„Idioten! Dummköpfe! Woher sollen wir wissen, ob sie uns etwas antun wollten?“
- „Zur Hölle, Doc! Sie haben uns angesehen, als wären wir eine Art Supermarkt!“
Höhlenforschung ist in B-Movies immer so eine Sache. Entweder man stößt auf vor Jahrzehnten verschüttete Bergarbeiter, die nun zu kannibalistischen Monstren degeneriert sind – oder aber auf mutierte Echsen, die irgendwann einmal eine Runde an ’nem Bottich Giftmüll geschnüffelt haben. Natürlich kann man noch auf zahlreiche andere Gefahren stoßen, die nur darauf warten, einem den Schädel mit ’nem Felsbrocken einzuhämmern – grundsätzlich gilt aber: wenn’s dunkel wird, haste verloren. Irgendwo in den Tiefen eines alten Bergwerks/Höhle/Tunnelsystems hockt immer ein sabberndes Etwas. Nach unzähligen Jahren regelmäßigen Trashfilm-Konsums ist selbst ein tapferer Recke wie ich, der nun wirklich schon gegen den kompletten Wahnsinn der Menschheitsgeschichte gekämpft hat – gegen alles gewappnet, seien es kybernetische Kampfmaschinen, aggressive Außerirdische oder transylvanische Grafen. Bringt it on, und ich bring es um. Oder eher hinter mich. Was allerdings Schlock-Legende Fred Olen Ray hier ans Tageslicht fördert, versetzt selbst mich in einen komatösen Schockzustand. Sobald die Playtaste meines gammeligen Videorekorders gedrückt ist, verfalle ich in ein sabberndes Delirium. Erst als die Kassette wieder ausgespuckt wird, erwache ich – knöcheltief in Speichel. Und dabei wusste Herr Olen Ray was er auf seine Zuschauer niederprasseln ließ. Gab er sich doch sogar die Mühe einen Disclaimer für den Film zu erstellen, der freundlicherweise – dank Synchronisations-Verweigerung – dezent mit deutschen Untertiteln versehen wurde.
Ich wünschte, ich hätte diese eindringliche Warnung ernst genommen. Dann wäre ich nicht tief in die wahnsinnigen Schluchten von…
…gestürzt. Schädel-Hirn-Trauma inklusive.
Uschi und Jürgen (*Namen von der Redaktion geändert), All-American-Pärchen, verbringen ihren freien Tag bei einem Picknick an der frischen Luft. Alles könnte so schön sein – wenn da nicht plötzlich ein Gummimonster Jürgen den Kopp wegfotzen würde. Uschi, erledigt es zwar mit einem gekonnten Schlag ihrer Tiefkühlbox auf dessen Hinterkopf, doch Jürgen kriegt sie nicht mehr zusammengeflickt.
Dieser Vorfall bleibt natürlich nicht lange geheim. Klar, wenn Monstren netten Familienvätern beim Picknick die Birne absäbeln, dann ist das der Lokalzeitung schon einmal eine Schlagzeile wert – und diese lockt natürlich die zwielichtigsten Persönlichkeiten zum Ort des Geschehens – nur nicht die lokalen Sicherheitsbehörden. In Fred Olen Rays Filmwelt ist dies im Grunde genommen ja auch vollkommen normal.
Hier lockt diese Schlagzeile Denea Chambers an – Millionärs-Tochter und wild auf dicke Klunker. Wie sich herausstellte, hatte die Gummi-Fratze Edelsteine dabei – da sie der festen Überzeugung ist, dass das Monster aus einer nahegelegenen Höhle gekrochen kam, MUSS es dort ebenfalls Edelsteine geben. Und zwar in rauen Mengen. Also alarmiert sie den versifften Privatschnüffler Cort – klingt logisch. Dieser soll ihr mit seiner Partnerin helfen in die Höhlen hinabzusteigen. Da Deana nicht nur auf die Juwelen scharf ist, sondern auch auf die wissenschaftliche Sensation, nimmt sie auch noch gleich ein komplettes Expeditionschorps mit. Denn die Monster sollen ursprünglich aus R’lyeh stammen – einem mystischen Ort der B-Movie-Vergangenheit.
Cort kann selbstredend nicht widerstehen – genaugenommen liegt das am Joch des Kapitalismus. Denn sein Schnüffler-Laden scheint nicht besonders gut zu laufen, und so muss er dem Geruch der magischen Dollars folgen. Nachdem der Trupp zusammengetrommelt wurde – übrigens inklusive Dr. Herbert West (hier allerdings nur Assistenz-Archäologe) – geht es ab in die Tiefen der Graumsamkeit. Wie grausam, erkennt der erfahrene Filmfan bereits am entsteigendem Nebel. Ein Signum des bevorstehenden Horrors! Kann auch sein, dass nur das professionell ausgebaggerte Loch überdeckt werden sollte.
Nach einem Gewaltmarsch von fünf Minuten, legt der Trupp erst einmal eine wohlverdiente Pause ein. Um die Seriösität des Projekts zu untermauern, greifen die Frauen zur Flasche und trällern zur Einstimmung Sauflieder. Wer in einem B-Film dermaßen lautstark auf sich aufmerksam macht – und das auch noch in einer dunklen Höhle – der kann gleich ein leuchtendes Schild mit den blinkenden Worten „Opfer sind hier!“ über seine Rübe hängen.
Und so dauert es auch nicht allzu lange, bis ein ganzer Verein von klobigen Kannibalen auftaucht. Man gut, dass die Herren der Schöpfung ganz nach ur-amerikanischer Art Waffen dabei haben. So können sie die menschenfressenden Halunken in die Flucht schlagen. Und nebenbei ein Mädel in knappen Höschen retten. Kein moderner Mensch, der sich irgendwann einmal in die Höhlen verirrte, sondern eine Steinzeit-Braut mit Dauerwelle. Im Grunde war es auch nur eine Frage der Zeit bis Fred Olen Ray uns eine knapp bekleidete Dame präsentierte.
Und da bereits 30 Minuten vergangen sind und die bisherigen Höhepunkte zwar zu unterhalten wussten, aber nicht über die Norm hinausgingen, überrascht es uns im Grunde auch nicht, dass der gute Fred nun in gewohnter Manier alles aus den Rohren feuert, was sich in greifbarer Nähe befindet. Meine Damen und Herren, der Abstieg in das Inferno der B-Movie-Grausamkeiten hat begonnen.
Während unser Expeditionstrupp immer weiter in die Tiefen der Höhle vor – und dann sogar bis ins mystische Lande R’lyeh durchdringt – werden die Tore zur Irrenanstalt alleingelassener B-Movie-Monstren weit geöffnet. Unsere Kannibalen haben sich in ihrer Höhle eine recht anschauliche Küche eingerichtet, um wohl selbst den größten Menschen an einem Spieß durchzubraten…
Vielleicht diente der Grill ursprünglich auch größeren Viechern, denn Dinosaurier kreuzen unseren Weg. Zwar aus einem anderen Film hereingeschnitten, aber, hey, sowas erkennen wir mittlerweile aufgrund seiner Häufigkeit trotzdem als filmische Realität des vorliegenden Werkes an. Hier stammen die Szenen aus „Planet der Dinosaurier“, wurden in einem spätern Olen-Ray-Vehikel namens „Wizards of the Demon Sword“ übrigens auch wiederverwendet…
Und zu aller Überraschung darf auch noch ein leicht modifizierter Robbie vorbeischauen. Sci-Fi-Fans aus „Alarm im Weltall“ wohl bestens bekannt. Im Grunde bereits eine Sci-Fi-Legende.
Jetzt fragt man sich natürlich: Steinzeit-Menschen? Kannibalen-Monster? Splatter-Effekte? Roboter? Juwelen? Mystische Ländereien? Expeditions-Trupps? Wie in Gottes Namen passt das alles zusammen? Gar nicht. Und das ist ja das Schöne. Aber als ob das alles noch nicht genug wäre, setzt Fred Olen Ray noch einen oben drauf: Sybille Danning darf vorbeischauen. Nicht als Herrscherin der Dinosaurier oder Anführerin der Kannibalen – so dass es irgendwie halbwegs in die Storyline passen würde – nein, als Oberhaupt einer Galaxie dessen Name selbst dem Drehbuchautor entfallen ist.
Frage ist: was will sie hier? Nun, ihr Raumschiff ist auf der Erde notgelandet und eigentlich sollte der gute Robby Juwelen abbauen, die sie als Treibstoff verwenden kann. Doch da unser Expeditionstrupp den guten Robbie zerschrottet hat, müssen sie nun als Ausgleich als Sklaven unter Tage schuften. Nur Dr. Herbert West nicht – der soll zwecks Fortpflanzung mit auf ihren Planeten kommen…
Na, wenn das nicht nach einem heißen Finale klingt…?
Normalerweise ist es nicht gerade als ein Gütesiegel anzusehen, wenn ein Film in der Hochzeit der Videotheken-Epoche nicht von irgendeinem Label auf den deutschen Markt geschleudert wurde. Und das bei allen Schund niemand gerade „The Phantom Empire“ den Teutonen auf den Mittagstisch zum Fraß knallte, eigentlich unerklärlich. Erst 2004 hat sich Cineastic Nightmares erbarmt und auf DVD eine recht übersichtliche Auflage gepresst. Mit deutschen Untertiteln und einer doch recht schwammigen Qualität. Sehen wir sie als Hommage an das VHS-Zeitalter an, denn nur in diesem visuellen Kontext kann man das Werk vollends genießen. Fred Olen Ray greift sehr tief in die Mottenkiste des Wahnsinns und kramt wirklich alles heraus, was er findet. Ob es inhaltlich passt oder nicht, vollkommen wurscht. Somit haben wir es hier mit einem absoluten Schlockfest direkt aus der Hölle zu tun, das es überhaupt gar nicht verdient so sehr in Vergessenheit zu geraten. Wenn unsere Augen nicht von Latex-Fratzen und Kunstnebel penetriert werden, kloppt uns der Synthie-Soundtrack die Ohren dicht. Die Schauspieler tun ihren Rest – aber hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Im Gegensatz zu vielen anderen Regisseuren zelebriert Fred Olen Ray seine B-Movies. Er weiß was er dreht und versucht damit auch erst gar nicht den Gipfel des künstlerischen Schaffens zu erklimmen. Er dreht ein B-Fest voller ausgedienter Klischees und ausrangierter Monstren. Und dies inszeniert er fast immer selbstironisch. Die Schauspieler dürfen und sollen überzogen agieren, die Monster wimmeln nicht alle im Dunkeln herum, sondern humpeln direkt auf die Kameralinse zu – und wenn selbst so ein Film das Gefühl hat, das er in eine vollkommen abstruse Richtung driftet, die sich jeglicher Logik entzieht, dann macht er dies auch deutlich sichtbar und wischt es mit einem Augenzwinkern weg.
Fred Olen Ray verheimlicht nichts und setzt immer zum großen B-litzkrieg an. Man darf ruhig wissen und sehen, wie seine Filme entstanden sind – beim Betrachten. Praktisch. Spart man gleich die Kohle für ein Making-Of. Das ist an sich schon eine gewisse (wahre) Kunst. Es gibt schlechte Trashfilme, unfreiwillige Trashfilme und gute Trashfilme. Der Grad zwischen unfreiwilligen, schlechten und guten Trash ist sehr dünn, insbesondere wenn man diesen wissentlich selbstironisch inszeniert und eben zelebriert – neben Jim Wynorski beherrscht dieses eigentlich nur Fred Olen Ray und mit „The Phantom Empire“ hat er gewissermaßen ein kleines Trash-Meisterstück abgeliefert. Es ist guter Trash, verdammt guter – der eben absichtlich trashig inszeniert wurde. Und – oh, Wunder! – es ging nicht nach hinten los. Ganz im Gegenteil. Es ging fast forward in die Fresse.
Fatality:
This film is very unglaublich.
‐ Markus Haage
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