Der Schnee färbt sich blutrot: Ein Auftragskiller will den Weihnachtsmann ermorden. Doch dieser weiß sich zu wehren. Eine irre Prämisse, die sich dank einer grandiosen Inszenierung zu einem der Genrefilm-Höhepunkte des Jahres entwickelt.
Es weihnachtet schwer: Der verwöhnte Billy bekommt zum Weihnachtsfest nur ein Stück Kohle. Angemessen, hatte er doch erst kürzlich eine Konkurrentin beim Schulwettbewerb entführt und mit Folter gedroht, wenn sie ihren ersten Platz nicht freiwillig für ihn räumt. Doch mit dem Weihnachtsgeschenk will Billy sich nicht abgeben. Er engagiert den „Skinny Man“ (Walton Goggins), einen Auftragskiller, um den Weihnachtsmann (Mel Gibson) aus Rache zu ermorden. Dies passt dem „Skinny Man“ gut, er selber hat noch eine Rechnung mit Santa Claus, dem „Fatman“, offen. Doch dieser weiß sich zu wehren …
Am Drehbuch des Films „Fatman“ saß das Regie-Duo Eshom Nelms und Ian Nelms nach eigener Aussage rund 14 Jahre. Kontinuierlich wurde daran gearbeitet, bis sich endlich die Chance ergab, es umzusetzen. Die Idee eines bis an die Zähne bewaffneten Weihnachtsmannes, der sein Revier verteidigt, ist sicherlich nicht ganz neu. Man denke hier nur an den In-Universe-Spoof „Die Nacht, in der das Rentier starb“ in Richard Donners „Die Geister, die ich rief …“ („Scrooged“, 1988). Hier griff Lee Majors in einem fiktiven TV-Spot zum Maschinengewehr, um den Nordpol vor Terroristen zu beschützen. Nun, in „Fatman“ fährt der Weihnachtsmann nicht ganz so groß auf, weiß sich aber nicht weniger eindrucksvoll zu wehren.
Die Faszination an „Fatman“ besteht darin, dass eine im Grunde absolut phantastische Prämisse in ein hyperrealistisches Setting verfrachtet wird. Übernatürliche Elemente besitzt die Handlung und ihre Charaktere selbstredend, doch diese werden charmant akzeptiert und nicht detailliert aufgedröselt. Gewisse Dinge in diesem Universum sind einfach so, wie sie eben sind. Die übernatürlichen Kräfte des Weihnachtsmannes? Eine Gabe, die keiner genauen Erklärung bedarf. Die tapferen Helferlein von Santa Claus? Elfenartige Wesen, die vornehmlich unter sich bleiben und sich von zuckerhaltigen Süßwaren ernähren und alleine deswegen aus Mangelernährung und vielleicht gar Inzucht so eigenartig aussehen könnten. Damit verschafft sich der Film eine angenehme Leichtigkeit, die es wohl auch bedarf, um die eigenwillige Prämisse überhaupt bedienen zu können. Mit Walton Goggins und Mel Gibson stehen zudem zwei Charakterschauspieler im Fokus der Geschichte, die den Film nur alleine durch ihr exzellentes Spiel tragen und der Story ebenfalls eine gewisse Tiefe verschaffen können. Am Ende kämpfen hier auch Zynismus und Hoffnung gegeneinander, ohne, dass man dabei allerdings im Pathos versinkt.
Auch wenn „Fatman“ sicherlich eine verhältnismäßig kleine Genreproduktion darstellt, verkauft sich der Film inszenatorisch auf höchstem Niveau. Besonders hervorzuheben ist die grandiose Filmmusik der Mondo Boys als auch die Kameraarbeit von Johnny Derango, die aufzeigen, dass die Nelms-Brüder stets eine ernste Umsetzung der irren Thematik anstrebten, ohne sich allerdings selber zu ernst zu nehmen. Ein gewisses Augenzwinkern ist bei der Betrachtung stets zu vernehmen, so wie man es selbst in den menschlich düstersten Momente der Cohen-Brüder betrachten kann. Vielleicht war deren Gesamtwerk auch ein gewisses Vorbild für die Macher. Wenn der Weihnachtsmann trotzig feststellt, dass sein Einfluss auf die Welt zu schwinden scheint und seine Frau ihn mit wenigen Beispielen aufzeigt, dass seine Taten immer noch einen Unterschied machen, so ringt dies dem Zuschauer tatsächlich echte Emotionen ab, obwohl die Szene in ihrer ganzen Absurdität nicht ernst zu nehmen sein sollte. Möchte man etwas kritisieren, so sei es vielleicht lediglich das Ende, welches zwar Hoffnung auf eine Fortsetzung macht, die mehr als nur verdient wäre, allerdings im Kontext der Handlung und Inszenierung inkonsequent wirkt.
Mit „Fatman“ hat man eine kleine Genreperle erschaffen, die auf eigenwillige, aber inszenatorisch hochqualitative Art eine eigentlich vollkommene absurde Geschichte absolut ernst erzählt, sich aber dessen allerdings auf bizarre Weise wiederum bewusst ist. Zum Abschluss dieses deprimierenden Filmjahres auf ihre ganz eigene Art und Weise ein Highlight, welches man tatsächlich auf der großen Leinwand genießen sollte. „Fatman“ sollte am 26. November 2020 bundesweit in den deutschen Kinos starten. Die Pandemie verhinderte dies, sodass ein Heimmedien-Start für Dezember 2020 vorgezogen wurde.
‐ Markus Haage
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