Ein finsteres Imperium unterjocht die Galaxie; ein Dorf wagt den Widerstand und entzündet damit eine interstellare Rebellion. Zack Snyders „Rebel Moon – Teil 1: Kind des Feuers“ will eine neue Sci-Fi-Mär etablieren, doch trotz allen gewollten Bombasts, kann der Film in der vorliegenden Fassung das Potenzial leider nicht voll ausschöpfen.
Offizielle Synopsis: Als eine friedliche Dorfgemeinschaft auf einem fernen Mond von den Armeen der Mutterwelt bedroht wird, erweist sich eine mysteriöse Fremde als ihre einzige Überlebenschance.
Es sollte wohl der große Netflix-Eventfilm zum Jahresende werden, glaubt man allerdings der Kritik, so stellt das Werk „einen der schlechtesten Filme aller Zeiten“ dar: Zack Snyders „Rebel Moon – Teil 1: Kind des Feuers“ („Rebel Moon – Part One: A Child of Fire“, 2023). Als Anbeginn einer Saga geplant, die selbstredend zu einem multimedialen Franchise ausgebaut werden kann, scheute Netflix keine Kosten und Mühen, um den Film zum Weihnachtsfest zu präsentieren. Auf der CCXP, quasi der brasilianischen Comic Con, feierte das Werk Anfang Dezember 2023 seine Weltpremiere. Die Reaktionen der Fans waren positiv, dennoch konnte kein echter Hype entstehen. Die allgemeine Kritik wenige Tage vor der globalen Premiere sollte die schlimmsten Befürchtungen vermeintlich bestätigen: „Rebel Moon – Teil 1: Kind des Feuers“ sei ein Desaster. Ob Feuilleton-Kritiker oder Social-Media-Talking-Heads, sie alle zerrissen das neueste Werk von Zack Snyder.
Im Zeitalter der recht peinlichen „Outrage Culture“ muss man nicht jedes Wort einer Kritik auf die Goldwaage legen – es ist im ökonomischen Eigeninteresse vieler Reviewer mit harten Headlines Aufmerksamkeit zu generieren; frei nach dem Motto: je hysterischer der Verriss, desto höher die Klick-Zahlen –, dennoch war der Grundtenor eindeutig. Zeitweise besaß der Film auf der populären Review-Plattform „Rotten Tomatoes®“ nur eine Kritiker-Wertung von 23 %. Lediglich das Urteil der Zuschauerinnen und Zuschauer fiel gnädiger aus (66 %, Stand: 25.12.2023). Netflix ahnte vielleicht vorab, dass „Rebel Moon – Teil 1: Kind des Feuers“ sich nicht zum erwünschten Crowd-Pleaser entwickeln wird; die Ankündigung eines unzensierten Director’s Cut, der zudem rund eine Stunde länger dauern soll, wurde wenige Tage vor Release in der Presse lanciert. In gewisser Hinsicht eine Tradition im Hause Snyder. Zahlreiche seiner Werke erhielten nachträglich einen Extended- oder Director’s Cut und funktionierten in diesen Versionen weitaus besser.
Zack Snyder hatte es bei der Kritik nie leicht. Fast alle seine Werke fielen durch. Tiefpunkt stellte sicherlich die Rezeption seines sogenannten SnyderVerse dar. Dem DC-Film-Universum, welches durch Filme wie „Man of Steel“ (2013) und „Batman V Superman: Dawn of Justice“ (2016) eingeleitet wurde. Snyder erschuf ein „majestätisches Comic-Monstrum, das seiner Zeit voraus war“; stand allerdings (zumindest temporär) im Schatten des damals noch übermächtig wirkenden Marvel Cinematic Universe und interne Studio-Konflikte erschwerten die Produktion der Filme zudem (siehe: „Zack Snyders ‚Justice League‘: Die wilde Geschichte des Snyder-Cuts“). Für einen visionären Filmemacher wie Zack Snyder letztlich der Grund die Welt der Comic-Verfilmungen, die er bravourös mit Werken wie „300″ (2007) oder „Watchmen – Die Wächter“ („Watchmen“, 2010) bediente, endgültig zu verlassen. Es zog ihn zum Streaming-Anbieter Netflix; mit Filmen wie „Army of the Dead“ (2021) konnte er sich wieder auf seine ganz eigene Art und Weise kreativ austoben und die ihm von DC Studios und Warner Bros. angelegten Fesseln ablegen. „Rebel Moon – Teil 1: Kind des Feuers“ ist nun mehr nur ein weiteres Kapitel in der erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen dem populärsten Streaming-Anbieter und dem kalifornischen Filmemacher. Ironie der Geschichte: Mit „Aquaman: Lost Kingdom“ („Aquaman and the Lost Kingdom“, 2023) wurde das von Snyder gestartete DCEU einen Tag vor Release von „Rebel Moon“ nach zehn Jahren offiziell beendet. Glaubt man den Box-Office-Prognosen, so wird dieses in einem Flop enden (Warner Bros. veranstaltete nicht einmal mehr eine Premiere); glaubt man wiederum den Kritikern, so wird „Rebel Moon – Teil 1: Kind des Feuers“ ein ähnliches Schicksal erleiden.
Der Titel („Teil 1: Kind des Feuers“) verrät es bereits: „Rebel Moon“ versteht sich nicht als ein in sich abgeschlossenes Werk, welches eventuell irgendwann einmal mit einer Fortsetzung fortgeführt werden könnte. Der Film ist der Anbeginn einer neuen Saga; quasi das erste Kapitel einer groß angelegten Geschichte, welches im besten Fall gar ein neues Franchise starten soll. Nicht verwunderlich, denn dank der technischen Entwicklung (insbesondere von K.I.-Programmen) werden sogenannte I.P.s (Identity Properties) zukünftig den einzigen Unterschied zwischen Profis und Amateuren machen. Nur LucasFilm kann „Star Wars“ produzieren, nur Paramount kann „Star Trek“ inszenieren. Da Netflix allerdings als junges Produktionsstudio keine eigenen, über Jahrzehnte gewachsenen I.P.s besitzt, sind sie quasi dazu „verdammt“, neue zu entwickeln. Eigentlich positiv, da somit neue Welten erschaffen werden, die sich im besten Fall nicht einer ewigen Wiederholung nostalgischer Momente hingeben müssen. Dies bietet somit viele Chancen, aber eben auch eine gewisse Bürde: Es existiert zum Einstieg in diese neuen Welten kein Anfang und kein Ende. Darunter „leidet“ auch „Rebel Moon“.
„Rebel Moon – Teil 1: Kind des Feuers“ erschafft ein neues Sci-Fi-Universum ohne irdische Verknüpfungen. Ein Universum, welches seit Jahrtausenden besteht und dessen Konflikte ebenso viele Jahre zurückreichen. Damit steigt Snyder direkt ins Geschehen ein; ähnlich, wie es George Lucas anno 1977 mit „Krieg der Sterne“ („Star Wars“) tat. Dies erfordert viel Exposition. Jede Welt besitzt eine eigene Identität, jede Figur eine eigene Hintergrundgeschichte. Verknüpft sind diese durch das große Böse, welches all ihre Leben auf die ein oder andere Weise beeinflusst hat: Die Mutterwelt; das galaktische Imperium von „Rebel Moon“. Dieses will nicht nur beherrschen, sondern unterjochen. Alle Planeten und Lebewesen haben ihr bis zur totalen Ausbeutung zu dienen. Natürlich wird sich ein Widerstand formieren; hier auf einem abgelegenen Mond, dem titelgebenden „Rebel Moon“.
Dem erste Teil gelingt es leider nicht, alle Handlungsstränge, Welten und Charaktere sauber einzuführen und miteinander zu verknüpfen. Die einzelnen Szenen wirken wie in sich abgeschlossene Kapitel; Akte eines Theaterspiels. Das teils erschreckend unfertige CGI, welches die Schauspieler erkennbar vor Green Screen agieren lässt, verstärkt diesen Eindruck sogar noch. „Rebel Moon – Teil 1: Kind des Feuers“ ist in Teilen visuell als auch erzählerisch „zusammenhangslos“. Es fehlt der „Flow“, der alle Ideen, Konzepte, Figuren und Welten einheitlich zu einer Geschichte zusammenführt. Für den Perfektionisten Zack Snyder, der jeden Shot präzise vorausplant, untypisch. Vielleicht war „Rebel Moon – Teil 1: Kind des Feuers“ ein Opfer des Autoren- und Schauspieler-Streiks. Bis Anfang November, vier Wochen vor der Welt-Premiere des Films, waren Nachdrehs nicht möglich. Keine Zeile hätten die Autoren aufgrund des Streiks abändern können; keine Szene nach- oder neu gedreht werden können. Die Ankündigung des Director’s Cuts ergäbe in diesem Kontext somit nur Sinn. Fast schon wie eine Entschuldigung oder Beschwichtigung, dass die richtige Version zum Start des zweiten Teils im April 2024 eigentlich erst noch kommen würde. Denn „Rebel Moon – Teil 1: Kind des Feuers“ musste im Dezember starten; ob fertig oder eben unfertig. Es fällt demnach etwas schwer, das vorliegende Werk vollends zu bewerten. Man spürt, dass nicht nur bedeutende Szenen fehlen, sondern eine unfertige Vision präsentiert wird. In einigen Szenen ist selbst von einer Einstellung zur nächsten das Color-Grading anscheinend nicht beendet wurden.
„Rebel Moon – Teil 1: Kind des Feuers“ rast regelrecht durch die Geschichte; sieht sich dazu gezwungen, unheimlich viel Exposition einzufügen, damit die Zuschauer den Kontext der Geschehnisse überhaupt noch verstehen können und kann sich aufgrund des zeitlichen Drucks der Veröffentlichung nur auf grundlegende Ereignisse konzentrieren, die die Story irgendwie befriedigend vorantreibt. Zu viele Figuren müssen etabliert werden; zumindest zu viele Charaktere und Welten für den vorliegenden „Kompromiss-Cut“. Man hat eine Handlung, aber die eigentliche Geschichte geht verloren. Der erste Teil von „Rebel Moon“ versteht sich auch als eine moderne Adaption von Akira Kurosawas „Die sieben Samurai“ („Shichinin no samurai“, 1954). Eine Gruppe Outlaws muss zusammengestellt werden, um der Mutterwelt die Stirn zu bieten. Nicht alle werden die Handlung überleben, andere Charaktere werden ihren Platz einnehmen. Gerade deswegen wäre eine einfachere Struktur, eine weitaus geradlinigere Story, vielleicht vonnöten gewesen, um diesem komplexen Universum gerecht zu werden. Dies macht sich besonders bei der Figur Jimmy bemerkbar; ein perfektes Exempel für die Unterentwicklung dieses Universums und ihrer Figuren. Der Roboter der Mutterwelt wechselt die Seiten, wird beim zweiten Teil wohl eine besondere Rolle spielen, doch dieser Twist verpufft einfach; lässt den Zuschauer teils ratlos zurück. Es ist etwas Bedeutendes passiert; man spürt dies, aber kann es nicht wirklich einordnen. Es fehlt einfach das erzählerische Fundament, damit diese Wendung einen echten dramaturgischen Effekt haben kann. Dinge passieren einfach; sie werden nicht erzählt, sondern abgearbeitet.
Es bleibt somit auch keine Zeit, das vorhandene Universum und die Mythologie der Saga wirklich auszubauen. Ideen und Konzepte werden zwar etabliert, aufgrund des Zeitmangels allerdings nur angerissen. Dies verstärkt vielleicht den Eindruck, dass die Welt von „Rebel Moon“ ein Potpourri an Ideen anderer Werke ist. Auch wenn es wohl stimmt, dass die ursprüngliche Idee zu dieser neuen Saga im „Star Wars“-Universums angesiedelt war, so besitzt die vorliegende Fassung dennoch genug Eigenständigkeit, um den Vorwurf eines Rip-Offs zu entkräften. Bereits 1980 gab es zwar eine Version von „Die sieben Samurai“ im Weltraum, nämlich Roger Cormans „Sador – Herrscher im Weltraum“ („Battle Beyond the Stars“), allerdings lassen sich bestimmte Überschneidungen schlichtweg nicht verhindern. Snyder täuscht Campbells „Hero’s Journey“ nur vor; geht dann eigene Wege. Verknüpfungen zu bekannten Stoffen existieren nicht wirklich. Nach der Logik müsste man ansonsten auch George Lucas‘ „Krieg der Sterne“ als inhaltliches Remake von Kurosawas „Die verborgene Festung“ („Kakushi Toride no San-Akunin“, 1958) und als visuelle Neuinterpretation der „Flash Gordon“-Serials aus den 1940er-Jahren brandmarken.
„Rebel Moon – Teil 1: Kind des Feuers“ ist ein unfertiges Konstrukt, welches die Mythologie und Philosophie dieses reichhaltigen Universums in der vorliegenden Fassung nur anreißen kann. Dies weiß auch Regisseur Zack Snyder, der in einem Interview bereits verlauten ließ, dass der Director’s Cut ein „vollkommen anderer Film“ werden wird („It’s almost like a different movie. It’s almost a different universe that [the R-rated cut] lives in […].“). Eine echte Kritik, somit eine Auseinandersetzung mit Snyders eigentlicher Vision, erscheint mit dem vorliegenden Rohschnitt, einer Art Workprint, unmöglich. Der erste Teil der Saga musste wohl um jeden Preis als globales Highlight des Jahres zu den Feiertagen veröffentlicht werden, auch wenn man diesen aufgrund der Streiks nicht befriedigend beenden konnte. Hoffen wir nur, dass dieser Preis nicht zu hoch sein wird und die Zuschauerinnen und Zuschauer nicht nur für den Director’s Cut, sondern auch für „Rebel Moon – Teil 2: Die Narbenmacherin“ zurückkehren werden.
‐ Markus Haage
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