Vor 25 Jahren, am 10. September 1993, lief im US-amerikanischen TV die erste Episode zu „Akte X – Die unheimlichen Fälle des FBI“ („The X-Files“). Es folgten 218 Episoden in elf Staffeln sowie zwei Kinofilme. Kaum eine andere Serie hat die TV-Landschaft der 1990er-Jahre dermaßen geprägt. Inszenatorisch stellte sie einen Meilenstein dar, experimentierte mit dem Format und wagte sich inhaltlich für das Prime-Time-TV gewisse Grenzen zu überschreiten.
Ein persönlicher Rückblick von 2016, der aber gerade zum Jubiläum perfekt passt: Die vergangenen Monate habe ich nebenbei die alten Staffeln nach und nach geschaut. Noch nicht alles, aber es war eine teils „merkwürdige“ Reise in die Vergangenheit. Abgesehen von der Tatsache, dass ich überrascht war, wie gut und teils düster die Serie inszeniert wurde, amüsierte ich mich auch darüber, wie sehr die Serie mit den 90ern verbunden ist. Als ich sie erstmalig als Schüler Mitte/Ende der 90er sah, nahm ich dies natürlich so nicht war. Klar, ich steckte ja in dieser Zeit mittendrin. „Akte-X“ lief immer Montags, manchmal geschnitten, mit Werbeunterbrechungen auf Pro 7 (man musste immer eine Woche warten, bis es eine neue Folge gab – unglaublich, aber wahr!). Aber mit etwas zeitlichen Abstand ist es schon faszinierend zu sehen, wie die Welt sich gewandelt hat. Röhrenfernseher, Disketten, Telefonzellen, Videokassetten, CDs und CD-Roms, Plattenläden, Autofenster zum Kurbeln, Dauerwellen, Rollkragenpullover, Tageszeitungen, Mittelscheitel, Herren-Anzüge so großzügig geschnitten wie ein Zirkuszelt, Aliens, Pager (!!!), Recherche in Dia-Archiven (kein Internet, bzw. es gab noch nicht viel her), Verschwörungen. Das passt gut.
In den 1990ern war das Misstrauen gegenüber der Regierung, vor allem in den USA, auf einem Höhepunkt. Der vom Kongress initiierte JFK-Untersuchungsausschuss (angefeuert von Oliver Stones Film, der behauptete, das JFK von Regierungsmächten ermordet wurde), die ewige Roswell-Verschwörung, die massenhafte Veröffentlichung von Geheimdokumenten, deren Geheimhaltefrist ablief, der Impeachment-Prozess gegen Clinton (Aushöhlung der obersten Autorität), die bewaffneten Gefechte zwischen rechtsradikalen und religiös-fundamentalistischen Kräfte innerhalb des eigenen Landes (siehe Waco, Texas) – all das spielt der Serie zu. Zehn Jahre später, besonders nach 9/11 (als es quasi eine untrennbare Verbrüderung zwischen Regierung und Bevölkerung gab), hätte die Serie wohl nicht so gut funktioniert.
Es ist faszinierend zu den X-Akten zurückzukehren und die Serie rückblickend zu betrachten. Viele Einflüsse, ob politisch, gesellschaftlich oder kulturell, machen sich erst jetzt bemerkbar. Es durfte sogar noch geraucht werden. Und Frauengesichter wurden durch Botox noch nicht in Backsteine verwandelt.
‐ Markus Haage
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