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Künstlerische Freiheit und eigene Meinung: Im Twitter-Zeitalter ein Widerspruch?

verfasst am 30.Juli 2018 von Markus Haage

Nachdem James Gunn als Regisseur, Produzent und Drehbuchautor von „Guardians of the Galaxy Vol. 3“ höchtstpersönlich von Disney-Chairman Alan Horn öffentlich gefeuert wurde, löschen immer mehr Künstler und Kreative ihre Profile in sozialen Netzwerken.

Hintergrund: James Gunn hatte vor allem via Twitter über mehrere Jahre (dokumentiert 2008-2012) Witze über Vergewaltigung und Kindesmissbrauch gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits Mitte 40 (Gunn ist Jahrgang 1966). Noch 2012 scherzte er darüber, dass die homosexuelle Catwoman einfach nur einmal von einem Mann richtig durchgenommen werden müsste, um eben nicht mehr lesbisch zu sein. Für all diese Gags entschuldigte sich Gunn über die Jahre mehrmals öffentlich. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass auch keinerlei andere Vorwürfe gegen Gunn existieren. Es geht nur um die Gags. Nachdem Gunn sich aber in den letzten Wochen mehrmals kritisch über die Politik von US-Präsident Donald J. Trump öffentlich geäußert hatte, kam er in das Visier von rechtskonservativen Bloggern, die seine alten Tweets und Kommentare ausgruben und gegen ihn verwendeten. Gunn wurde relativ schnell gefeuert. Manch einer sagt zu schnell.

Mittlerweile haben zahlreiche weitere Künstler ihre Accounts gelöscht. Rian Johnson, Regisseur von „Star Wars – Die letzten Jedi“ und „Looper“, hat sein gesamtes Twitter-Profil gesäubert und damit mehr als 20.000 Tweets gelöscht. Johnson stellte mittlerweile klar, dass es keinerlei Anweisung von oben gab. Er wollte aber auch nicht, dass irgendwas, was er eben irgendwann einmal getweetet hatte, Jahre später gegen ihn verwendet werden könnte.

(© Rian Johnson)

Auch Chris McKay, Regisseur von „The Lego Batman Movie“, der für Warner Bros. und DC einen Nightwing-Film inszenieren soll, hat nun sein komplettes Twitter-Profil gelöscht. McKay war dafür bekannt, viel via Twitter zu kommunizieren. Eine öffentliche Stellungnahme gibt es nicht, nur dass sein gesamtes Profil eben verschwunden ist.

Aus Solidarität zu James Gunn hat die Schauspielerin Selma Blair ihr Twitter-Profil ebenfalls gelöscht. Schauspieler Michael Rooker hat seines offiziell geschlossen. Roseanne Barr wurde wiederum von ABC gefeuert, nachdem sie einen rassistischen Tweet gemacht hat (für den sie sich aber zumindest emotional glaubwürdig, wenn auch sehr ungelenkig umgehend entschuldigte).

Die Frage, die sich hier aber stellt, ist, wie politisch, kontrovers oder unbequem Künstler überhaupt noch sein dürfen? Denn egal wie man Gunns alte Gags findet, Auslöser waren seine öffentlichen Kommentare über Trumps Politik. Dies betrifft übrigens alle politischen Richtungen. Würde ein John Milius („Conan der Barbar“) heutzutage noch einen politisch unkorrekten „Red Dawn“ (1984) drehen dürfen? Selbst beim Remake sah man, dass dieses in der Nachproduktion vollkommen unglaubwürdig abgeändert werden musste. Rian Johnsons persönlicher Purge spricht eigentlich Bände, gerade weil es wohl keinerlei anstößiges Material gab. Aber das Internet vergisst nichts, die Vergangenheit holt einem immer ein. Inhalte (und sei es nur ein Wutausbruch) können (werden) aus dem Kontext gerissen und wie eine Waffe gegen eine Person gerichtet. Die neue Zero-Tolerance-Politik von Hollywood kann dazu führen, dass wir nur noch glatt gebügelte Filme im Big-Budget-Bereich erhalten werden, denen es am Ende an Ecken und Kanten komplett fehlt, da die wilden, kontroversen Filmemacher kein gewolltes Image erfüllen. Zumal die Kinolandschaft derzeit auch von recht glatten Event-Filmen dominiert wird. Vor 30, 40 Jahren sah dies noch vollkommen anders aus, als Filme wie „Kramer vs Kramer“, „Der Exorzist“, „French Connection“, „Southern Comfort“, „Der Pate“ oder „Apocalypse Now“ die Leinwand bestimmten. Deren Filmemacher waren alles andere als Chorknaben oder Nonnen.

Und es betrifft natürlich nicht nur berühmte Künstler. Sollte einer unserer Leserinnen oder Leser demnächst ein Vorstellungsgespräch haben … geht eure Accounts in sozialen Netzwerken lieber noch einmal durch. 😉 Ein Freund von mir spielte jahrelang in einer Death-Metal-Band die Lead Gitarre. Mittlerweile ist er erwachsen, arbeitet für einen Verkehrssicherheits-Unternehmen in Hannover. Die Fotos seiner Metal-Vergangenheit und Jugend sind firmenintern nicht sehr hilfreich. Er hat vor zwei Monaten alle seine Accounts gelöscht und darum gebeten, dass auch alle Bilder von ihm, die andere gepostet haben, gelöscht werden.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!