Stephen Kings Roman „Friedhof der Kuscheltiere“ gehört mittlerweile zu den Klassikern seines Schaffens. Unter Fans unheimlich populär, erhielt das Werk bereits 1989 eine Filmadaption, die sich über die Jahrzehnte zum Kult entwickelte. Im Zuge der modernen Wiederentdeckung von Kings Schaffen für die große Leinwand, kehrte das Regie-Duo Kevin Kölsch und Dennis Widmyer zum Kuscheltier-Friedhof zurück und stand vor der Herkules-Aufgabe die Romanvorlage nicht nur zu respektieren, sondern auch gleichzeitig dem Publikum neue Inhalte zu bieten.
Nach dreißig Jahren schickt sich Paramount Pictures erneut an, eine Verfilmung von Stephen Kings Roman von 1983 vorzunehmen. Die erste Adaption für die Leinwand von 1989, damals von der Musikvideo-Regisseurin Mary Lambert inszeniert, nahm sich einige Freiheiten und konnte sich über die Jahrzehnte einen bemerkenswerten Kultcharakter erarbeiten (was vielleicht auch an dem unsterblichen Titelsong „Pet Sematary“ von den legendären Ramones lag…). Einige Jahre später entstand sogar eine Fortsetzung, für die Mary Lambert als Regisseurin wieder zurückkehrte. Das Sequel hatte mit der Vorlage aber nicht mehr viel gemein. In den 1990er-Jahren war es durchaus üblich von erfolgreichen Stephen-King-Verfilmungen Fortsetzungen zu produzieren. „Manchmal kommen sie wieder“ kam dann doch öfters, als der Titel es vermuten ließ. King wurde zu einer Art von Marke oder einem Markenzeichen, mit dem man prächtig werben konnte. Die Fortsetzung „Friedhof der Kuscheltiere 2“ („Pet Sematary Two“, 1992) stellte keinen nennenswerten Erfolg dar, auch wenn der Film seine Momente besaß. Vor allem die Kameraarbeit von Russel Carpenter, der sechs Jahre später für James Camerons „Titanic“ (1998) den Oscar erhielt, sticht hervor, sowie das Schauspiel von Clancy Brown als untoter Stiefvater.
Eine erneute Verfilmung des Romans ist inhaltlich schwierig, eben weil die erste Verfilmung von 1989 aufgrund des simplen Settings auch heute noch funktioniert und der einfache Storyverlauf weitestgehend bekannt ist. Hinzu kommt, dass die erste Adaption mit einigen wenigen modischen und technologischen Updates sich auch vor keinem aktuellen Horrorfilm verstecken müsste. Dies liegt aber natürlich auch in der Vorlage begründet. Im Grunde stellt „Friedhof der Kuscheltiere“ eine Art von modernem Märchen dar, so populär ist die Geschichte mittlerweile geworden. Es ist die einfache Geschichte mit ihren drastischen, teils grausamen Konsequenzen, die sie so effektiv und beliebt macht. Eine perfekte Lagerfeuer-Erzählung. Es gibt nicht viele Momente in der Erzählung, die man variieren könnte, ohne zu sehr von der Vorlage abzuweichen. Um den Zuschauer zu überraschen, entschieden sich die Autoren der Neuverfilmung dennoch dazu, genau dies zu tun und teils drastische Abänderungen vorzunehmen. Das gesamte letzte Drittel des Films basiert nur auf der Grundidee der Vorlage und bietet somit selbst für den eingefleischten King-Fan einige Überraschungen auf. Aber bereits vorher gibt es teils gravierende Abweichungen, von denen einige leider schon in den Trailern verraten wurden. Irritierend, spielen die Macher doch absichtlich mit bekannten ikonischen Szenen der Erstverfilmung, um diesen dann eine unvorhersehbare Wendung zu verpassen.
Atmosphärisch dicht, prescht die Handlung schnell voran. Vielleicht gar etwas zu schnell. Die bekannten Plot Points werden rasch abgearbeitet, vor allem im Aufbau hat man zeitweise das Gefühl das Szenen fehlen, die der Verfilmung aufgrund des Inhalts eine größere Tiefe hätten geben können. Ein Extended Cut für die Heimkino-Auswertung wäre demnach nicht überraschend, vielleicht sogar wünschenswert. Die Schockeffekte, die wenigen aber einprägsamen Gewaltdarstellungen der Erstverfilmung, werden auf ein Minimum reduziert. Dies tut dem Film unheimlich gut. Da die Charaktere und ihr Leidensweg bekannt sind, versucht man nun diese aus einer etwas anderen Perspektive zu beleuchten. Der psychologische Horror rückt verstärkt in den Vordergrund. Trauerbewältigung und traumatische Erfahrungen erhalten eine besondere Bedeutung. Die Wahl von Jason Clarke als Vater Lewis hätte diesbezüglich nicht besser sein können. Er spielt seine Rolle überzeugend. Der innere Konflikt seines Charakters wird durch sein emotionales Schauspiel offenbart. Lewis weiß, dass er sein Kind nicht auf dem Friedhof der Kuscheltiere beerdigen sollte, tut es aber dennoch. Die Emotionalität siegt über die Rationalität. Auch deswegen interessant, weil Lewis ein Mann der Wissenschaft und nicht des Glaubens ist, selbst wenn dieser Aspekt vielleicht etwas zu kurz kommt.
Zudem erhält der Kuscheltier-Friedhof eine ganz neue mythologische Bedeutung, die eher dem Geist der Vorlage entspricht (selbst Wendigo wird referenziert). Die zurückgekehrten Toten sind keine einfachen Untoten mehr. Sie müssen sich mit ihrem aufgezwungenen Schicksal abfinden, welches im Detail grausig ist (es folgen leichte Spoiler). Es gibt für sie keinen Platz mehr im Himmel. Die Wiedererweckung, diese begangene Sünde, die ihnen aus falscher Liebe auferlegt wurde, bedeutet für sie, dass sie auf ewig in der Hölle schmoren müssen, wenn sie denn dann endgültig tot sind. Der finale Twist ist demnach nur konsequent, auch wenn er nicht vollends ausgenutzt wird. In der Erstverfilmung konnte dies nur schemenhaft dargestellt werden, auch weil mit dem wiedererweckten Gabe der Fokus der Darstellung der Untoten auf einem Kleinkind lag, welches kommunikativ eingeschränkt gewesen ist. Dies ändert sich in der Neuverfilmung, sodass der Zuschauer eine vage Vorstellung vom Leben nach dem Tod in der Welt der „Kuscheltiere“ erhält. Wie erwähnt, dem Geiste der Romanvorlage entsprechend, indem zumindest suggeriert wird, dass eine intelligente böse Macht die Untoten verkörpert.
Möchte man den Film jenseits seiner straffen Lauflänge kritisieren, so wird man dies sicherlich bei den dargestellten Genre-Konventionen tun. Ja, die Nebelmaschinen laufen auf Hochtouren, die Türen knatschen besonders laut, die düsteren Visionen blitzen prophetisch über die Leinwand und ein stetiges Brummen erfüllt die Lautsprecher. Inszenatorisch ringt der Film dem Horrorgenre nicht viel Neues ab, dies tut er aber auf einem handwerklich hohen Niveau. Es stellt eine Rückkehr zum US-amerikanischen Ostküsten-Horror der 1980er-Jahre dar, wie ihn eben King seit Jahrzehnten zelebriert. Die Filmemacher sind diesbezüglich ehrlich und umarmen ihr Setting vollends. Eine inszenatorische Abkehr von diesen Konventionen wäre aufgrund der Vorlage wohl auch nicht angebracht gewesen.
Die Neuverfilmung von „Friedhof der Kuscheltiere“ kann durch atmosphärische und starke schauspielerische Momente beeindrucken und überzeugt durch teils mutige inhaltliche Entscheidungen, die dem Geiste der Vorlage entsprechen, aber der bekannten Geschichte neue erzählerische Aspekte abringen. Lediglich fehlt es vor allem beim Aufbau der Geschichte an Zeit, um der Welt, ihren Charakteren sowie der Mythologie befriedigend gerecht zu werden.
‐ Markus Haage
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