Nach sieben Jahren Produktionszeit fliegen die Haie nun durch die Lüfte und in diesem Sinne somit über die Leinwände. „Sky Sharks“ feierte Ende August in Großbritannien seine Weltpremiere. Präsentiert wurde ein inszenatorisch wildes, sich selber nicht ernst nehmendes Schlockfest, dass vor Ideen und Visionen zwar nur so strotzt, es allerdings kaum schafft eine einheitliche Geschichte zu erzählen.
Offizielle Synopsis: Ein Geologen-Team legt tief im Eis der Antarktis eine Höhle frei, wo sie ein noch intaktes Nazi-Labor entdecken, in dem man anno dazumal modifizierte Haie – natürlich zu Welteroberungszwecken – gezüchtet hat, die zu fliegen in der Lage und deren Reiter genetisch mutierte untote Super-Menschen sind. Eine Taskforce aus reanimierten, in Vietnam gefallenen US-Soldaten – die Dead Flesh Four – wird zusammengestellt, um die Erde vor dem sicheren Untergang zu retten.
Fast sieben Jahre dauerte die Produktionsgeschichte von „Sky Sharks“ an. Auf dem Weekend of Horrors 2014 entstanden in der Turbinenhalle Oberhausen mit den dort anwesenden Stargästen (wie etwa Cary-Hiroyuki Tagawa, Amanda Bearse oder Robert LaSardo) die ersten Szenen, die das exzentrische Projekt nicht nur für eine Crowdfunding-Kampagne im Jahre 2015 vermarkten sollten (96.000 Euro konnten via Kickstarter eingenommen werden), sondern sich auch heute noch als Eröffnung im fertigen Film wiederfinden. Noch während der Präsentation auf den Filmfestspielen von Cannes 2015 sicherte sich Sony Pictures den Vertrieb. In den hauseigenen Filmstudios von Marctropolis in Braunschweig wurden die letzten Szenen 2018 eingefangen. Die ambitionierte Vision von Regisseur Marc Fehse forderte einen gewissen Tribut. Die Veröffentlichung wurde immer weiter nach hinten verschoben, bis sie nun Ende August 2020 beim britischen Fright Fest Filmfestival stattfinden konnte. Aufgrund der Corona-Pandemie leider nur als digitale Weltpremiere, aber dafür vor Tausenden von zahlenden Zuschauern aus dem Vereinigten Königreich und Irland, und somit wohl mit mehr Menschen als jemals in einen Kinosaal gepasst hätten. Was die Zuschauerinnen und Zuschauer vor ihren Fernsehgeräten und Bildschirmen zu sehen bekamen, stellte letztlich einen wilden Mix an Ideen dar, der vor allem den Filmemachern hinter dem Projekt eine Heidenfreude bereitet haben muss.
„Sky Sharks“ stellt eine Exploitation-Bombe dar, die im Minutentakt teils auf obszöne Weise den schlechten Geschmack zelebriert und den Zuschauer mit überzogenen Schock- und Schauwerten versucht zu begeistern. Die Vorliebe des Regisseurs für Blood ’n Boobs dürfte zwar in erster Linie pubertierende Jungs vergnügen, zeigt aber eben auch den infantilen Spaß auf, den das Produktionsteam bei der Realisierung ihrer Ideen hatte. Fans des klassischen Exploitation- und modernen Trash-Kinos dürften demnach zumindest temporär ihre Freude haben. Flache Gags, exzessive Gewalt, überzogene Action bestimmen das Werk, welches in der Inszenierung mit teils irritierend großen Kontrasten aufwartet. Während der Vorspann des Films in grellen, poppigen Farben die Großstadtschluchten des modernen New Yorks im Stile einer Werbefilm-Produktion zu Techno-Beats präsentiert, versucht man in einer der besten und handwerklich beeindruckenden Rückblende in die letzten Tage des Dritten Reichs überzugehen und dies auch inszenatorisch nicht nur im Stile der Nazisploitation-Filme einzufangen, sondern auch mit einer Hommage an die berüchtigten Wochenschauen des Propaganda-Ministeriums abzuschließen. Ein gestalterisch und leider auch erzählerisch zu großer Gegensatz, welcher exemplarisch das größte Dilemma des Films aufzeigt. Inhaltlich kann diese Szene nur weitere Exposition bieten, die eigentliche Handlung wird somit nicht vorangetrieben, dennoch gehört sie als in sich abgeschlossenes Kapitel wohl zu den besten Filmminuten, die der deutsche Independent-Film im Bereich des Phantastischen Kinos in den letzten Jahrzehnten hervorgebracht hat. Und dies mag nicht nur am lässigen Spiel von Oliver Kalkofe als Karikatur von Hermann Göring liegen, sondern auch an der Ausstattung, den Effekten und der Regie. Dieser inszenatorische Kontrast wird im Verlauf des Films sogar noch verstärkt, wenn zahlreiche Hommagen an das Horror-Kino und die Vietnam-Actioner der 1980er-Jahre zelebriert werden, als auch Werbeeinblendungen für fiktive Produkte, die an Paul Verhoevens Klassiker „RoboCop“ (1987) erinnern. Dies geschieht so extrem, dass ein Nebenprodukt des Films, der Trailer zum fiktiven In-Universe-Ableger „Sky Frogs“, nur noch als Post-Credits-Szene Platz finden konnte.
Ein einheitliches Bild ergibt sich somit leider kaum. Mehrere in sich abgeschlossene Akte, die lediglich die Mythologie ausbreiten, werden durch ein Grundgerüst an Story – nennen wir es mal eine Art Kammerspiel vor Green Screen – versucht zusammenzuhalten. Das ist schade, denn besonders in den vom Marketing meist zitierten Setpieces steckt nicht nur viel Liebe zum Detail und zweifelsohne enorm viel Talent, sondern auch ein hoher Produktionswert, der „Sky Sharks“ in diesen Momenten selbst über große deutsche Spielfilm-Produktionen traditionsreicher Häuser heben kann. Nur schafft der Film es leider nicht, diese Kapitel zufriedenstellend inhaltlich zu verknüpfen. Ein buntes Kaleidoskop an reißerischen Ideen für einzelne Geschichten oder Momente entsteht, denen ein echter erzählerischer Faden fehlt, um sie zu verbinden. Dennoch spürt man, dass im fertigen Werk eine größere Vision steckt, die man hierbei nicht untergehen lassen sollte. Regisseur Fehse kreiert teilweise atemberaubende Visuals, die die wildesten Kinoplakate der Grindhouse-Ära zum Leben erwecken.
„Sky Sharks“ ist somit eine Idee, aber leider noch keine Geschichte. Es existiert eine Story, aber eben keine Handlung. Eine Hauptfigur, mit der sich die Zuschauerinnen und Zuschauer wirklich identifizieren oder zumindest mitfiebern können, fand im Drehbuch keinen Platz. So verwundert es auch nicht, dass man vor allem darum bemüht ist, die Mythologie dieses Film-Universums in ausgedehnten Rückblenden auszubauen, die bei einem solideren Storytelling höchstens in Ansätzen referenziert wurden wären. Eine Erklärungsorgie entsteht, die sich zeitweise wie ein Extended Cut anfühlt. Die Laufzeit von 102 Minuten hätte ohne nennenswerte narrative Einbüßen um zwanzig Minuten kürzer sein können. Ist man sich der Entstehungsgeschichte des Films bewusst, so beschleicht dem Zuschauer gar das Gefühl, dass das Werk in der Nachproduktion etwas verloren ging. Es wirkt zeitweise, als ob der gesamte Film eine Art von Exposition darstellt, die dazu dient eine ausgedehnte Vorgeschichte für eine Fortsetzung zu erzählen. Die eigentliche Geschichte hätte damit noch nicht begonnen. Der Cliffhanger am Ende kann dafür vielleicht sogar als Indiz angesehen werden. Die Himmelshaie werden somit bei Erfolg erneut durch die Lüfte fliegen. Dem Produktionsteam wäre es nach sieben Jahren tatsächlich zu wünschen den Film als Basis für ein größeres Exploitation-Universum nutzen zu können. Ableger-Produkte in Form von Graphic Novels existieren bereits.
„Sky Sharks“ stellt einen wilden Ritt dar, ein sich selbst nicht ernst zunehmendes Schlockfest, das wohl vor einer feierfreudigen Crowd in einem vollen Kinosaal am besten funktionieren kann. Das Engagement, die Vision und Ambition seitens des Produktionsteams ist mehr als nur zu würdigen, auch wenn es letztlich „nur“ ihre teils zwar kreativen, aber eben auch grotesken Ideen sind, die den Film als Deckmantel für eine Handlung zusammenhalten.
‐ Markus Haage
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