Nun auch noch Solo: Nachdem man mit „Rogue One: A Star Wars Story“ schon versuchte, sich filmisch von der klassischen Saga-Struktur zu distanzieren, um zahlreiche neue Geschichte aus dem Star Wars-Universum zu erzählen, nimmt man sich mit dem zweiten Film hierfür bereits eine der ganz großen Ikonen der Ur-Trilogie vor.
„Solo: A Star Wars Story“ ist vielleicht der erwachsenste aller „Star Wars“-Filme, der sich überraschend vieler Genres bedient und damit in vielen einzelnen Szenen beweist, dass „Star Wars“ soviel mehr sein kann als nur ein Weltraum-Märchen. Horrorfilm? Kriegsfilm? Komödie? Spionagethriller? Actionstreifen? All das steckt in „Solo“. Der Film prescht enorm schnell voran, vielleicht stellenweise etwas zu schnell. Alleine aus dem ersten Drittel hätte man (inhaltlich) eine ganze Trilogie füllen können. Solos Jugend (geschwiege denn Kindheit) auf Corellia spielt eine untergeordnete Rolle. Genauso wie seine Zeit beim Imperium, auch wenn diese mit einer eindrucksvollen Kriegsszene zusammengefasst wird. Diese Hatz geht auf Kosten der Hauptcharaktere, deren Beziehung zueinander zwar überzeugend aufgezeigt, aber nicht dramaturgisch genug unterfuttert wurde, damit es die ganze Emotionalität ausschöpft. Auch einige Nebenfiguren, wie Tobias Beckett (Woody Harrelson) oder Dryden Vos (Paul Bettany), kommen etwas zu kurz. Schade. Denn eigentlich hätte ihr Verhältnis zueinander schon einen eigenen Film verdient und vielleicht wäre dies auch der „bessere“ Einstieg in dieses Universum der zwielichtigen Gestalten und Schurken gewesen und Solo wäre erstmal nur als Nebenfigur eingeführt wurden. Man kann dies aber auch als Beleg dafür sehen, dass die Köpfe der Drehbuchautoren nur so vor Ideen strotzten und sie dies alles in den Film hämmern wollten. Nicht immer elegant, aber immer unterhaltsam und sehr faszinierend. Wer glaubte, man könnte der Origin-Story von Han Solo nichts Neues abringen, hat sich gewaltig geirrt. Das tut der Film selbst dann, wenn er die zu erwartende Checkliste der Nebenbemerkungen aus der Original-Trilogie inhaltlich groß abarbeitet. Dass Han Solo in „Krieg der Sterne“ (1977) eine Maßeinheit zur Beschreibung seines imposanten Kessel-Rennens falsch nutzte (nämlich Parsec als Längeneinheit), wird nun auf recht pfiffige Art und Weise korrigiert, indem man die „falsche“ Benutzung konsequent und logisch bestätigt. Han Solo hat das Kessel-Rennen tatsächlich in zwölf Parsecs absolviert.
Dem Zuschauer begegnet in „Solo: A Star Wars Story“ ein neues oder eher anderes „Star Wars“-Universum, welches man vorab nur in einzelnen Romanen oder Rollenspielen thematisiert wurde (alle nicht mehr Teil des Kanons). Ein Krieg der Sterne, indem der Bürgerkrieg zwischen Rebellion und Imperium keine große Rolle spielt (natürlich auch, weil er in aller Konsequenz noch nicht begonnen hat). So begeben wir uns in eine Schattenwelt, in der die Grenzen zwischen Gut und Böse stets verschwimmen. Eine Unterwelt aus zwielichtigen Gestalten. Schurken, Gangstern, Deserteuren, Abgehängten, Enttäuschten. Sie kennen nur die Loyalität zu sich selbst. Das müssen sie auch, um den nächsten Tag zu überleben. Interessant ist, dass der Film dabei auch einen mutigen Brückenschlag versucht, indem er natürlich Elemente der Original-Trilogie (1977–1983) aber eben auch der Prequels (1999–2005) verarbeitet. Besonders letztere Filme werden nicht nur referenziert, sondern auch in den Fortsetzungen (falls sie denn kommen) eine besondere Rolle spielen. Dies ist sehr konsequent, denn damit wird inhaltlich auch die Animationsserie „Star Wars: The Clone Wars“ (2008–2014) honoriert, die unter Fans eine große Popularität besitzt. Daneben gibt es zahlreiche weitere Verweise auf das ehemals sehr reichhaltige und bunte Expanded Universe. Teräs Käsi wird erwähnt (eine Referenz auf das Computerspiel „Star Wars: Masters of Teräs Käsi“ von 1997), Aurra Sing ebenfalls (interessant hierbei ist, dass das Schicksal dieses Prequel-Charakters nun auch definitiv geklärt wird). Sogar ein Nebencharakter aus „Rogue One: A Star Wars Story“ (2016) taucht auf. Man ist also stetig bemüht all die unterschiedliche Welten, die das „Krieg der Sterne“-Universum auf unterschiedlichste Art und Weise in über 41 Jahren produzierte, zu vereinen. Dies dürfte aber vielleicht nicht jedem Fan gefallen, denn zum Ende gibt es einen Cameo eines sehr bedeutenden Charakters aus den Prequels. Sollte es zu weiteren Fortsetzungen kommen, wird dieser sicherlich eine bedeutende Rolle spielen und damit sind selbst die teils wahnwitzigen Storylines der Comics und Animationsserie endgültig auf der Leinwand angekommen.
Der Film verfügte über eine turbulente Produktionshistorie. Im Sommer 2017, nur zehn Monate vor dem Kinostart, verließen die beiden Regisseure Lorde und Miller das Projekt. Veteran Ron Howard („A Beautiful Mind“, „Apollo 13“) übernahm den Regieposten. Damit schließt sich ein gewisser Kreis. Spielte er doch bereits in George Lucas‘ „American Graffiti“ (1973) die Hauptrolle, indem auch schon Harrison Ford auftrat. Angeblich soll Howard rund 70% des Films neu inszeniert haben. Es ist wohl davon auszugehen, dass hauptsächlich die großen Action-Setpieces aus Kostengründen erhalten bleiben. Dieses schadete „Solo: A Star Wars Story“ in der Vorberichterstattung, dem Film selber merkt man es allerdings nicht an. Auch hagelte es Kritik an Hauptdarsteller Aldon Ehrenreich, der einigen Fans zu sehr vom Original abweicht. Dies ist aber unbegründet. Alle Schauspieler, die populäre klassische Charaktere neu darstellen, können in ihren Rollen nicht nur überzeugen, sondern im Fall von Donald Glover, der Lando Calrissian mimt, sogar begeistern. Ein Lando-Film dürfte sicherlich nicht mehr ausgeschlossen sein. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch die deutsche Synchronisation. Wolfgang Pampels sehr einprägsame Synchronstimme begleitet Harrison Ford nun seit mehr als vierzig Jahren. Mit Florian Clyde als neuen Sprecher hat man einen absolut überzeugenden Ersatz gefunden. Er klingt Pampel zum verwechseln ähnlich, ohne dass er sich aber wie eine erzwungene Imitation anhört.
„Solo: A Star Wars Story“ beweist Mut und zeigt auch, dass im Star Wars-Universum soviel mehr steckt, als die von der Grundhandlung teils simpel gestrickten Episoden-Filmen vermuten lassen. Die Drehbuchautoren von „Solo“ hätte man vielleicht sogar für Episode VIII engagieren sollen (dieser Seitenhieb musste sein). Dafür zahlt der Film aber auch einen gewissen Preis, lässt einige Charaktere unterwickelt zurück und fühlt sich am Ende seiner Geschichte trotz allem etwas unvollständig an (und nicht nur, weil die Geschichte weitererzählt werden soll). Mindestens 7 von 10 Parsecs.
‐ Markus Haage
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