„We didn’t cross the border. The border crossed us.“
America fucked with the wrong Mexican. Machete ist ein sehr rauher, aber grundehrlicher mexikanischer Polizist. Er stellt sich den hispanischen Drogenkartellen entgegen, mit allen Mitteln – vor allem: seinen Mitteln. Ein Mann, der dem Verbrechen die Stirn bietet, ist im Volk beliebt – und so kennt jedes Kind den gesetzestreuen Machete, der für Ordnung und Gerechtigkeit sorgt. Doch genau dies ist dem Drogenboss (und perfiderweise seinem alten Kollegen) Torrez ein Dorn im Auge. Umbringen kann er ihn nicht, sonst würde er einen Märtyrer erschaffen. Also stellt er Machete eine Falle und hängt ihm einen Mord an. Machete weiß, dass er in Mexiko keine Zukunft mehr hat und flüchtet – wie soviele von seinen Landsleute – über die amerikanische Grenze nach Texas. Doch in den USA ist er kein angesehener Ehrenbürger mehr, sondern nur noch einer von vielen Millionen illegaler Einwanderern, die sich als einfache Tagelöhner verdingen müssen. In seiner schieren Verzweifelung, nimmt Machete einen sehr zwielichtigen Auftrag an: der amerikanische Geschäftsmann Michael Booth will ihm 150.000 Dollar geben, wenn er für ihn einen Auftragsmord ausführt. Machete will ablehnen, doch braucht er das Geld zum Überleben. Da es sich bei dem Opfer um den rassistischen Senator McLaughlin handelt, der die illegalen Einwanderer als Parasiten bezeichnet, die man vernichten müsste, schiebt er auch seine moralischen Einwände bei Seite. Doch bei der Ausführung des Attentats geht etwas schief: zwar kann Machete einen Schuss auf den Senator abfeuern, wurde jedoch von einer Kugel, die auf ihn selber abgefeuert wurde, abgelenkt. Das Attentat war von Anfang an als Falle geplant. Machete sollte dem Politiker nicht umbringen, sondern ihm als versuchtes Attentats-Opfer Wählerstimmen einbringen. Machete war somit nur eine Puppe – dessen Leben man wissentlich auf Spiel setzte. Doch ein zweites Mal lässt Machete nicht mit sich spielen. Machete will Gerechtigkeit walten lassen – und hierbei vereint er die geknechteten, hispanischen Seelen Amerikas!
Als Quentin Tarantino und Robert Rodriguez für ihr Grindhouse-Projekt nicht nur jeweils zwei alternative Filme drehten, sondern auch mehrere Fake-Trailer zu populären Exploitation-Genres produzierten, konnten sie wohl kaum ahnen, dass sich gerade die Trailer einer immensen Beliebtheit erfreuten. Einer davon war der Trailer zum fiktiven Revenge-Actioner „Machete“. In 120 Sekunden handelt er im Grunde all das ab, was man über den jetzt entstandenen Film wissen muss. Taffer Mexikaner wird von korrupten Amerikanern hereingelegt. Taffer Mexikaner rächt sich an korrupten Amerikanern. Der Film handelt eine sehr einfach gestrickte Geschichte ab – und natürlich will er auch nicht mehr bieten. Als legitimer Nachfolger der Grindhouse-Filme, bedient „Machete“ natürlich ein bestimmtes Genre, dem Blaxploitation-Film – hier bloß als Mexploitation getarnt – für das er seine Geschichte ganz in der Tradition dieser Filme absichtlich mit Klischees und Stereotypen, teils grotesken und immer übertriebenden Darstelungen vollstopft. Wer bei „Machete“ einen ernsthaften Actionfilm erwartet, wird zweifelsohne enttäuscht werden. Und ja, dies muss man von vornherein wissen, denn nur so kann man den Film meines Erachtens auch wirklich erfassen und sich davon unterhalten lassen. Übertriebene Actionfilme mit einer großen Portion Selbstironie gab es schon immer, natürlich auch im Mainstream-Kino. „Machete“ jedoch geht hier noch einen Schritt weiter und erklärt das Übertriebende zur Norm, vor allem in dem er gekonnt auf das exploitative Kino der 70er zurückgreift und dieses zusätzlich überspitzt darstellt. Was im Blaxploitation-Kino nicht immer beabsichtigt war, aber aufgrund von extremen Geld- und Zeitmangel zu einem Stilmittel erklärt (vielleicht im Nachhinein auch verklärt) wurde, nimmt Rodriguez hier als Grundgerüst. Da schwingt sich Danny Trejo mit den Gedärmen eines Gegenspielers von Fenster zu Fenster und Lindsey Lohan darf als Nonne verkleidet mexikanischen Aufständischen gezielt die Pistolen aus den Händen schießen. Diese Überspitzungen finden natürlich auch auf der inhaltlichen Ebene statt – der Film zieht klare Grenzen, es gibt nur Schwarz und Weiß, Gut und Böse. Und dies stellt eine der größten Schwächen des Films dar: er überschreitet hier die Grenzen des Genres und will mehr sein. Nämlich politisch.
Derzeit überstrahlt eine teils sehr aggressiv geführte Einwanderungsdebatte die amerikanische Medienlandschaft. Millionen von Mexikanern zieht es in das Land, viele von ihnen illegal. Sie fliehen in erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen, aber auch aus politischen. Mexiko ist de facto ein Failed State, in dem die Drogenkartelle ganze Landstriche beherrschen. Die US-amerikanisch-mexikanische Grenze ist quasi nicht mehr zu überwachen. Selbst über die drastischsten Maßnahmen, den Bau eines elektrischen Zaunes oder Sicherung der Grenze durch US-Militär, wird mittlerweile laut nachgedacht. Dieses Thema lässt sich natürlich im Rahmen eines Film-Reviews nur sehr schwer angemessen behandeln. Wer gerne mehr Hintergründe erfahren möchte, dem empfehle ich den englischen Wikipedia-Artikel dazu. Aber es liegt leider in der Natur dieses Films, dass er eben diese realen Hintergründe nicht einfach nur überspitzt aufgreift oder satirisch darstellt, sondern auch eine politische Message abliefert. „Machete“ dämonisiert zwar auf humoristische Weise, gibt sich hierbei aber zu vielen negativen Klischees hin. Etwas mehr Distanz zum eigentlichen Thema, bei dem es keine rein gute und böse Seite gibt, wäre wünschenswert gewesen. Letztlich ging der politische Ausdruck des Films gar so weit, dass im ersten offiziellen Trailer Hauptdarsteller Danny Trejo dem Bundesstaat Arizona eine spezielle „Cinco de Mayo“-Botschaft sendete – seine Machete. Der Bundesstaat Arizona, der als Grenzstaat zu Mexiko direkt von den Einwanderungswellen betroffen ist, verabschiedete dieses Jahr ein zurecht sehr umstrittenes Gesetz, welches den Sicherheitsbehörden de facto erlaubt, selbst bei Vermutung die Aufenthaltspapiere eines Bürgers zu verlangen. Sprich: Siehst du aus wie ein Mexikaner, wirst du kontrolliert. Quasi „racial profiling“, legitimiert durch den Staat. Die Aufregung ist verständlich, doch eingebettet in Rodriguez’ Film einfach nur unpassend. Der Zusatz der „Cinco de Mayo“-Botschaft ist dazu auch noch unnötig provozierend. Denn bei „Cinco de Mayo“ handelt es sich nicht um ein hispanisches Fest, sondern um den mexikanischen Unabhängigkeitstag. Ich glaube, ich brauche auf die hier absichtlich geschürten Ängste nicht weiter eingehen. All dies belastet den Film unnötig, obwohl er dies eigentlich überhaupt nicht nötig hat.
„Machete“ wurde sehr selbstsicher, selbstironisch und selbstgerecht inszeniert. Das es in der Natur des Films aufgrund seines Genres liegt, anzuecken und die konventionellen Grenzen des guten Geschmacks zu durchbrechen, stelle ich nicht in Frage. Dies kann er auch gekonnt. Nur stellt er sich durch seine unnötig aufgesetzte Selbstgerechtigkeit öfters unnötig ein Bein. Wie sehr man es diesem Film anecken möchte, liegt wohl letztlich einfach in der eigenen politischen Überzeugung. Die einen werden es mögen, die anderen werden es hassen. Zumindest polarisiert er durch seine politischen Ansichten und teilt jetzt schon die Kritiker und Filmfans. Zumindest auf eines kann man sich sicherlich einigen: Er ist verdammt kreativ und unterhaltsam inszeniert.
‐ Markus Haage
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