In einer von Fans bestimmten Filmwelt nehmen diese immer öfter das Schicksal ihrer Lieblingswerke selber in die Hand, halten sie am Leben und somit relevant oder erstellen gar alternative Schnittfassungen. Oftmals zu den großen Kultklassikern, manchmal aber eben auch zu Filmen wie … *trommelwirbel* … „Super Mario Bros.“, einer legendär-gescheiterten Videospiel-Adaption mit Weltstars im Schlepptau, zu dieser nun aus dem Besitz von Filmproduzent Roland Joffé ein Extended Cut aufgetaucht ist.
Anfang der 1990er-Jahre, nachdem Heimkonsolen ihren Siegeszug in den globalen Kinderzimmern schon vollzogen hatten, schwappte eine Welle von Videospiel-Verfilmungen über die Leinwände, die vom Erfolg ihrer Vorlagen natürlich profitieren wollten. Keine dieser Adaptionen konnte besonders begeistern. Weder waren sie wirklich werkgetreu, noch cineastisch anspruchsvoll. Sie sind Relikte der Popkultur und werden heutzutage oftmals aufgrund ihrer teils wahnwitzigen Umsetzung und gerade für ihre irren Unzulänglichkeiten gefeiert. Natürlich wird hierbei auch vieles nostalgisch verklärt, aber solange es Freude bereitet, möchte man diese auch nicht mindern. Jeder Filmfan besitzt sein persönliches Guilty Pleasure. Und für viele Filmfans scheint dies „Super Mario Bros.“ aus dem Jahre 1993 zu sein.
Die Videospiel-Adaption floppte nicht nur bei den Kritikern, sondern auch beim jugendlichen Publikum. Es war eine extrem freie Umsetzung der populären Videospiel-Reihe, die die Vorlage höchstens durch Gimmicks zitierte. Aufgrund der einsetzenden Dino-Mania Anfang der 1990er-Jahre, die mit Spielbergs „Jurassic Park“ (1993) ihren kommerziellen Höhepunkt erreichte, formte man sogar selbst die losen Referenzen um. Aus den gegnerischen Schildkröten wurden Dinosaurier, die sich in einer Parallelwelt zu menschenähnlichen Wesen weiterentwickelten. Die Verfilmung konnte mit einem verhältnismäßig großen Budget, einigen Stars, sowie einen massiven Merchandise-Support aufwarten. Es hat alles nichts geholfen. „Super Mario Bros.“ kam und ging. Das popkulturelle Mega-Event blieb aus. Immerhin konnte der Titelsong „Almost unreal“ der schwedischen Hit-Band Roxette die Charts erobern.
Die Produktionshistorie des Films wäre mit dem Wort „wild“ zu beschreiben, wäre noch untertrieben. Die Drehbücher wurden während des Drehs umgeschrieben, die Regisseure gewechselt und nach Aussage von Bob Hoskins war ihm bereits während der Produktion bewusst, dass der Film nicht gut werden wird. Drehbuchautor Ed Solomon hat das fertige Werk nie gesehen, wohl auch, weil die Rewrites so drastisch waren, dass er sich damit kaum noch identifizieren konnte. Schauspieler Richard Edson geht sogar so weit zu behaupten, dass der Film seine Karriere ruiniert hätte.
„When you’re involved with such a big disaster, the stench of it sort of stays with everybody, […]. There was work I hoped for in Hollywood, but it never really happened for me after that. You have to be careful. If you’re going to sell your soul, you’d better be getting more than just money out of it.“
Aufgrund des Produktionschaos existieren demnach natürlich auch unterschiedliche Schnittfassungen als auch Ausrichtungen und Visionen des Films. Vollständig fertig wurde keine. Das veröffentlichte Werk ist ein wilder Moshpit geworden, an dem viele Künstler hinter den Kulissen arbeiteten. Aber genau dieser Umstand macht „Super Mario Bros.“, unabhängig von der Qualität der fertigen Version, eben so interessant. Zumindest interessant genug, um alternative Schnittfassungen zu erstellen.
Die Website The Super Mario Bros. Archive geriet eher durch Zufall an eine alte Videokassette, die sich im Besitz von Filmproduzent Roland Joffé befand. Auf diesem Tape befindet sich eine Schnittfassung von „Super Mario Bros.“, die mehr als fünfzehn Minuten unbekannten Filmmaterials enthält. Quasi Deleted Scenes, die nirgends zuvor veröffentlicht wurden. Auch nicht als Bonusmaterial. Der neu entstandene Extended Cut umfasst nun eine Lauflänge von 125 Minuten und wurde auf YouTube als auch im sogenannten Internet Archive online gestellt. Aus urheberrechtlichen Gründen kann ich diesen natürlich nicht direkt verlinken, aber die Existenz auch nicht bestreiten. Demnach verweise ich nur auf eine erweiterte Szene, die einen besseren Eindruck vermittelt und in einem produktionshistorischen Kontext gebettet wurde.
Es nicht vollends bekannt, ob dies nun die finale Fassung oder gar ursprüngliche Vision ist. Davon ist eigentlich nicht auszugehen, da man bereits während des Drehs drastische Abänderungen vornahm. Der Extended Cut ist mehr oder weniger ein Fenster, welches einen Ausblick auf einen anderen Film gibt, der so nie fertig gedreht wurde. Es wäre demnach durchaus interessant, wenn man ähnlich wie beim Richard-Donner-Cut von „Superman II – Allein gegen alle“ („Superman II“, 1980) zumindest versuchen würde die ursprüngliche Vision zu rekonstruieren. Aber sicherlich wäre kaum ein professioneller Vertrieb bereit die Kosten hierfür zu stemmen. Es gibt eben Projekte, die dann doch nur die Fans übernehmen können…
‐ Markus Haage
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