Ein Mörder schleicht durchs Unterholz und das Publikum schaut ihm dabei zu. Mit „In a Violent Nature“ will Regisseur Chris Nash das Subgenre des Slasherfilms nicht neu erfinden, aber es zumindest aus einer ungewohnten Perspektive neu präsentieren.
Es hätte vielleicht keinen besseren Ort für die Deutschlandpremiere geben können: Als „In a Violent Nature“ (2024) auf dem 11. Hard:line Filmfestival seine hiesige Erstaufführung feierte, mussten Klappstühle im Kinosaal hinzugestellt werden, um die Nachfrage bedienen zu können. Das Publikum, harte Horror-Kost gewohnt, ließ sich sogar zu Szenen-Applaus hinreißen. Aber „In a Violent Nature“ ist ein ruhiger Film; würde er nicht zum Horror-Genre zählen, so hätte sich das Feuilleton vielleicht dazu hingerissen, dem Werk gar meditative Züge anzudichten. „In a Violent Nature“ sieht sich in gewisser Hinsicht als ein Experiment; unterwirft sich teils vollends der Perspektive des Killers. Langsam schleicht dieser durchs Unterholz, um seinen Opfern aufzulauern. Beobachtet sie, hört ihnen zu, studiert ihre Manierismen, um sie dann nach und nach abzuschlachten. Regisseur Chris Nash kennt seine Zielgruppe und weiß, was diese letztlich erwartet. Geschieht dies, hält sich der Film nicht mehr zurück und liefert ein Schlachtfest ab, das sich selbst vor den Funsplatter-Höhepunkten der späten 1980er-Jahre nicht mehr zu verstecken braucht. Das Publikum des Hard:line Filmfestivals wusste dies wohl zu schätzen. Unter tosendem Applaus wurde das erste große brutale Highlight zelebriert. Natürlich ein Kill, der als durchaus kreativ zu bezeichnen ist.
Aber vielleicht waren es nicht nur die expliziten Gewaltdarstellungen an sich, die den Jubel ausgelöst haben; vielleicht wurden diese gar als eine kleine Erleichterung wahrgenommen. „In a Violent Nature“ nimmt sich Zeit, bis er die eigentliche und unausweichliche Handlung vorantreibt. Nash, der sich auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnete, will das Subgenre des Slasherfilms nicht neu erfinden, sondern „lediglich“ aus einer neuen Perspektive betrachten. Dies gelingt größtenteils auch, wenn man sich bewusst ist, dass der lange, monotone Marsch des Killers durch den Forst stets ein Ende in einem gewalttätigen Höhepunkt finden werden. Aber vielleicht mag man dies auch als einen humoristischen Seitenhieb verstehen.
Leicht hätte man mit einem Nebenplot gewisse Länge füllen und die Routine brechen oder gar die Laufzeit kürzen können. Regisseur Nash tat dies nicht; natürlich bewusst. Die ewige Frage, was denn ein übernatürlicher Meuchelmörder eigentlich den ganzen Tag so treibt, wenn sich mal keine Teenager auf einem Camping-Ausflug befinden, wird radikal konsequent beantwortet: Er trampelt durch das Unterholz und starrt in die Luft. Dies allerdings mit einer stumpfsinnigen Konsequenz, dass der Zuschauer (wohl unbewusst) bei der Betrachtung dessen stampfenden Takt folgt. Der namenlose Mörder ist die unaufhaltsame Dampflok, die sich behäbig durch die harmonische Natur Richtung Beute wälzt. Dieses Setting wird lediglich durch die zu erwartenden Gewaltausbrüche unterbrochen. Man könnte hierbei nur monieren, dass der Moneyshot des Films, der bei der Deutschland-Premiere den erwähnten Szenen-Applaus erhielt, vielleicht zu früh kommt und gewisse Erwartungen an die restlichen Kills unnötig steigert; in der reinen Rohheit bleibt Regisseur Nash allerdings stets unnachgiebig. Es erstaunt, dass er Szenen inszeniert, bei denen man sich im ersten Moment tatsächlich noch fragt, wie er diesen Trick ohne Schnitt hinbekommen hat.
Erst zum Ende hin versucht man sich an einem größeren Perspektivwechsel; möchte die Motivation des Antagonisten erklären und somit auch eine inszenatorische Abwechselung bieten. Dies gelingt allerdings nur bedingt, da bereits durch die bloße Erklärung seiner Motivation eine De-Mythologisierung einsetzt. Der Zuschauer erfährt mehr, als er erfahren sollte. Dafür werden gar neue Spannungsmomente kreiert, die letztlich allerdings keinen echten Pay-off mehr besitzen.
„In a Violent Nature“ ist mehr als nur ein interessantes Experiment. Trotz gewisser Längen, die aber natürlich zum Konzept des Films gehören, kennt der Arthouse-Slasher, wie er von der Presse betitelt wurde, seine Stärken und weiß diese geschickt getaktet einzusetzen. Lediglich das Finale möchte zu viel, will neue dramaturgische Ebenen einbauen, die sich im Kontext der Inszenierung nicht nur falsch anfühlen, sondern die man sich vielleicht auch für ein Sequel hätte aufheben sollen. Dieses scheint beim vorliegenden Erfolg des Films aber zumindest gegeben zu sein.
‐ Markus Haage