Wo Verbrechen und Unrecht geschehen, verbreiten Sie Gerechtigkeit mit Gewalt: Sam, ein Hund im feschen Anzug und Max, ein hasenähnliches Fellbündel mit besonderem Hang zu Handgreiflichkeiten.
In diesem Kult-Adventure von 1993 nach Christus steuert der Spieler die eben genannten Protagonisten durch die gesamte USA. Denn ihr neuer Auftrag lautet: einen aus einem Eisblock befreiten Yeti namens Bruno und seine mit einem Giraffenhals gesegnete Geliebte Trixie finden, die aus einem Zirkus- und Monströsitätengelände entflohen sind. Währenddessen kommen sie immer wieder einem narzisstischen Countrysänger und seinem Handlanger, Zirkusvölkchen, Bungeespringern, falschen Urzeittieren, Raststättenkassierern, Yetis und geköpften Fischen in die Quere.
Im Gegensatz zu anderen LucasArts-Figuren waren Sam und Max eigentlich Stars einer Comicserie, die von Steve Purcell entwickelt wurde und die 1987 ihr Debüt feierte. Somit erblickte das Duo sechs Jahre vor ihrem Adventurespiel das Licht der Welt (obwohl Purcell schon 1980 einzelne Strips anfertigte, die sich aber quasi im Frühstadium befanden). Ein Jahr später wurde Purcell von LucasArts eingestellt und 1992 gab man ihm dort die Gelegenheit, aus seinen Comichelden ein Spiel zu machen. November 1993 war es denn auch soweit, das Spiel erschien erstmalig für DOS und seitdem hat ein Kult bestanden, der LucasArts noch ein Stück bekannter machte neben Werken wie „Monkey Island“, „Maniac Mansion“ und „Loom“.
Zudem stellt „Sam & Max Hit the Road„ eines der ersten Spiele dar, die einen properen Sprachsoundtrack anboten. Somit konnte man die Figuren im Spiel nicht nur lesen, sondern auch hören. Und es kann sich hören lassen, nicht nur in der Originalversion. In der englischen Version spricht Bill Farmer, welcher schon Looney Tunes- und Disneyfiguren vertonte – den Hund Sam, während Nick Jameson Max’ Stimme ist und eine ordentliche Sprechliste aufweisen kann (u.a. in den Bereichen Videospiele und Cartoons). In der deutschen Fassung sprechen Hans-Gerd Kilbinger (desöfteren in Animes und Hörbüchern zu hören) und Sandra Schwittau (am besten bekannt als Sprecherin von Bart Simpson aus „Die Simpsons“) Sam und Max. Auch schön, dass sie ihre Rollen auch in der Fortsetzung von Telltale Games sprechen (zumindest in Episode One). Die Übersetzung ist auch überaus gelungen, zahllose Wortwitze und hirnrissige Dialoge machen süchtig und zeichnen das Spiel maßgeblich aus. Apropos Gold fürs Ohr: die Musik, wieder mal u.a. von Michael Land („Monkey Island“, „Day of the Tentacle“,…) komponiert, verdient auch ein großes Lob. Clevere Melodien, die gelegentlich nach „typisch Amerika“ klingen, versüßen das Spielerlebnis.
Eines der wichtigsten Elemente eines Adventures ist zweifelsohne die Steuerung. Hier wird mit Maus und – wenn man will – mit Tastatur gesteuert. Auch hier war man innovativ: anstelle von anzuwählenden Verben wie „Gehe zu“, „Schaue an“ oder „Benutzen“ wurden sämtliche dieser Funktionen in den Cursor integriert und mit Symbolen versehen. Ein Auge entspricht „Schaue an“, ein Mund „Sprich mit“ und so weiter. Der Rollover-Effekt verstärkt zudem die Spielerfreundlichkeit (fährt man mit dem Augensymbol über einen relevanten Gegenstand oder eine Person, öffnet es sich). Ebenso werden Dialogteile nur über Symbole ausgesucht: Fragen werden etwa über ein Fragezeichen gestellt, Nutzloses oder Schmeichelndes über ein Quietscheentchen (???) und spezifische Themen wie bestimmte Personen werden erkennbar über Konterfeis der Personen oder Gegenstände dargestellt. Mit ein kleinwenig Eingewöhnungszeit ist dies sehr gut spielbar, eventuell sogar für Analphabeten.
Aber was ist mit den Rätseln? Sie sind witzig, keine Frage, für Ungeübte aber durchaus eine große Herausforderung, denn viele Lösungen müssen über mehrere Ecken erdacht werden. Ein Beispiel gefällig? Na gut: in der Attraktion „Gator Golf“ in Florida ist Hase Max in einem Glaskasten steckengelieben. Zwischen diesem Kasten und Sam befindet sich aber ein großer Tümpel mit zahlreichen Krokodilen. Wie kommt man zu Max, ohne von den Tieren aufgemischt zu werden? Ganz klar: man benutzt einen Eimer Fische mit dem Ufer des Gewässers und haut mit dem Golfschläger solange die Fische ins Wasser, bis man aus den Krokodilen eine Art Brücke übers Wasser gemacht hat. Oder wie holt man die verschluckten Auftragsformulare aus dem Magen eines zersausten Katers? Einfach den angriffslustigen Max mit ihm benutzen und der Rest geht von alleine…
Die Grafik ist für LucasArts nicht untypisch sorgfältig und mit zahlreichen Details bespickt. Ein buntes Amerika wartet auf den Spieler, der sich bei diesem Anblick genauso in einem Cartoon befinden könnte. 2D vom Feinsten. Und wenn einmal 3D-Grafik behandelt wird, dann als Seitenhieb. Abgeschmeckt wird das Adventure außerdem mit nicht wirklich relevanten Minispielen, die es zum Teil erst zu finden gilt: Highway Surfing (auf der Landkarte zu finden), ein Malbuch, ein Anziehpuppen-Baukasten und Carbomb (eine Variante von „Schiffe versenken“ mit Autos und mein Favorit).
Nach „Sam & Max Hit the Road“ wurde es spieletechnisch still um das Duo, das sogar eine eigene Cartoon-serie erhielt, bis im Sommer 2002 LucasArts verlauten ließ, dass sich eine Fortsetzung in der Produktion befände, nur um knapp zwei Jahre später den Abbruch der Produktion mitzuteilen. Der Grund wäre die Ansicht, dass Adventures auf dem Spielemarkt kaum noch Chancen hätten. Während LucasArts sich fortan nur auf Star Wars konzentrieren wollte, übernahm die Firma Telltale Games die Produktion einer Fortsetzung, die sich von der unveröffentlichten ersten Version unterschied. Geboren wurde „Sam & Max: Season One“ im Jahre 2006, auch in Zusammenarbeit mit Steve Purcell (Season Two im Jahre 2007). Für eine Fortsetzung durch eine andere Firma und mit 3D-Look ist das ein ordentliches und achtbares Ergebnis, das Fans wie mich beruhigt haben dürfte. Doch die Telltale-Games sind ein anderes Kapitel.
Unübertrefflich bleibt dennoch „Sam & Max Hit the Road“ in der Reihe, weil es uns damals 1993 einen der wohl schönsten Mindfucks der Spielegeschichte beschert haben dürfte. Und der Spielegeschichte an sich einige Innovationen. Verbrecherjagden haben selten so viel Spaß gemacht.
‐ Tabascofanatikerin