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„Evil Dead Rise“ (USA, 2023)

verfasst am 23.April 2023 von Markus Haage

(© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.)

Nach 42 Jahren „tanzen die Teufel“ wieder auf der großen Leinwand. Ein (auch emotionales) Massaker erwartet die Zuschauer, das die Filmreihe nicht neu erfindet, aber ihre Höhepunkte packend zelebriert.

Offizielle Synopsis: „Evil Dead Rise“ erzählt die verstörende Geschichte zweier entfremdeter Schwestern, deren Wiedersehen durch das Auftauchen dämonischer Kreaturen gestört wird. Die beiden Schwestern finden sich in der albtraumhaftesten Form eines Familienstreits wieder, den man sich vorstellen kann – und schon bald geht es ums nackte Überleben.

Mit „Tanz der Teufel“ („The Evil Dead“, 1981) erschufen Sam Raimi, Bruce Campbell und Robert Tapert einen Kultur-Schocker, der auch noch 42 Jahre nach Entstehung für den modernen US-amerikanischen Horrorfilm von enormer Relevanz ist. Es folgten drei Fortsetzungen als auch ein Remake, die allesamt nicht unterschiedlicher sein könnten. Mit „Tanz der Teufel 2“ („Evil Dead 2: Dead by Dawn“, 1987) kreierte man eine Fun-Splatter-Achterbahnfahrt, die den Protagonisten Ash (Bruce Campbell) zum Ende hin ins englische Mittelalter katapultierte. Der dritte Teil „Die Armee der Finsternis“ („Army of Darkness“, 1992) gab sich weitaus zahmer, setzte enorm auf komödiantische Elemente und wandte sich auch aufgrund der hohen Produktionskosten an ein Massenpublikum. Danach wurde es fast zwanzig Jahre ruhig.

Das „Evil Dead“-Universum seit 1981.Die „Next Generation“ aus der ersten Staffel.
(© Renaissance Pictures, © Sony Pictures, © Starz, © 2023 Warner Bros, Entertainment Inc. All Rights Reserved.)

Mit „Evil Dead“ (2013) erschuf Fede Álvarez eine Art Neuverfilmung oder Neuinterpretation des Originalfilms – innerhalb des Fandoms gibt es bis heute Diskussionen, wie das Werk inhaltlich einzuordnen sei –, während Sam Raimi, Rob Tapert und Bruce Campbell für den Streaming-Service Starz eine Sequel-Serie inszenierten, die stilistisch „Tanz der Teufel 2“ am nächsten kam. Ein wilder, teils absurder Ritt, vollgepackt mit Slapstick-Elementen. Die Serie wurde nach drei Staffeln beendet, die „Tanz der Teufel“-Saga hingegen nicht. Nicht unerwähnt bleiben soll die grandiose Episode „Public Television of the Dead“ der in Deutschland unveröffentlichten Anthologie-Serie „Creepshow“ (2019–) als auch die zahlreichen Comic-Adaptionen, die die Handlung einzelner Filme weitererzählten.

Der ursprünglich kleine Independent-Film „Tanz der Teufel“, der von einer Gruppe Zwanzigjähriger mit einem Minimalbudget in den Wäldern Tennessees gedreht wurde, hat sich über die Jahrzehnte eben nicht nur zu einem Kultklassiker entwickelt, sondern ein ganzes Franchise erschaffen, welches stets ausgebaut werden soll. Zehn Jahre nach der Neuinterpretation wird „Evil Dead Rise“ (2023) nun ein neues Kapitel im Necronomicon Ex Mortis aufschlagen. Der irische Regisseur Lee Cronin, der vorab den wundervollen Horrorfilm „The Hole in the Ground“ (2019) als auch zwei Episoden von Sam Raimis Anthologie-Horror „50 States of Fright“ (2020) inszenierte, nahm sich der Thematik an und versetzte die Handlung erstmalig in die Großstadt. Bei Erfolg sollen laut Sam Raimi alle zwei bis drei Jahre neue „Evil Dead“-Filme folgen.

Alles muss geopfert werden.
(© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.)

Nachdem „Evil Dead Rise“ mit einem in sich abgeschlossenen Schocker-Opening den Film eröffnet, nimmt sich das Werk für seine eigentlichen Hauptcharaktere Zeit. Der Zuschauer weiß, was passieren wird – filmerfahrene Genrefans werden durch die präzise Einstellung bestimmter Schauplätze und ihrer Tücken sogar bereits die weiteren Handlungsorte des Films erahnen können –, das Necronomicon wird geöffnet und der Wahnsinn beginnt. Damit kann „Evil Dead Rise“ im Aufbau nur variieren, denn die Regeln, was passieren muss, damit die „Teufel wieder tanzen“, sind definiert. Demnach muss das Necronomicon in die Handlung eingeführt werden, „Evil Dead Rise“ tut dies auf eine irritierend kreative Weise, die gleich von Anfang an deutlich macht, dass es sich hierbei weder um ein Spin-Off, noch ein Legacy-Sequel oder Remake, sondern einen Standalone-Film handelt, der sich schlicht als eine weitere Inkarnation derselben Horror-Mär versteht.

Ein leichtes Erdbeben öffnet einen versiegelten Raum unterhalb des Gebäudes. Damit verknüpft Cronin die US-amerikanische Moderne mit den vergessenen Mythen der hispanischen Kolonialzeit – ähnlich ging John Carpenter in „Die Fürsten der Dunkelheit“ („Prince of Darkness“) anno 1987 ebenfalls vor –, und gibt dem Werk damit eine gewisse kulturelle Tiefe, indem das Necronomicon schlichtweg ein Sammelsurium aller möglichen grausamer religiöser Wahnvorstellungen zahlreicher Glaubensgemeinschaften, die das moderne Amerika über Jahrhunderte besiedelten, darstellt. Die Gruft, in der es liegt, ist versetzt mit multikulturellen Reliquien, die versuch(t)en, das Böse einzudämmen. Der Versuch muss letztendlich natürlich kläglich scheitern. Denn, wenn es etwas gibt, auf das sich das Böse in US-amerikanischen Horrorfilmen stets verlassen kann, dann ist es die Arroganz, Naivität oder schlichtweg Dummheit von Teenagern.

Nicht das Buch öffnen …
(© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.)

Der Hauptschauplatz der Handlung konzentriert sich fast vollends auf ein Apartmenthaus, strenggenommen eine Wohnung und den angrenzenden Flur. Ein durch schräge Kameraeinstellungen und finstere Lichtgestaltung surreal anmutender Komplex, der im Detail allerdings durch seinen Hyperrealismus glänzt. Hier wohnt eine moderne Familie, deren Konstellation und Umgebung sich im Gegensatz zu anderen Werken auch echt anfühlt. Oft wird in Hollywood-Produktionen die Arbeiter- oder Mittelklasse absurd falsch dargestellt. Ihre Häuser und Wohnungen fühlen sich wie Sets an, die nichts mit der Realität gemein haben. Bei „Evil Dead Rise“ haben die Set- und Produktionsdesigner es nicht nur geschafft, eine Umgebung zu kreieren, die tief in der Realität verwurzelt ist, sondern sich mit der zunehmenden Eskalation der Handlung in eine „Haunted Mansion“ inmitten der Großstadt wandelt. Eine echte Höchstleistung. Denn, wenn es zur erwähnten Eskalation kommt, gönnt der Film dem Zuschauer keinerlei Ruhepause mehr. Weder bei den kleinen Grausamkeiten – was der Bleistift im Original war, ist hier nun die Käsereibe –, noch den folgenden überzogenen Massaker. Die anfangs hyperrealistische kleine Welt der Working-Class-Patchwork-Family soll sich in einem hysterischen, natürlich übernatürlichen Finale zu einer Hölle aufbauen, die an die wortwörtlich monströsen (!) Hochzeiten des Fun-Splatters der 1980er-Jahre mahnt. Somit ehrt „Evil Dead Rise“ nicht nur den Originalfilm, sondern auch die Entwicklung des gesamten Franchises, und versieht dies mit einem neuen dramaturgischen Twist.

Die narrative Vorarbeit zahlt sich dann besonders aus; die zu erwartenden absurden Grausamkeiten stellen nicht zwingend den Höhepunkt des Horrors dar, sondern auch das Spiel der Dämonen. Auf perfide, teils hämische Art und Weise versucht das Böse die, um ihr Überleben kämpfende Familie zu entzweien. Die Mutter, brillant performt von Alyssa Sutherland, wird als Erste besessen sein. Damit wird das Zentrum der Familie auseinander gerissen. Die Kinder, überwältigt von Trauer und Grauen zugleich, sind vollkommen überfordert und richten ihre Blicke flehend auf ihre Tante Beth (Lily Sullivan). Dies zwingt diese dazu, ihre Nichten und Neffen zu schützen und eine Rolle anzunehmen, die sie zeitlebens ablehnte: Mutter zu sein. Diese neue Variation der Protagonisten ist erfrischend anders. Es ist eben kein wild zusammengewürfelter Haufen von Teenagern, den lediglich eine lose Freundschaft verbindet und letztlich nur dazu dient, zu Schlachtvieh zu mutieren, sondern eine Familie, die – im wahrsten Sinne des Wortes! – auseinandergerissen und neu zusammengesetzt wird. Dennoch sei folgendes angemerkt: wer mit den Protagonisten oder dem Setting hadert, wird es schwer haben einen Zugang zum Film zu finden. Für den jeweiligen Zuschauer steht und fällt „Evil Dead Rise“ mit den Charakteren.

Der dramaturgische Vorbau zahlt sich damit aus, auch wenn der Zuschauer weiß, worauf die Handlung letztlich hinauslaufen wird: ein exzentrisches Blutbad voller absurder Grausamkeiten, die deswegen so gut funktionieren, weil sie tatsächlich emotional nachvollziehbar sind. Cronin nimmt hierbei keine Rücksicht auf Verluste, weder bei der grafischen noch seelischen Gewalt, und erschafft neue ikonische Momente für das gesamte Franchise, ohne dabei aber den grundlegenden Rhythmus eines „Evil Dead“-Films zu verändern. Die schauspielerische Leistung der Darsteller kann hierbei gar nicht genug hervorgehoben werden, auch wenn aufgrund der begrenzten Anzahl der Charaktere jede explizite Beschreibung bereits einen Spoiler darstellen würde.

Die Teufel tanzen wieder. Und klettern sogar die Wände hoch.
(© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.)

„Evil Dead Rise“ stellt eine hysterische Achterbahnfahrt der Grausamkeiten dar, die zum Ende hin auf vollkommen absurde (und monströse!) Weise eskaliert. Der Film erfindet die Filmreihe nicht neu, sondern respektiert ihre Mechanismen, honoriert ihre Eigenheiten und modernisiert ihre Höhepunkte auf effektive Weise; gerade weil er den Protagonisten eine für das Franchise bis dahin unbekannte dramaturgische Tiefe gibt und somit der ewigen Neuerfindung der Reihe Tribut zollt. Eine mehr als nur gelungene Interpretation des Stoffes, die aufzeigt, dass in der mehr als vierzig Jahre alten Grundidee noch viel (dämonisches) Leben steckt.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!