblingsfilm frönen – ob on- oder offline…
Carpenter at his best! Und wem das nicht reicht, der bekommt den geilsten Hut der Filmgeschichte serviert.
In meiner Welt sind das bereits 5 Köppe wert.
Schnee: 7%
Computerpixel: 14%
Whiskey: 79%
‐ Markus Haage
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