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Stand – Das letzte Gefecht, The (USA, 1994)

verfasst am 13.Februar 2010 von Markus Haage

„Ich bin Tom Cullen. M-O-N-D, das bedeutet Tom Cullen.“

„Hapscombs Texaco-Tankstelle lag an der US 93 ein Stück nördlich von Arnette, einem armseligen Vierstrassenkaff ungefähr 110 Meilen von Housten.“ Dies sind nicht nur die ersten Worte von Stephen Kings Opus Magnum „The Stand – Das letzte Gefecht“, sondern auch der Anbeginn vom Ende…

Die Seuche breitet sich aus.
(© HBO)

Charles Campion, junger Vater und unterbezahlter Wachmann, wollte nur das Leben seiner kleinen Familie retten, als in einem geheimen US-Virenlabor des Militärs Alarmstufe Rot ausgelöst wurde. Ein hochaggressiver Grippevirus namens Captain Trips ist entwichen – die gesamte Forschungsmannschaft innerhalb von weniger als 12 Minuten gestorben. Doch Campion versuchte seinen Schicksal zu entfliehen und raste mit seiner Familie durch die halben USA, bis zu einer kleinen Tankstelle in Arnette, Texas. Dort stirbt er in den Armen von Stu Redman und unter den ungläubigen Augen seiner Freunde. Sie denken, dass der kranke Mann und seine Familie lediglich an einer normalen Grippe gestorben sind, doch diese Grippe ist mehr als nur aggressiv. Mit einem Infektionsrate von 99% ist bald die ganze Stadt dem Tode nah. Die Armee riegelt sie hermetisch ab – doch landesweit häufen sich die Meldungen der Infektionen. Innerhalb weniger Stunden ist die gesamte Nation betroffen. Die Armee kann die Lage nur noch mit roher Gewalt unter Kontrolle halten. Während Millionen Menschen sterben, beginnen die noch wenigen Gesunden gegen die Gewalt zu rebellieren. Die öffentliche Ordnung ist vollkommen zusammengebrochen. Hierzu bedurfte es nur wenige Tage.

Randall Flagg, Herzensbrecher und Sensenmann in Personalunion.
(© HBO)

Die menschliche Rasse steht kurz vor ihrer Ausrottung. 99,7% aller Menschen werden Captain Trips zum Opfer fallen. Doch die wenigen Gesunden können Hoffnung schöpfen: in ihrem Träumen spricht eine alte schwarze Frau namens Mutter Abigail zu ihnen, die sie nach Boulder, Colorado, weist. Dort sollen sie sich niederlassen und eine neue Gesellschaft errichten. Doch andere Überlebende erreicht Abigails Botschaft nicht. Sie wurden bereits persönlich vom schwarzen Mann aufgesucht. Sein Name: Randall Flagg. Sein Ziel: die Errichtung einer Gewaltherrschaft auf Erden. Um dies zu verwirklichen richtet er sich an die Korrumpierten und baut in Las Vegas seinen Hofstaat auf. Es ist nur eine Frage der Zeit bis Flagg auch nach Boulder greifen wird. Nachdem man es dort geschafft hat, sich eine neue Existenz aufzubauen, entsendet der Rat der Stadt vier Bewohner, um sich Flagg entgegenzustellen. Ein wehleidiger Rockstar, ein bodenständiger Bauarbeiter, ein alter Richter, sowie ein lebensfroher Farmer. Sie sind nun die Armee Gottes. Bewaffnet nur mit ihrem Glauben stellen sich den korrumpierten Menschen unter Flaggs Einfluss entgegen. Das letzte Gefecht beginnt.

Die Menschheit steht vor ihrem Fall…
(© HBO)

Bereits 1979 veröffentlichte Stephen King sein Epos „The Stand – Das letzte Gefecht“, doch musste es auf Druck seines Verlages in einer stark gekürzten Fassung auf den Markt schmeißen. 1990 folgte dann endlich die ungekürzte Version, ein Mammutwerk mit 1.500 Seiten. Bis zum heutigen Tagen zählt „The Stand“ zu Kings besten Werken, für viele Fans ist es sogar unangefochten sein wichtigstes Werk. Eine epochale Geschichte über Gut und Böse, Glaube und Aberglaube, Anfang und Ende. Als King sich diese Geschichte erdachte, schwebte ihm eine amerikanische Version des „Herrn der Ringe“ vor. Ein ähnlich episches Werk, nur auf den amerikanischen Mikrokosmos und die Moderne bezogen. Eine Gruppe unverhoffter Helden muss über sich selbst hinauswachsen und zum Wohle aller bis zur Selbstopferung sich dem ultimativen Bösen stellen. Auch heute – mehr als dreißig Jahre nach der Erstveröffentlichung – hat „The Stand“ nichts von seiner Anziehungskraft verloren. Seit 2008 erscheint in regelmäßigen Abständen eine Comicreihe, die den Roman werkgetreu wiedergibt.

Auch in Comicform griff die Seuche von 2008 bis 2012 um sich.
(© Marvel Comics)

Mick Garris’ vorliegende Interpretation von 1994 hingegen ist weitaus zahmer ausgefallen und stellt den Abenteuer-Charakter des Buches in den Vordergrund. Dieses ist allerdings gewollt und von King persönlich abgesegnet, der immerhin das Drehbuch beisteuerte. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung mit der Verfilmung seiner Werke konnte er die Wirkung und Darstellung einer filmischen Interpretation abschätzen und beschränkte sich auf die ihm wichtigsten Elemente seiner Geschichte. Bereits mehrere Jahre stand „The Stand“ auf der Verfilmungsliste Hollywoods ganz weit oben. Jahre lange versuchte George A. Romero himself sogar, den Stoff für die große Leinwand umzusetzen. Sein Drehbuch umfasste gerade einmal 178 Seiten und konnte sich letztlich nicht durchsetzen. Zu groß, zu verschlungen, zu episch war Kings Vorlage, als das man diese innerhalb von 3 Stunden hätte abhandeln können. Ein TV-Film in mehreren Teilen schien von daher perfekt, um der Vorlage gerecht zu werden. Dazu bedurfte es aber natürlich mehrerer Kompromisse, die glücklicherweise – wie erwähnt – von King selber gemacht werden konnten. So hat er recht behutsam Charaktere in einer Person zusammengefasst und Handlungsstränge gestrichen und deren Inhalt verlagert. King war so sehr um eine gerechte Umsetzung bemüht, dass er es sich sogar vertraglich festsetzen ließ, dass nur er alleine entscheiden darf, wer den Mann ohne Gesicht, die Nemesis der Menschheit, Randall Flagg, spielen darf. Zur Überraschung entschied er sich für den damals noch recht unbekannten Jamey Sheridan, der Flagg mit einem selbstironischen Augenzwinkern spielt. Flagg ist ein Verführer und Versucher. Dein bester Freund und größter Feind. King wollte einen Darsteller, in dem sich durchschnittliche Hausfrauen verlieben würden, der wie ein Abbild eines kitschigen Liebesroman-Helden wirkte, dessen Charme sich niemand entziehen kann. Sheridans Performance zählt zu den Besten des gesamten Films und ist in seiner sehr gewagten Einzigartigkeit absolut brilliant. Natürlich hätte man Flagg recht simpel als widerlichen, schlicht bösen Charakter darstellen können, King aber ging gewollt ein Risiko ein, indem er dem Grundsatz „Das Böse kommt immer mit einem Lächeln.“ treu blieb.

Randall Flagg sollte auch in vielen späteren Werken von King auftauchen – teilweise unter Pseudonymen, manchmal nur angedeutet, mehrmals offen, so wie in Kings „Dunkler Turm“-Zyklus. Auch hier passt sich sein Erscheinungsbild der Umwelt an. Flagg ist alles und nichts. Er ist der Anfang und das Ende. Vor allem das Ende, denn der Anfang liegt schon hinter uns.

Regisseur Mick Garris schafft es recht gut dieses visuell umzusetzen, auch wenn durch die finanziellen Beschränkungen der Film oft ein überschaubares Endzeit-Abenteuer bleibt und dem Zuschauer nur einen Ausblick auf die Apokalypse gibt. So müssen wir uns mit wenigen Shots vom brennenden Times Square und einigen markanten Einstellungen von verwesenden Leichen zufrieden geben. Ein mögliches episches Ausmaß des Untergangs der Menschheit nimmt der Film nie an und konzentriert sich lieber auf die einzelnen Charakteren, die den Romanfiguren größtenteils gerecht werden. Nicht jede Rolle ist perfekt besetzt, dafür glänzen allerdings einige Schauspieler in der geringen Spielzeit, die man ihnen gegeben hat, umso mehr. Zu nennen wären hier u.a. Ed Harris als desillusionierter General, der Selbstmord begeht, oder aber auch Bill Fagerbakke als zurückgebliebener aber herzensguter Naivling Tom Cullen. Es gibt keinerlei schauspielerische Totalausfälle – bei diesem Aufgebot an Charakterdarstellern stechen allerdings viele Nebenrolle sehr stark hervor. Und damit sind nicht einmal die zahlreichen Stars, von Sam Raimi über John Landis bis zu King selber, gemeint, die in vielen Cameoauftritt auftreten.

Jamey Sheridan wird von Stan Winstons Crew in Randall Flagg verwandelt.
(© Stan Winston School)

Leider besitzt der Film auch so manche – der Amerikaner nennt es – cheesige Momente, bei denen man wirklich nicht weiß, was die Schöpfer sich dabei gedacht haben. Wenn die Bewohner Boulder die amerikanische Nationalhymne anstimmen, Mutter Abigails Kopp über ein neugeborenes Baby schwebt oder die Hand Gottes als glühende CGI-Animation die Erlösung einleitet, dann weiß man, warum soviele von Kings Stoffen als unverfilmbar gelten. King kann diese Dinge nennen, ohne das sie kitschig oder überzogen wirken, da er gekonnt dem Leser genug Raum für eigene Interpretationen lässt, ihn aber geschickt seine Vorstellung anbietet – oder es in diese Richtung lenkt. In einem Film werden solche Dinge zwangsweise als Tatsache präsentiert. Oftmals funktioniert dies nicht, leider ist das auch bei „The Stand“ so. Dies schwächt den Film nicht zu sehr ab, „The Stand“ besitzt zahlreiche starke Momente und kann als Gesamtwerk absolut überzeugen, aber natürlich muss man ihm seine produktionstechnischen Beschränkungen anrechnen.

Fatality:
Wer auf eine im Kern getreue Umsetzung hofft, kann bei dieser Mini-Serie wohl bester Dinge sein, auch wenn sich natrlich Freiheiten genommen werden. King selber sorgte dafür, dass die eigentliche Haupthandlung nicht verwässert wird, aber natürlich lässt sich sein Opus Magnum nur sehr schwer getreu umzusetzen. Dafür ist es einfach zu umfangreich und zu komplex. Wer über die produktionsbedingten Einschränkungen hinwegsehen kann, wird – auch als Fan des Romans – von dieser Interpretation nicht enttäuscht werden.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!