„Ich steige jetzt auf mein Boot und fahre den Fluß hinauf. Und ich verspreche euch, ich trete diesen verdammten Bison so kräftig in den Arsch, dass es selbst der letzte Möchtegern-Bison noch fühlt.“
Ich erinnere mich noch, als ob es gestern gewesen war: Irgendwann im schwül-heißen Sommer 1992, als ich noch wie der „Cyborg Cop“ mit Gürteltasche durch die Gegend stiefelte, brachte mein älterer Bruder die Offenbarung mit nach Hause – das Super Nintendo Entertainment System, kurz: SNES. Mit im Paket: „Street Fighter 2“ – die Mutter aller Beat-’Em-Ups. Den Rest des Sommers sah ich kein Sonnenlicht mehr. Von Morgens bis Abends hieß es nur noch „Round One – Fight!“…
Anscheinend war ich nicht die einzige Person, die von diesem Spiel sehr angetan war, denn auch Hollywood nahm sich diesen Stoff an. Nachdem man bereits „Double Dragon“ und „Mortal Kombat“ für die Leinwand adaptierte, ersann sich Steven de Souza, der immerhin die Drehbücher zu „Phantom Kommando“, als auch „Stirb Langsam“ geschrieben hat, dem „Street Fighter“-Stoff. Das jemand mit einer solchen Reputation sich der Thematik annahm, ließ die meisten Fans wohl frohlocken, doch der Unterschied zu den genannten Werken: hier führte Steven de Souza auch noch Regie. Das das Originalspiel, wie man oben gesehen hat, storytechnisch nicht unbedingt allzuviel hergibt, dürfte klar sein. Als Spieler kloppt man sich duch verschiedene Stages um an Ende dem allmächtigen Bison, Inkarnation des Beat-’Em-Up-Bösen, die Geißel aller Pixel-Prügelknaben, gegenüberzustehen. Vom Prinzip her hat de Souza an dieser Struktur auch nichts geändert und den Streifen (SEHR!) geradlinig strukturiert.
Round 1 (Minute 0:00 – 30:00)
Prota- und Antagonisten werden eingeführt. Es kommt zu Prügeleien.
Round 2 (Minute 30:00 – 60:00)
Eine ausweglose Situation zwingt die Protagonisten zur Handlung. Es kommt zu Prügeleien.
Round 3 (Minute 60:00 – 90:00)
Helden verkloppen Böse. Ende.
Diese simple Struktur ist in eine recht wahnsinnige Grundstory eingebettet – und man muss wirklich sagen, dass de Souza hier verdammt kreativ gewesen ist. Im Gegensatz zur ersten Verfilmung (ein HongKong-Smasher mit Zeitreise-Drama) oder der recht bekannten Zeichentrick-Serie, versuchte er hier alle Charaktere des Spiels (mit Ausnahme von Fei Lung) sinnvoll in eine filmgerechte Story einzubauen. Hätte er gar nicht machen müssen. 90 Minuten Gekloppe hätten auch so völlig gereicht. Mir zumindest, doch Souza wollte mehr…
Wie man schnell bemerkt, hatte sich Souza die Charaktere aus „Super Street Fighter 2 Turbo“ ausgesucht (ich werde an dieser Stelle mal darauf verzichten, auf die vielen unterschiedlichen „Street Fighter 2“-Varianten einzugehen), um sie filmtechnisch in ein Prügeldrama einzubetten.
Shadaloo! Laut eingeblendeter Karte befindet sich dieses asiatische Kleinod des Unbekannten zwischen Birma und Thailand – laut Nachrichtensprecherin allerdings im BÜRGERKRIEG! Der finstere General M.Bison hält das Land durch seine Truppen nicht nur besetzt, sondern auch noch die ganze Welt in Atem. Er hat 100 Geiseln der A.N. (UN-Wannabes) genommen, um 20 Milliarden Dollar von der Weltgemeinschaft zu erpressen. Mit dieser Kohle will er seinen teuflichen Plänen nachgehen – und den perfekten, genetischen Soldaten schaffen!
„Wieso nur? Wieso nennen sie mich noch immer einen Kriegsherren? Und wahnsinnig? Alles was ich will, ist die Erschaffung des perfekten, genetischen Soldaten. Nicht um der Macht willen. Nicht für die Vernichtung. Nur für das Gute. Carlos Blanka wird bald für mich in die Welt hinausmaschieren und aus meinem Labor werden noch viele hinausgehen und meine Widersacher, jedwede Religion, jedwede Nation hinwegfegen von der Erde. Und dann wird dieser Planet nur von einer liebenden Hand umschloßen: von der Pax Bisonica! Und dann gibt es ewigen Frieden in der Welt. Und die ganze Menschheit soll sich vor mir verbeugen – in Dankbarkeit und Dehmut.“
Zusammen mit dem indischen Genetiker Dr. Dhalsim hat er A.N.-Soldat Carlos Blanka entführt, um diesen in eine grüne Kampfmaschine mit roter Perücke zu verwandeln. Blanka ist allerdings nicht irgendein x-beliebiger Fußsoldat, sondern der beste Freund von Colonel Guile – Anführer der A.N.-Truppen in Shadaloo! Dies bedeutet natürlich eins: Rache! Obwohl die A.N.-Bürokraten jegliche Kampfhandlung verbieten, zieht Guile mit seinen Mannen in den Krieg. Via Speedboot wird Bisons Thai-Tempel angegriffen…
Der Rest dürfte klar sein. Die kompletten letzten 40 Minuten des Films wird sich geprügelt. Der hawaiianische Kameramann Honda gegen den russischen Berserker Zangief (Andrew Bryniarski – all hail!), die Undercover-Agenten Ryu und Ken gegen Unterwelt-Boss Sagat und seine Rechte Hand Vega,…
…sowie natürlich Guile gegen Bison. Und dies ist ohne Frage einer der Höhepunkte des Kampffilms der 90er-Jahre! Abgesehen von der Tatsache, dass hier sämtliche Kampfkunst-Standards vorgeführt werden (Blutgerätsche, Roundhousekick, Kopfnuss), müssen selbstredend die Spezialattacken aus dem Spiel gezeigt werden. Ich sag nur SONIC-BOOM!
Guile wirbelt, Bison fliegt durch die Luft und kann Blitze abfeuern. Natürlich ist auch er nur ein Mensch, weswegen die Erklärung für diese übernatürliche Eigenschaft recht schnell (und vollkommen logisch) daherkommt.
„Das ist hauptsächlich supra-leitender Elektromagnetismus. Sie haben sicher davon gehört. Er befördert Expresszüge von Tokio nach Osaka. Er lässt meinen Kommandostand schweben – auf dem ich über die Welt reiten werde! Und er lässt noch etwas schweben: mich.“
Ergibt Sinn. Zumindest in de Souzas Welt. Und so dürfen sich Guile und Bison nicht nur auf der waaagerechten, sondern auch auf der senkrechten prügeln. Von hinten nach vorne, von oben nach unten. Das Bison letztlich den Kürzeren zieht, dürfte nicht überraschen. In einem letzten Kraftakt schafft Guile es Bison und die A.N.-Truppen seinen Tempel zu vernichten. Der Energiebalken dürfte arg in Mitleidenschaft gezogen wurden sein – aber es reicht immerhin noch für eine letzte Siegespose…
Haduken! Steven de Souza versucht alle Merkwürdigkeiten des Spiels sinnvoll in die filmische Realität einzubetten und den Rest der übrig bleibt als eine Art Pop-Satire zu verkaufen. So verwundert es nicht, dass General Bison einen Kronleuchter aus Menschenknochen besitzt und wie einst Napoléon Bonaparte auf Jacques-Louis Davids Gemälde mit Ross auf Reiter (ach, ne…umgekehrt) heldenhaft posiert. Dies ist allerdings nur die Spitze des Eisberges, quasi kleine Gimmicks im Hintergrund. Ebenfalls werden uns (wertlose) Bison-Dollars präsentiert, sowie die Spieleamatur des „Street Fighter 2“-Arcadegames und hier hat de Souza wirklich recherchiert. Wie beim Spiel kloppt Bison einfach nur auf die Knöppe – irgendein Ergebnis wird schon dabei herauskommmen. Beim Spiel war es mit Glück eine Spezialattacke die den Sieg bescherte, hier werden Unterwasserminen zur Explosion gebracht.
Das de Souza sein Werk damit selber nicht allzu ernst nahm, dürfte klar sein: und dies ist wohl auch die Krux des Films, zumindest, wenn man den Streifen ernst nehmen möchte. Ich wage einfach mal die These: wenn Souza aus der Grundhandlung einen grimmigen Action-Streifen ohne Pop und Klamauk gedreht hätte, so wäre wohl eine der besten Computerspiel-Verfilmungen draus geworden – denn der Film kann überzeugen. Die Musik ist gut, die Schauspieler keine Nulpen (mit Raul Julia ist ein echtes Schlachtroß mit dabei!), die filmische Umsetzung weiß zu überzeugen – wenn dies eben nicht immer durch Szenen unterbrochen werden würde, in denen Bison sich minutenlang umzieht (man beachte die verschiedenen Hüte – einen für jede Gefühlslage) oder junge Soldaten via Kriegsdokus zu willenlosen Kampfmaschinen umpropragammiert werden (hmh, ja – Soldaten reagieren mit Sicherheit empfindlich auf Kriegsdokus…).
Somit ist „Street Fighter – Die entscheidene Schlacht“ nichts für den bürgerlichen Feuilleton. Für uns aber ist es ein unglaublicher Kracher. Kämpfe, Karottenjeans, coole Sprüche, kein Blut – dafür blaue Flecken und rote Uniformen. Fiese Helme, schmerzverzehrte Gesichter und Raul Julia als DER fieseste Oberschurke seit Frank Langella. Die obligatorische Frage knallt ins Review: Was will man mehr? Einen zweiten Teil vielleicht. Eine Szene nach dem Abspann macht(e) Hoffnung, doch leider warten wir wohl vergbelich darauf (Vaya con dios, Raul!).
Fatality:
„Street Fighter – Die entscheidene Schlacht“ ist ein kunterbuntes Beat-’Em-Up-Knallbonbon. Vier Köppe für…einfach alles. Deshalb in Bisons Sinne: Game over!
‐ Markus Haage
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