Nach 32 Jahren kehren die Geisterjäger ganz frei von Zynismus und voller Entdeckergeist zurück! Jason Reitman, Sohn des Ghostbusters-Schöpfers, inszeniert ein wundervolles und würdevolles Werk, dass zum großen Finale gar zu Tränen rührt.
Offizielle Synopsis: Regisseur Jason Reitman und Produzent Ivan Reitman bringen mit „Ghostbusters: Legacy“ das nächste Kapitel des Original-Ghostbusters-Universums auf die große Leinwand. Als eine alleinerziehende Mutter mit ihren beiden Kindern in einer Kleinstadt ankommt entdeckt sie ihre Verbindung zu den Original-Geisterjägern und das geheimnisvolle Erbe ihres Großvaters.
Nur wenige Filme können für sich beanspruchen, Teil der Filmgeschichte und Popkultur zugleich geworden zu sein. Ivan Reitmans Fantasy-Komödie „Ghostbusters – Die Geisterjäger“ („Ghostbusters“, 1984) gehört sicherlich dazu. Ein Kultklassiker des Phantastischen Kinos, der die Jahrzehnte – mittlerweile 38 Jahre! – unbeschadet überstanden hat und noch heutzutage relevant ist. Erst 2020 brachte Kenner eine Neuauflage der Spielzeugfiguren aus den 1980er-Jahren heraus, während professionelle Cosplay-Gruppen Teil einer jeden aktuellen Convention sind und das markante Logo generationenübergreifend erkennbar ist. Die Marke Ghostbusters ist immer noch dermaßen erfolgreich, dass Sony Pictures sogar eine eigene Firma namens Ghost Corps, Inc. gegründet hat, um die Franchise global zu verwalten. Doch genau diese extreme, über Jahrzehnte anhaltende Popularität macht es so besonders schwer, neue Geschichten aus dem Ghostbusters-Universum zu erzählen. Alle bisherigen Projekte standen immer im Schatten des übergroßen Originals. Selbst die Macher des ersten Films scheiterten in gewisser Hinsicht. Mit „Ghostbusters II“ (1989) versuchten sie die Filmreihe in die 1990er-Jahre zu retten. Auch wenn man heute wohlwollend auf das erste Sequel zurückblickt, welches sich teilweise wie eine Art Remake anfühlte, war die Qualität des Films für Hauptdarsteller Bill Murray einer der Gründe für lange Zeit nicht mehr zur Franchise zurückkehren zu wollen und somit einen dritten Teil de facto zu blockieren.
„You know, you just gotta have a really good script. It’s hard. Even the second ‚Ghostbusters‘ wasn’t as much fun for me as the first one. It’s hard to make a sequel. It’s gotta be really funny, and that first one was just so darn funny.“
– Bill Murray über einen möglichen „Ghostbusters III“ im Jahre 2012
Die Ghostbusters fanden fortan außerhalb des Kinosaals statt. Mehrere Zeichentrickserien konnten vor allem die jungen Zuschauer begeistern – mit „Extreme Ghostbusters“ (1997) nahm man sich bereits Ende der 1990er-Jahre einer inhaltlichen Fortsetzung an –, aber ein neuer Kinofilm schien unmöglich sein. Dan Aykroyd versuchte stets einen dritten Teil umzusetzen und ließ sich hierbei nie beirren. Er ist der Motor des Franchise, der manchmal stotterte, aber nie aufhörte zu laufen. Bereits 1999 poppten im damals noch jungen Internet die ersten News zu einem weiteren Sequel auf. In Aykroyds „Ghostbusters III: Hellbent“ sollten die Geisterjäger in eine infernalische Spiegeldimension reisen und in einer Art Anti-Manhattan nicht nur gegen Geister, sondern auch gegen ihre dämonischen Spiegelbilder kämpfen. Die Idee war groß, genauso wie das Budget. Das Projekt verzögerte sich immer wieder und die Stars der 1980er-Jahre alterten und verschwanden reihenweise aus dem Rampenlicht, auch wenn sie natürlich als Kult-Schauspieler stets präsent waren. Mit dem Tod von Harold Ramis im Jahre 2014 schien eine weitere direkte Fortsetzung unmöglich zu sein, obwohl selbst Bill Murray mittlerweile mit seiner Rolle des Dr. Peter Venkmans wieder öffentlich kokettierte.
Sony Pictures, die 1989 Columbia Pictures aufkauften und somit Rechteinhaber der gesamten Franchise wurden, wollten nicht mehr länger abwarten. Der Tod von Ramis wurde als Anlass genommen, eine komplette Neuverfilmung in Auftrag zu geben. Eine zynische Herangehensweise, die vielen Fans sauer aufstieß. Das fertige Werk ging 2016 wohl als eine der größten Kontroversen Hollywoods in die jüngere Filmgeschichte ein. Das Remake mit einem wahnsinnigen Budget von 144 Millionen US-Dollar (nicht inflationsbereinigt) floppte, künstlerisch als auch kommerziell. Dieser kostspielige Misserfolg ließ ein erneutes Remake unmöglich erscheinen, zeigte aber auch jenseits sämtlicher Kontroversen auf, dass der Erfolg des Originalfilms kaum zu imitieren oder neu zu interpretieren ist. Egal, wie viel Budget und Talent dafür zur Verfügung steht. „Ghostbusters – Die Geisterjäger“ war schlichtweg ein Kind seiner Zeit, welches zu einem bestimmten Zeitpunkt unter bestimmten Bedingungen entstand, die man einfach nicht wiederholen, kopieren oder erzwingen konnte. 1984 kamen die richtigen Leute zur richtigen Zeit am richtigen Ort zusammen. Selbst die vielen Limitierungen halfen dabei, den Film zum Kult zu machen. Zahlreiche inszenatorischen Entscheidungen unterlagen einem finanziellen Zwang, der letztlich nicht nur dazu führte kreativere Lösungen zu finden, sondern dem Film einen unnachahmbaren, besonderen Look zu verpassen. Der alte Cadillac, der zum ikonischen Einsatzfahrzeug Ecto-1 umgebaut wird, war lediglich ein produktionstechnischer Kompromiss. Zahlreiche Effekte konnten aufgrund von Budgetbeschränkungen nicht vollendet werden und gaben dem Werk in einigen Szenen einen eigentlich unfreiwilligen, aber perfekten B-Movie-Look, der vollends im Kontrast zum realistischen Setting stand. Jeglicher übernatürlicher Aspekt im Film ist einer harten Realität unterworfen. Hyperphantastik traf auf Hyperrealismus. Neben dem Spuk war der größte Feind der Ghostbusters auch die Bürokratie, die sich vor allem im Stadtbeamten Walter Peck (William Atherton) manifestierte. Elmer Bernsteins grandioser Score stand wiederum zeitgenössischen Pop gegenüber. Ein Film voller Kontraste, der eigentlich schon auf dem Blatt Papier gar nicht funktionieren dürfte. Dies machte den Charme des Originals aus, den es nun, 38 Jahre später, neu zu entdecken gilt.
Nach dem Flop von 2016 arbeitete Jason Reitman insgeheim an einer offiziellen Fortsetzung der ursprünglichen Filmserie; somit einem dritten Teil. Schaut man sich seine Vita an, so fällt auf, dass er den Regieposten überhaupt nicht nötig gehabt hätte. Bereits viermal wurde er für den Oscar® nominiert. Aus dem Schatten seines übermächtigen Vaters Ivan Reitman, Schöpfer des Originalfilms und Regisseur zahlreicher 80er-Kultkomödien, ist er schon lange herausgetreten. „Ghostbusters – Die Geisterjäger“ beschäftigte ihn nach eigener Aussage dennoch stets. Bereits als Kind war er am Set des Originalfilms zugegen, im zweiten Teil durfte er sogar eine kleine Nebenrolle übernehmen. Dennoch empfand er das Werk eher als Fluch und nicht als Segen. Denn der Erfolg des Films bedeutete für ihn auch stets, dass er auf seinen eigenen Vater als Kind verzichten musste. Die Arbeit am dritten Teil sah er damit nach eigener Aussage auch als eine Art Aufarbeitung seiner eigenen Kindheit und Beziehung zu seinem Vater an.
„I always felt this was the dragon that was waiting for me, and that the longer I didn’t make it, the more I was simply ignoring what was at the gate. I always felt the proton pack would be too heavy, but it turns out once you put it on it feels kind of light.“
– Jason Reitman im Interview mit Insider.com, Oktober 2021
Vielleicht ist dies der Grund, warum „Ghostbusters: Legacy“ („Ghostbusters: Afterlife“, 2021) letztlich so unglaublich gut funktioniert. Neben all dem großen Spektakel und dem märchenhaften Charme, besitzt der Film einen menschlichen Kern, der sich echt anfühlt. Eine gewisse Aufrichtigkeit und Glaubwürdigkeit, die zahlreichen modernen Big-Budget-Produktionen heutzutage zu fehlen scheint. Zu keinem Zeitpunkt wirkt „Ghostbusters: Legacy“ wie ein durchkalkuliertes Studioprodukt, sondern wie eine natürliche Fortführung der Geschichte aus einer neuen, aber vertraut wirkenden Perspektive.
Schauplatz der Handlung ist Smalltown, America. Irgendwo in Oklahoma, wo die Zeit etwas still steht. Nicht aus nostalgischen, sondern ökonomischen Gründen. Die Aufbruchstimmung der Clinton-Ära ist längst verflogen. Das letzte Jahrzehnt hat am amerikanischen Selbstbewusstsein genagt. Die Innenstädte sind ausgestorben, die Industriehallen verfallen. Die letzten verbleibenden sozialen Treffpunkte sind spärlich gesät. Der Alltag unterliegt einer ewigen Redundanz. Reitman fängt das dröge, teils hoffnungslose Leben irgendwo im Nirgendwo perfekt ein, gewinnt diesem sogar eine gewisse Schönheit ab. An diesem Ort ist man überall stets in der Vergangenheit gefangen. Alles erinnert an früher, aber wenig an eine Zukunft. Dies wird auch durch die Hauptdarsteller, die Familie Spengler, verdeutlicht, die – wie so viele US-amerikanische Familien in der Realität – ihr Heim verlieren und aufs vermeintlich rückständige Land ziehen müssen. Alles hier erinnert an das Untergegangene oder auch Verlorengegangene. Eben die Vergangenheit, die man eigentlich hinter sich lassen wollte, aber der man nicht entfliehen kann. Diese gilt es erst durch die Augen einer neuen Generation neu zu entdecken, für die die alten Ghostbuster höchstens noch eine Legende sind, wenn sie denn überhaupt je von ihnen gehört haben. In ihrer Wiederentdeckung der Vergangenheit, eng verknüpft mit dem Entdeckergeist aufgeweckter Kinder, wird die alte Mythologie des Originalfilms neu etabliert.
Zahlreiche Kritiker monieren leider, dass der Film hierbei vollends auf Nostalgie setzt. Natürlich enthält das Werk unzählige Referenzen und einen gewissen Fan-Service, allerdings wird Mythologie hierbei oftmals mit Nostalgie verwechselt. Gozer, Ivo Shandor, die Tempelanlage, die Höllenhunde, Bernsteins Score, das originale Ghostbusters-Theme, Ecto-1, – all dies sind Dinge, die im ersten Film etabliert wurden und zur Ghostbusters-Welt gehören. Diese Wiederentdeckung zu kritisieren, wäre so, als ob man die „Krieg der Sterne“-Fanfare oder die Sturmtruppler aus einem „Star Wars“-Episodenfilm verbannen möchte oder als plumpe Nostalgie abtun würde. „Ghostbusters: Legacy“ bezieht sich in erster Linie auf den Originalfilm (auch wenn das erste Sequel von 1989 nicht ignoriert wird), weil es die Mythologie respektieren und neu etablieren, sich dieser und ihrer Vergangenheit aber eben auch stellen möchte. Ignoranz gegenüber der Vergangenheit würde dem Konzept, der Grundidee des Films, inhaltlich gar vollkommen widersprechen. Sicherlich hätte man sich an neuen Antagonisten orientieren können, allerdings hätte dies inhaltlich wenig Sinn ergeben (man scheiterte in gewisser Hinsicht bereits mit „Ghostbusters II“ daran). Nicht ohne Grund sprechen Winston (Ernie Hudson) und Ray (Dan Aykroyd) im ersten Film über die aufziehende Apokalypse, die von zahlreichen Kulturen und Religionen unterschiedlich interpretiert wurde („Und ich sah, das Lamm öffnete das sechste Siegel …“).
Was wir bisher sahen, war lediglich ein Vorgeschmack darauf, was kommen wird, nämlich die Ankunft des „Reisenden“. Dessen Rückkehr geschieht in „Ghostbusters: Legacy“ nicht aus nostalgischen, sondern eben aus mythologischen Gründen. Gozer ist nicht nur einfach irgendein Geist, sondern – ähnlich dem Imperator in der „Star Wars“-Saga – das große Böse, dessen Schatten sich über allem legt, und quasi der Endgegner, den man in „Ghostbusters – Die Geisterjäger“ lediglich die Tür vor der Nase zuschlagen, aber eben nicht besiegen konnte. Natürlich spielt dieses Wesen wieder eine Rolle erst dritten und sicherlich nicht letzten Werk (der eigentliche zweite Teil ist kanonisch ein in sich abgeschlossenes Abenteuer). Gozer ist der Untergang, das Ende aller Tage, die Apokalypse. Nach Gozer kann nichts mehr kommen. Gozer will nicht wiedergeboren werden, um zu herrschen (so wie Vigo), sondern nur vernichten. Demnach werden wir Gozer, bei Erfolg des Films, sicherlich auch wiedersehen.
Doch von der Wiederentdeckung der klassischen Mythologie kann „Gostbusters: Legacy“ alleine natürlich nicht leben. Auch wenn die alten Helden zurückkehren und ihre Zeiten ausgiebig zitiert werden, vergisst der Film eben nicht eine neue Generation erfolgreich zu etablieren. Dass es sich hierbei um Jugendliche und Kinder handelt, ergibt durchaus Sinn. Der erste Teil ist 38 Jahre alt und stammt aus einer vollkommen anderen Zeit. Durch die kindlichen Augen, dem jugendlichen Entdeckergeist, wird diese alte Welt schlicht neu und aufregend aufgespürt, ihre Puzzleteile neu zusammengesetzt, aber eben nicht verklärt. Altes bleibt alt und wird durch ein gewisses kindliches Desinteresse spielerisch ad acta gelegt, auch wenn der Vertreter der Erwachsenen, Lehrer Grooberson (Paul Rudd), dies irritiert zur Kenntnis nehmen muss. Dieser Spagat gelingt nur, weil Reitman es schaffte nicht nur durchweg sympathische Schauspieler zu casten, die ihren Rollen und der Funktion dieser vollends gerecht werden, sondern das eigentliche Spektakel auch der Geschichte unterordnet. Die kleinen Charakter-Momente sind ihm wichtiger als die große und grelle CGI-Schlacht in 3D, die man inhaltlich leicht hätte inszenieren können. Dadurch entsteht ein glaubwürdiges Drama und nachvollziehbare Handlungen, die die Konflikte des Films nicht nur fassbar und spannend, sondern eben auch bedeutend und emotional herausfordernd gestalten.
Reitman bedient sich hierbei sicherlich auch zahlreicher anderer Vorbilder der 1980er-Jahre. Selbst Richard Donners „Flug ins Abenteuer“ („Radio Flyer“, 1992) erfährt eine kleine Hommage. Dadurch entfernt sich „Ghostbusters: Legacy“ inszenatorisch natürlich vom Original, das von seinen erwachsenen, rauchenden, fluchenden und Zoten-reißenden Raufbolden angeführt wurde. Regisseur Reitman erkennt damit aber eben auch automatisch an, dass es neben dem Originalfilm doch noch andere Generationen gibt, die die Franchise über anderen Medien in unterschiedlichen Jahrzehnten entdeckten und reduziert die gesamte Reihe eben nicht nur auf den Originalfilm. Dies wird sicherlich auch durch das Auftreten von Figuren deutlich, die aus der ersten Welle der Toyline stammen, ansonsten aber keine Verbindung zu den Filmen oder den Zeichentrickserien besitzen. „Ghostbusters: Legacy“ unterscheidet sich somit tonal vom ersten Film, aber auch nur, weil er die Franchise eben als Ganzes umarmt. Damit gelingt Regisseur Reitman die Quadratur des Kreises. Die schier unmögliche Aufgabe, alle unterschiedlichen Interpretationen des Franchises zu respektieren und in einem Werk zu etwas Neuem zu vereinen.
Fairerweise muss man sich dennoch eingestehen, dass der Film besonders im ersten Drittel der Geschichte etwas viel Ballast mit sich schleppt und es deswegen manchmal irritiert, dass Nebenfiguren wie Ivo Shandor (J. K. Simmons), dessen Design übrigens auf dem Videospiel von 2009 basiert, überhaupt ein Platz eingeräumt wurde. Es müssen eben viele Charaktere neu eingeführt und somit zahlreiche Handlungsstränge bedient werden. Hierbei verliert sich das Werk im Aufbau etwas. Dies hat in einigen Momenten zur Folge, dass gewisse Figuren sich nicht genug entfalten können oder inhaltliche Chancen, um die Welt weiter auszubauen, etwas ungenutzt auf der Strecke bleiben. Dennoch fügt sich dieses zum (hochemotionalen) Finale inhaltlich alles wieder zusammen. Und dies auf eine Art und Weise, wie man sie von einem modernen Franchise-Blockbuster kaum noch gewohnt ist. Was in „Ghostbusters: Legacy“ dargeboten wird, ist mehr als nur reine Unterhaltung. Es ist eine Reise in die Vergangenheit als auch Zukunft. Ein Abschied, als auch ein Willkommensgruß zugleich. Schlichtweg bittersüß.
Mit „Ghostbusters: Legacy“ erschuf Jason Reitman ein wundervolles und würdevolles Werk für alle Generationen von Geisterjägern, welches so ganz frei vom verbitterten Zynismus unserer Zeit, aber auch der Massenproduktions-Ästhetik moderner Blockbuster ist. Was als Nostalgie oder Fan-Service als Kritikpunkt verklärt wird, ist lediglich die Wiederentdeckung der Mythologie des Originals, der man nun durch staunende Kindesaugen als Erwachsener beiwohnen darf.
‐ Markus Haage
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