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„Friedhof der Kuscheltiere: Bloodlines“ (USA, 2023)

verfasst am 1.Oktober 2023 von Markus Haage

(© Paramount Pictures. All Rights Reserved.)

Auf dem „Friedhof der Kuscheltiere“ sind wieder Plätze frei. Paramount Pictures nimmt dies zum Anlass, eine weitere Geschichte aus Stephen Kings fiktiver Kleinstadt Ludlow zu erzählen. Diesmal entschied man sich aber gegen eine direkte Fortsetzung und begibt sich in die Vergangenheit …

Offizielle Synopsis: 1969 träumt Jud Crandall (Jackson White) davon, seine Heimatstadt Ludlow, Maine, zu verlassen, stößt jedoch bald auf finstere, verborgene Geheimnisse und eine dunkle Familiengeschichte, die ihn für immer mit Ludlow verbinden wird. Jud und seine Freunde kämpfen gegen etwas uraltes Böses, das Ludlow seit seiner Gründung in Bann hält …

Man mag es vielleicht kaum glauben, aber die 1985 veröffentlichte Schauermär „Friedhof der Kuscheltiere“ („Pet Sematary“) stellt wohl eines von Kings persönlichsten Büchern dar. Er selber bezeichnete den Roman noch im Vorwort einer Neuauflage als „furchtbar“. Nicht, weil er nicht stolz auf das Werk wäre oder es sich durch exzessive Grausamkeiten von seinen anderen Schöpfungen abheben würde, sondern weil die Geschichte ihn an seine eigenen Kinder erinnerte. Die Inspiration erhielt er von einem echten Haustier-Friedhof, welcher nicht unweit entfernt seines Eigenheims in Orrington lag, das er kurzzeitig bezog, als er einen Tutoren-Job an der University of Maine annahm. Die örtlichen Kinder hätten dort ihre Haustiere sogar in einer Art von Prozession beerdigt; darunter auch seine Tochter, deren Katze Smucky durch die viel befahrene Straße nahe dem eigenen Haus überfahren wurde. Eine gefährliche Straße, die Kings Sohn fast das Leben gekostet hätte. Wer sich die Handlung von „Friedhof der Kuscheltiere“ in Erinnerung ruft, wird schnell die Ähnlichkeiten zu Kings realem Leben erkennen. Alles in dem Buch – natürlich nur bis zum Punkt des übernatürlichen Horrors – entspricht der Wirklichkeit oder wurde von dieser direkt inspiriert.

„Everything in the book up to the point of the supernatural stuff is true.“
– Stephen King, Interview mit EW.com, März 2019

Das Leben schreibt bekanntlich die besten Geschichten; vielleicht lag der Erfolg von Kings Geschichte auch genau darin begründet. Der Roman entwickelte sich zu einem Hit. Keine Überraschung; zu diesem Zeitpunkt, Mitte der 1980er-Jahre, hatte sich Stephen King bereits zu einer eigenen Marke entwickelt, wovon auch schon längst die Filmstudios profitiert haben. King hatte Glück; seine ersten Werke wurden von Meistern ihres Faches für die große Leinwand neu interpretiert – man denke nur an Brian De Palmas „Carrie – Des Satans jüngste Tochter“ („Carrie“, 1976), Tobe Hoopers „Brennen muss Salem“ („Salem’s Lot“, 1979), Stanley Kubricks „Shining“ („The Shining“, 1980), David Cronenbergs „Dead Zone („The Dead Zone“, 1983) oder natürlich auch an John Carpenters „Christine“ (1983) –, erst später, beginnend Ende der 1980er-Jahre, sank die Qualität der Adaptionen merklich. Jede Kurzgeschichte oder Novelle wurde zu einem Spielfilm, einer Mini-Serie oder einem Fernsehfilm umgeschrieben, teilweise ohne erkennbare Ähnlichkeit zur Vorlage. „Der Rasenmäher-Mann“ („The Lawnmover Man“, 1992) kann dies bezeugen. Gingen die Geschichten oder eher die Verfilmungsrechte an neuen Stoffen aus, so inszenierte man einfach lose Fortsetzungen, die mit der Vorlage kaum noch etwas gemein hatten. Die Adaption der Kurzgeschichte „Manchmal kommen sie wieder“ („Sometimes They Come Back“, 1991) kam eben nicht nur manchmal, sondern ziemlich oft wieder: zwei Fortsetzungen entstanden bis 1999. Ähnliches galt natürlich auch für den „Friedhof der Kuscheltiere“.

Die ursprünglichen Verfilmungen von „Friedhof der Kuscheltiere“, als auch die Dokumentation „Unearthed & Untold: The Path to Pet Sematary“ aus dem Jahre 2013.
(© Paramount Pictures; Ocean’s Light Productions. All Rights Reserved.)

Mary Lamberts Erstverfilmung aus dem Jahre 1989 entwickelte sich nicht nur zu einem Hit, sondern auch zu einem Kultfilm, der bis zum heutigen Tage generationenübergreifend funktioniert. 2013 entstand sogar eine Dokumentation unter dem Titel „Unearthed & Untold: The Path to Pet Sematary“ (2013) über die Produktion. Dies mag vielleicht auch am fast schon perfekt anmutenden Mix aus traditionellen Grusel, reißerischem Horror und temporärer Popkultur gelegen haben. Der Titelsong von den legendären Ramones ist noch heute populär und existiert in mannigfaltigen Cover-Variationen. Aufgrund des Erfolges war ein Sequel nur Formsache. In Ermangelung an einer Vorlage, führte man die Story recht frei weiter. Dreh- und Angelpunkt blieb der Pet Sematary; allerdings mit neuen Charakteren versehen und nur losen, meist örtlichen Verknüpfungen zum Original. Schließlich stellte der Friedhof der Kuscheltiere keinen Wanderzirkus dar, sondern war lokal gebunden. „Friedhof der Kuscheltiere II“ („Pet Sematary II“, 1992) entwickelte sich zu einem moderaten Erfolg; rechtfertigte aber keine weitere Fortsetzung. Erst 2019, dreißig Jahre nach der Erstverfilmung, entschied man sich zu einer erneuten Adaption. „Friedhof der Kuscheltiere“ („Pet Sematary“, 2019) nahm sich gewisse Freiheiten, wollte die gelungene erste Adaption nicht imitieren, und versah das Finale mit einem neuen Twist. Der Film floppte nicht, blieb aber sicherlich hinter den Erwartungen zurück.

Vier Jahre später schreibt man nun das Jahr 2023. Die Streaming-Portale haben die globale Medienlandschaft transformiert und dürsten nach sogenannten Content. Im Zeitalter der Franchises überrascht es demnach nicht, dass die immer noch zugkräftige Marke „Stephen King“ weiterhin genutzt wird, um neue Inhalte zu produzieren. Im besten Fall natürlich neue Inhalte zu bereits etablierten Stoffen. Und so wiederholt sich die Geschichte: Nach den ersten Adaptionen, oftmals noch für die große Leinwand, folgte die Welle der Sequel-by-Name-only (man denke hierbei an illustre Werke wie „Der Rasenmäher-Mann 2 – Beyond Cyberspace“ oder „Carrie 2 – Die Rache“), die sich jetzt nach den modernen Neuverfilmungen bereits verfilmter Stoffe (siehe „Firestarter“), wiederholt. Ein ewiger, sich selbst erhaltender Kreislauf. Paramount Pictures muss aber zugute gerechnet werden, dass sie sich für eine erneute Rückkehr zum Friedhof der Kuscheltiere tatsächlich auf Kings Originalwerk berufen. Dies wusste schon Stephen King persönlich zu schätzen, der via Twitter (jetzt „X.com“) verlauten ließ, dass „Friedhof der Kuscheltiere: Bloodlines“ („Pet Sematary: Bloodlines“, 2023), so der offizielle Titel des Prequels, sich zwar Freiheiten nehmen, aber im Kern seine Geschichte erzählen würde.

„In the book, this is the story Jud Crandall tells Louis Creed to try and dissuade him from using the Pet Sematary. The screenplay takes a few liberties, […].“
– Stephen King, September 2023

„Friedhof der Kuscheltiere: Bloodlines“ versteht sich als Prequel zu „Friedhof der Kuscheltiere“ (2019) und beruft sich hierbei inhaltlich auf eine Hintergrundgeschichte aus dem Vorgänger. Nachbar Jud Crandell (John Lithgow) warnte den Arzt Louis Creed (Jason Clarke) eindringlich davor, verstorbene Lebewesen, insbesondere Menschen, auf dem Pet Sematary zu begraben. Der Ort sei verflucht; manchmal sei der Tod besser. Creed ignoriert die Warnung; die Handlung nimmt ihren bekannten Verlauf, die letztlich Crandell das Leben kosten wird. Eine direkte und somit lose Fortsetzung wäre demnach nur möglich gewesen, wenn man neue Protagonisten nach Ludlow hätte ziehen lassen, die dann natürlich – so wollen es die Regeln des Genres – die gleichen Fehler gemacht hätten, wie zuvor: Beerdigungen auf dem Pet Sematary.

Remake und Prequel: Zwei neue Friedhöfe für eine neue Generation.
(© 2019/2023 Paramount Pictures. All Rights Reserved.)

Die Entscheidung, einen weiteren Ableger in der Vergangenheit anzusetzen, ist demnach nur konsequent. Auch, weil King selber dafür letztlich die Vorlage lieferte. „Friedhof der Kuscheltiere: Bloodlines“ ist damit ein Novum unter den King-Verfilmungen. Es stellt kein reines Sequel-by-Name-only dar, sondern ein Prequel, das tatsächlich Inhalte von Kings Geschichte neu erzählt. Allerdings sei erwähnt, dass eben genau diese Geschichte im Originalroman als auch in der Neuverfilmung von 2019 nur wenige Sätze umfasst. In der Erstverfilmung wurde diese immerhin atmosphärisch bebildert; so spektakulär, dass die Nebenfigur aus der Vergangenheit, der aus dem Vietnam-Krieg zurückgekehrte Veteran Timmy Baterman (Peter Stader), einen der Horror-Höhepunkte des Films darstellte. Die Neuverfilmung erschien in der Inszenierung der Vorgeschichte etwas zurückhaltender; vielleicht auch, weil ein mögliches Prequel, somit eine Fortführung, bereits angedacht war und man nichts vorwegnehmen wollte. Zum Kinostart erwähnten die Regisseure Kevin Kölsch und Dennis Widmyer bereits ein mögliches Sequel; Produzent Lorenzo di Bonaventura sprach allerdings schon von einem Prequel. Vier Jahre später ist es unter der Regie von Lindsey Anderson Beer Realität geworden.

Der Friedhof ist wieder eröffnet.
(© 2023 Paramount Pictures; Foto: Philippe Bosse. All Rights Reserved.)

Die grundlegende Storyline von „Friedhof der Kuscheltiere: Bloodlines“ kann dem geneigten Horror- als auch King-Fan somit keine nennenswerten Überraschungen bieten. Wir wissen, was passieren wird und wer überleben muss, damit die Geschehnisse weitergetragen werden können. Natürlich wird Protagonist Jud Crandell, gespielt von Jackson White, jeglichen Horror überstehen. Kurios: Darsteller White besitzt übrigens weitaus mehr Ähnlichkeit mit Fred Gwynne aus der 89er-Verfilmung als mit seiner eigentlichen alten Version, gespielt von John Lithgow, aus dem Jahre 2019. Um die Handlung dennoch spannend zu halten, geht man in die erzählerische Breite. Neue Figuren werden eingeführt, dessen Schicksal der Zuschauer natürlich nicht erahnen kann. Neben Crandells Vater (Henry Thomas), darf ebenfalls Blaxploitation-Ikone Pam Grier auftreten, auch wenn ihre Figur leider keine bedeutende Funktion besitzt. Überraschend wenig Spielzeit erhält David Duchovny als Bill Baterman, Vater des untoten Veterans Timmy Baterman (Jack Mulhern). Dessen Schicksal initiiert zwar die Handlung und hält die Geschichte am Laufen, stellt aber nicht den dramaturgischen Mittelpunkt dar. „Friedhof der Kuscheltiere: Bloodlines“ konzentriert sich vollends auf Jud Crandell und dessen direkter Umgebung. Es ist quasi seine Origin-Story. Dies macht vor allem der finale Shot deutlich. Er wird sich seinem Schicksal ergeben und zum „Hüter“ der Geheimnisse des Friedhofes der Kuscheltiere werden müssen. Dies stellt wohl inhaltlich die größte Abänderung zur Vorlage dar.

War Crandell im Original als auch den Adaptionen ursprünglich nur ein alter Kauz, der sein gesamtes Leben in Ludlow verbrachte und die Kleinstadt und ihre Geheimnisse über Generationen hinweg kannte, wird er nur ein familiäres Erbe weiterführen, das weit über die Stadtgründung hinausgeht. Bereits Vater, Großvater als auch Urgroßvater bewahrten die Geheimnisse des Friedhofes und versuchten stets zu verhindern, dass seine Macht, die „saure Erde“, missbraucht wird. Im Original konnte Crandell diese Macht nicht erklären; er wusste nur, dass der Ort schreckliches Unheil bringen wird, so wie er es selber in seiner Jugend erfahren hat. Der Friedhof war ein offenes Geheimnis. Man kannte ihn, sprach nicht darüber. Nun wird eben dieser mysteriöse Ort als Teil der Gründungs-Legende des Ortes Ludlow verklärt. Damit dies Sinn ergibt, wurde die Mythologie um den Pet Sematary massiv erweitert.

Jackson White als Jud Crandell.
(© 2023 Paramount Pictures; Foto: Philippe Bosse. All Rights Reserved.)

Ein Prequel innerhalb des Prequels wird erzählt, welches jetzt auch erstmalig die indigene Bevölkerung aktiv involviert und sie nicht mehr als Erklärungsversuch für übernatürliche Ereignisse zum Zweck märchenhafter Ausschmückungen degradiert. Einer der faszinierendsten Aspekte des Werks. „Friedhof der Kuscheltiere: Bloodlines“ schafft einen spannenden Bogen von den indigenen Legenden der sogenannten Precontact-Ära bis zur historischen Realität des Jahres 1969 zu spannen und erkennt hiermit die Ureinwohner als festen Bestandteil der amerikanischen Gesellschaft, Mythen-Bildung und Kultur an. Dies vollkommen ohne Romantisierung. Sogar der zeitgenössische politische Kampf um Anerkennung – der Film spielt im Jahr 1969 – findet seinen Platz, ganz ohne nachträgliche oder schuld belastete Glorifizierung oder Verklärung. Leider schafft es das Werk nicht, genau diesen Aspekt stärker herauszuarbeiten, allerdings ist es auch nicht dessen Absicht. Letztlich soll „Friedhof der Kuscheltiere: Bloodlines“ einen unterhaltsamen Horrorfilm darstellen, der einen vorgegebenen Verlauf nehmen muss. Gewisse, teils drastische Erweiterungen überraschen demnach; letztlich muss aber alles, was geschieht, nach gewissen vom Hauptwerk gegebenen Vorgaben abgehandelt werden.

Auch die indigene Bevölkerung wird berücksichtigt.
(© 2023 Paramount Pictures; Foto: Philippe Bosse. All Rights Reserved.)

War Crandells Schauermär über das Schicksal von Timmy Baterman ein drastischer Einzelfall, der als Warnung verstanden werden wollte, wird es nun ein Massaker, welches vom bloßen Umfang her eigentlich nicht nur in die Annalen der Stadtgeschichte eingehen, sondern auch landesweite Berichterstattung nach sich ziehen müsste. Entgegen dem Geist der Vorlage kann das, was im Hause Baterman vor sich ging, nicht mehr nur ein dunkles Geheimnis sein, welches man stillschweigend bewahrte, sondern sollte nationale Beachtung finden. Die Figur Timmy wird zu einer Art von meuchelnden Serienkiller weiterentwickelt, der gar tatkräftige Unterstützung erhalten wird. Die Gefahr des Friedhofes wird quasi multipliziert. Für ein Horror-Spin-Off nicht einmal zwingend überraschend. Hierbei frönt das Werk den eher expliziten Schauwerten und Dynamiken des populären Horrorfilms. Blut fließt, nicht literweise, aber genug, um jeglichen Schauer oder Mystik verblassen zu lassen.

Geneigte Zuschauerinnen und Zuschauer sollten sich demnach eher auf einen Thrillride mit blutigen Jumpscares einstellen, als auf einen klassischen Grusel mit horrenden Höhepunkten. Diesbezüglich weiß der Film auch zu unterhalten; nimmt allerdings inszenatorisch eher die Form der erwähnten reißerischen Sequel-by-Name-only-Adaptionen an, die nur noch der Grundidee folgen. Demnach wird „Friedhof der Kuscheltiere: Bloodlines“ bei Erfolg sicherlich nicht das letzte Spin-Off der Reihe darstellen. So kurios wie es sich auch lesen mag: ein Prequel zum Prequel basierend auf Kings Originalroman ist tatsächlich möglich. Die Frage, ob dies inhaltlich sinnvoll ist, stellt sich nicht, wenn es ökonomisch Sinn ergibt.

Als Prequel erzählt „Friedhof der Kuscheltiere: Bloodlines“ selbstredend eine Geschichte, die man schon kennt. Die Welt des Pet Sematarys wird dazu drastisch und im Gegensatz zu den zahlreichen Sequel-by-Name-only-Filmen der Vergangenheit immerhin sinnvoll erweitert. Dafür raubt man der ursprünglichen Geschichte natürlich eine gewisse Mystik; dies geschieht allerdings auf eine durchaus kreative, durchweg unterhaltsame und kompetent inszenierte Weise. Ein vielleicht langweiliges Kompliment, welches aber natürlich im Kontext der Flut der King-Adaptionen im Home-Entertainment-Bereich zu verstehen ist. Nach fast fünfzig Jahren an King-Verfilmungen erleben wir mit „Friedhof der Kuscheltiere: Bloodlines“ eine gewisse qualitative als auch erzählerische Evolution. Wenn dies die Norm unter den Sequel-by-Name-only-Filmen wird, so sind viele kurzweilige Filmabende zur Mitternachtsstunde zumindest gesichert.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!