Ein Wohnorts-Wechsel wird für Familie Waller zum nasskalten Horrortrip, denn der extravagante Swimming Pool im Garten ist verflucht. Willkommen in der neuesten Geisterbahnfahrt von Suburbia!
„Night Swim“ darf durchaus als ein interessantes Produkt bezeichnet werden. Nicht, weil der Film durch inszenatorische oder erzählerische Clous auf sich aufmerksam macht, sondern weil das gesamte Werk von der ersten bis zur letzten Minute als ein perfektes Konstrukt zu bezeichnen ist. Ein Lehrstück für herangehende Filmemacher, wie trotz ökonomischer Limitierungen ein ansehnliches Handelsgut erschaffen werden kann. Fast präzise getaktet und in Szene gesetzt, sich vollends dem eigenen Aufhänger unterwerfend, dafür aber eben auch vollkommen unauffällig. „Night Swim“ erzählt nur das, was die Handlung erzählen muss, um das Minimum an Storyline abarbeiten zu können. Jede Location dient einem bestimmten Zweck; genauso wie jede einzelne Szene. Es existieren keine Längen im klassischen Sinn, aber dadurch auch keinerlei erzählerische Tiefe. „Night Swim“ ist dadurch vollkommen berechenbar – genre-affine Zuschauer werden keine Überraschungen erleben –, allerdings eben auch kurzweilig. Der Inbegriff einer kleinen Horror-Mär, wie sie früher als „Gespenster-Geschichte“ in gleichnamigen Comicheften oder als Episode in Anthologie-Serien präsentiert wurde. Dies macht „Night Swim“ zu einem recht gewöhnlichen Werk, das weder aufgrund von inszenatorischen noch dramaturgischen Eigenheiten aus der Masse heraussticht, aber zumindest als eine Art von Lehrstück angesehen werden kann. Es ist ein Film nach Bauplan.
Als Motivator der gesamten Handlung dient ein Swimming Pool; der Heilige Gral von Suburbia und das Signum für sozialen Aufstieg innerhalb der Mittelklasse. Diesem Handlungsort muss sich alles unterwerfen. Aus einer ökonomischen Perspektive betrachtet, wird es somit interessant, wenn man das Werk in seine Einzelteile zerlegt. Es existiert im Grunde nur dieser einzige Handlungsort: das Einfamilienhaus mitsamt Swimming Pool im Großraum Los Angeles; Mekka der modernen Filmwirtschaft. Die Ressourcen, um einen solchen Film auf einem hochwertigen Standard produzieren zu können, wohnen quasi um die Ecke. Dies wussten schon Filmemacher wie John Carpenter für Werke wie „Die Fürsten der Dunkelheit“ („Prince of Darkness“, 1987) oder auch „Sie leben“ („They live“, 1988) gekonnt zu nutzen. Somit fokussiert sich auch die gesamte Produktion von „Night Swim“ auf den verfluchten Swimming Pool. Es werden nur Figuren eingeführt, die in bestimmten Momenten die Story voranbringen. Die Handlungsorte und Charaktere besitzen nur noch reine Funktionen.
Alle Fragen, die sich stellen könnten, werden in einem großen Nebensatz vom (wohlgemerkt namenlosen) Poolreiniger (Ben Sinclair) wegerklärt. Diese Person taucht im Rest der Handlung übrigens nie wieder auf; dient nur dem Zweck dem übernatürlichen Geschehen eine gewisse Erklärungsgrundlage zu geben. Interessant auch hier, ist die Darstellung dieser Reinigungsfachkraft. Etwas ungepflegt, vorsichtig (fast schon ehrfürchtig) agierend. Die gebrochene Stimme des Pool-Propheten von Suburbia impliziert bereits eine unheilvolle Zukunft. Der Poolreiniger ahnt, dass dies kein normaler Pool sein kann … *schlotter* Dank der Ansiedlung im Horror-Genre, kann man alles mittels phantastischer Elemente begründen. Inhaltliche Ungereimtheiten werden durch den paranormalen Aufhänger abgesegnet – es ist halt so, wie es ist, weil … Geister –, echte historische und soziokulturelle Verknüpfungen nur eingebaut, um mehr erzählerische Tiefe vortäuschen zu können.
Und so funktioniert „Night Swim“ erzählerisch auch auf zwei klar erkennbaren Ebenen. Dem eigentlichen Horror muss natürlich eine dramaturgisch nachvollziehbare Unterfütterung gegeben werden. Ansonsten hätte man zwar eine Story – ein verfluchter Pool terrorisiert eine All-American Family! –, aber eben keine Handlung. Die Protagonisten müssen nicht nur in einer Beziehung zueinander stehen, sondern auch eine persönliche Reise erleben. Somit darf die magische Kraft des Pools dem Familienvater Ray Waller (Wyatt Russell), einem ehemaligen Hochleistungssportler, dabei helfen, seine Krankheit, Multiple Sklerose, zu besiegen. Ein Mirakel für die lokale Medizin; eine Abhängigkeit für den Vater. Er wird besessen vom Pool. Nur seine Frau Eve (Kerry Condon) nimmt die Veränderungen wahr; forscht nach, kontaktiert gegen Ende des Mittelteils der Handlung die Vorbesitzer und wird sich natürlich erst für das Grand Finale über den gesamten Grusel bewusst: Der Pool fordert für seine heilenden Kräfte ein menschliches Opfer ein … Auch hier: *schlotter*
„Night Swim“ hätte man sämtliche Horror-Elemente entziehen können; das Ergebnis wäre dann eben ein seichtes Familien-Drama à la Hallmark geworden. Auch schön. Das Horror-Element ist nur ein (ersetzbarer) Motivator für die Handlung, der das Werk von der Masse abheben soll. Simpel, aber somit nachvollziehbar und vielleicht gar auf moderne Urängste des Publikums anspielend. Die Angst vor dem Ertrinken, das Absaufen nur zwei Meter vom Beckenrand entfernt, die unendlich wirkende Dunkelheit des Poolbodens, … aber theoretisch hätten vom Konzept her somit auch die Sanitäranlagen verflucht sein können. Aufgrund des erzwungenen „Twists“, dass der Pool an eine vergessene Quelle aus präkolumbianischer Mythologie angeschlossen ist, um den ganzen Spuk zu erklären, hätte es sogar durchaus mehr Sinn ergeben, wenn die Klospülung verflucht gewesen wäre. Zumindest bautechnisch. Warum sollte ein Pool an das Grundwasser angeschlossen sein? Ach, ja. Der Poolboy hatte diesen Umstand ja kurz wegerklärt …
Ob gewollt oder nicht, besitzt der Film aufgrund seiner einfachen Prämisse eine gewisse Ähnlichkeit zum berühmt-berüchtigten Amityville-Franchise. Die ursprüngliche Spukhaus-Reihe begann 1979 mit „Amityville Horror“ („The Amityville Horror“); in den darauffolgenden vierzig Jahren sollten neun offizielle Fortsetzungen folgen. Da das Haus am Ende des dritten Teils, „Amityville III“ („Amityville 3-D“, 1983), der zudem auch noch der letzte Kinofilm war, implodiert (richtig gelesen), besann man sich auf die Gegenstände des Hauses zurück, die den „Geist von Amityville“ weitertrugen. In „Amityville – Face of Terror“ („Amityville 1992: It’s About Time“, 1992) läutete eine verfluchte Standuhr die Geisterstunde ein; in „Amityville – A New Generation“ („Amityville: A New Generation“, 1993) wiederum ein Wandspiegel und im (mehr oder weniger) großen Finale, „Amityville – Das Böse stirbt nie“ („Amityville Dollhouse“, 1996), ein Puppenhaus. Dies findet hier Erwähnung, weil „Night Swim“ konzeptuell ähnlich funktioniert und Erinnerungen weckt. Der Hort des Grauens ist eigentlich irrelevant; „Night Swim“ hätte auch als „Amityville Pool“ funktionieren können.
Regisseur Bryce McGuire will die Geschichte weder überfrachten noch unter Wert verkaufen. „Night Swim“ stellt damit eine absolut geradlinig erzählte Horror-Mär dar, die nach Bauplan funktioniert. Dafür muss sich der Film auch nicht verstecken und befindet sich somit wohl auch im gesunden Mittel der veröffentlichten Gruselfilme, ist aber in erster Linie für genre-erprobte Horror-Fans gedacht, die dem Werk für ein Mitternachts-Flimmern auf dem Bildschirm sicherlich eine Chance geben werden.
‐ Markus Haage
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