„Hier in dieser Schule stecken drei nicht-menschliche Lehrer-Monster!“
Cybot-Gang-Bang USA, 1999.
Würden sie diesen Mann vertrauen? Würden sie ihm die Zukunft der Jugend übergeben? Ihm in die heiligen Hallen des Bildungssystem Einzug geleiten und ihn über das Leben tausender – WENN NICHT SOGAR MILLIONEN – von Schülern entscheiden lassen? Nein? Nun, die washingtoner Schulbehörde schon, denn in Seattle brennt der Pausenhof…
Dr. Bob Forrest: „Ich weiß, es ist ihnen nicht leicht gefallen Mega-Tech bei der Lösung ihrer Probleme um Hilfe zu bitten. Sie sind ausgebildete Pädagogen, wir sind Automations- und Roboter-Spezialisten. Auf dem ersten Blick scheint da kein Zusammenhang zu bestehen. Aber die ungewöhnliche Situation an unseren High Schools verlangt ungewöhnliche Maßnahmen.“
Dr. Bob Forrest ist sein Name und er hat die Lösung aller disziplinarischer Probleme parat: Cybots, baby. Denn im Jahre 1999 ist die Kriminalität an den US-Schulen explodiert. Ein Diagramm kann dies nicht einmal mehr einfangen – nur noch futuristische Pixel-Animationen können dies tun.
„Im Jahre 1992 werden 543767 gewaltätige Zwischenfälle an amerikanischen High Schools registriert. In einigen Städten werden die Gebiete rings um die Schulen von radikalen Jugendbanden terrorisiert. Bis zum Jahre 97 hat sich die Zahl der Zwischenfälle verdreifacht. Große Teile der Städte werden von Banden kontrolliert. Viele Schulen müssen geschlossen werden. Wir schreiben das Jahr 1999: die von diesen Banden kontrollierten Gebiete werden Frei-Feuer-Zonen genannt. Die Kennedy-High-School liegt im Zentrum einer solchen Frei-Feuer-Zone. Die Polizei ist machtlos – es gibt keine Gesetze.“
Und die sagen ganz klar: Apokalypse. Der Staat hat seine Schulen längst aufgegeben, denn dort herrscht rohe Gewalt. Rohe, nackte, brutale Gewalt! Die Schulen werden von Gangs regiert, umgegeben sind sie von sogenannten Frei-Feuer-Zonen, in denen kein Polizist sich mehr hintraut. Anarchie, also. Da allerdings die ältere Generation doch der Überzeugung ist, das Bildung eine feine Sache wäre, greift sie auf das ultimative Mittel zurück. Das frisch gegründete Erziehungsschutz-Ministerium wendet sich an Mega-Tech, einer dubiosen High-Tech-Firma, die Cyborgs herstellt. Und diese Cyborgs sollen nun den Schulalltag regeln – unter dem Motto: keine Toleranz. Natürlich sind dies keine handelsüblichen Roboter – sondern eine hochentwickelte künstliche Intelligenz mit der Rechenpower von „1 Millionen Megabytes“. Wow. Nur knapp unter meiner 5 Jahre alten Festplatte.
Und das diese Cyborg-Lehrer, von Dr. Bob Forrest auch schlicht „Super-Lehrer“ genannt, dringend nötig sind, das führt uns der Film recht schnell vor Augen. Was vorher neutral als Pixel-Animation eröffnet wurde, zeigt nun seine ganze Brutalität in wenigen Bildern. Ja, hier herrscht Anarchie.
Frisch aus dem Knast stolpert der junge Cody, ehemaliger Gangleader der Black Hearts, in dieses Chaos. Mit seiner alten Vergangenheit will er nichts mehr zu tun haben – insbesondere da er sich in die Tochter des Schulrektors verguckt hat – doch schon bald muss er seine alten Gang aktivieren, denn die Cyborgs laufen Amok. Jeder Schulschwänzer wird nicht mehr einfach diszipliniert – sondern gar mit dem Tode bestraft. Darunter auch Codys Bruder Sunny. Cody weiß, dass er alleine keine Chance gegen die Cyborgs hat…und so vereint er ALLE Gangs miteinander und zieht gegen die kybernetischen Kampfmaschinen in den Krieg…
Cody: „Hier in dieser Schule stecken drei nicht-menschliche Lehrer-Monster!“
Doch jetzt kommt der Haken an der Sache: Unsere Cyborg-Lehrer sind gerade für den Krieg spezialisiert. Was Dr. Bob Forrest der Schulbehörde verschwieg, ist, dass die Robotniks ursprünglich für das Militär geplant, konstruiert und ausgerichtet wurden – und ihr Total-Fucking-Destroy-Everything-Programm scheint sich gerade wieder zu reaktivieren. Mit dazu: ihre eingebauten Flammenwerfer, Raketenwerfer und Maschinengewehre. Mayhem ist angesagt.
Und mit Mayhem meine ich MAYHEM!
Mark L. Lester, der Mann, der uns bereits den gottgefälligen „Phantom Kommando“ vom Himmel sandte, schickt sich hier nun an, seinem durchaus erfolgreichen Action-Drama „Die Klasse von 84“ ein SciFi-Sequel zu verpassen. Auch wenn es viele nicht wissen – manche es vielleicht ahnen, aber nicht glauben wollen – dies ist tatsächlich die offizielle Fortsetzung zum High-School-Actioner mit Michael J. Fox. Und was für eine. Das beide Filme Welten trennen, muss, so meine ich, nicht mehr gesagt werden. Stellte der erste Teil ein teils überzogendenen aber dennoch realistischen Revenge-Reißer dar, so driftet die Fortsetzung in vollkommen absurde Gefilde ab. Aber absurd gut. Lester greift hier in die Vollen und präsentiert demzufolge dem Genre-Fan das volle Programm – und das beste daran: mit zeitlich immer größer werdenden Abstand wird der Streifen noch bombiger. Mittlerweile dürfte er sich bei geschäzten 57 Megatonnen befinden. Eine echte filmische Zar-Bombe. Ein Photo-Beweis? Bitte sehr – 24 Bilder pro Sekunde wird hier der modische Wahnsinn der späten 80er zelebriert…
Wem dies zur reinen Unterhaltung als Schmunzelfaktor noch nicht reicht, der darf sich an wilden Special Effects ergötzen, die nicht nur aus Animatronics und Prothetics bestehen – sondern zur Freude des Geek-Herzens auch aus der guten alten Stoptrick-Kunst. All hail Stop-Motion!
Aber selbst jenseits aller optischen Spielereien und jeglichen Wahnsinns, bietet der Streifen weitaus mehr. Wenn man einen Blick hinter die grellen Mode-Grausamkeiten und den wilden Latex-Massaker wirft, findet man eine kleine überzeugende SciFi-Perle, die sich selbst wohl nie sonderlich ernst nahm. Dazu trägt unweigerlich der Cast bei unter dem sich immerhin Genregrößen wie Malcolm McDowell, Stacy Keach, Patrick Kilpatrick und Pam Grier befinden. Die hohe Kunst des Schauspiels wird von ihnen nicht abverlangt und das muss es auch gar nicht. Es ist ein B-Reißer der gehobenen Klasse – und dessen sind sich alle Beteiligten auch bewußt. Wenn Stacey Keach den fast schon dämonisch wirkenden Konzernchef spielt, dann muss er in jedem zweiten Satz eben ein teuflisches Grinsen auflegen, während Pam Grier selbst als sichtlich desolater Cyborg beim Endkampf nie aus ihrer überzogen-konservativen Rolle als Oberlehrer herauskommt. Generell erfüllt jede Rolle einen bestimmten Typus – es gibt keine grenzüberschreitenden oder vielschichtigen Charaktere. Jede Rolle hat ihren Zweck und bedient die dazugehörigen Klischees – in einem Film in dem Cyborgs den Lehrplan vorgeben auch die richtige Entscheidung.
„Die Klasse von 1999“ stellt wohl einfach nur den Höhepunkt der High-School-Action-Reißer dar, die in den 80ern äußerst populär waren. Jede Schule ein Hort des Verbrechens, jeder Schüler ein undisziplinierter Vandale – John Belushi musste in „Der Prinzipal“ dadurch, Perry King im Vorgänger „Die Klasse von 84“. Die Liste der zerlegten Film-Schulen ist lang. Im Grunde hat Mark L. Lester mit diesem Streifen einen Schlußstrich gezogen. Gerade weil er das Genre ad absurdum führt: denn es ist nicht der gepeinigte Lehrer oder Schüler, der an einer Gang Rache nimmt, sondern es sind die Gangs – eigentlich die Urheber des Chaos – die sich die Schule wieder zurückerobern und die letzte Verteidigungslinie des Staates durchbrechen. Feuer wird mit Feuer bekämpft – worauf das Feuer mit Feuer zurückschlägt. Was für eine Ironie (und warum sich am Ende jeder freut, bleibt im Grunde ein Rätsel – denn niemand hat seine Lebensumstände verbessert, ganz im Gegenteil: der Hort all ihren Übels und all ihrer Probleme wurde sogar gefestigt – die Gangs haben triumphiert) – was übrig bleibt ist somit nur noch verbrannte Erde. In der Welt des Films und dem Kopf des Zuschauers.
Fatality:
„Die Klasse von 1999“ ist ein herrlich sinnfreier B-Actioner mit einem Schuß SciFi, einer handvoll Splatter, brachialen Effekten und nach Gnade kreischender Kostüme, der wohl in keiner Sammlung fehlen darf oder zumindest sollte. Dafür vergebe ich gandenlose 5 Schädel.
‐ Markus Haage
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