Das Böse nimmt auch auf Rockstars keine Rücksicht! Die Foo Fighters kämpfen im „Studio 666“ bei der Produktion ihres neuen Albums nicht nur mit einer Schreibblockade, sondern auch gegen ihren von Dämonen besessenen Frontman Dave Grohl. Ein teils irrwitziges Werk, welches augenzwinkernd an längst untergegangene Horror-Zeiten mahnt.
Offizielle Synopsis: In STUDIO 666 ziehen die Foo Fighters – Mitglieder der Rock & Roll Hall of Fame – in eine Mansion in Encino, Kalifornien ein, um ihr lang erwartetes 10. Album aufzunehmen. Das Haus ist von einer grausamen Rockgeschichte geprägt. Dort angekommen, sieht sich Dave Grohl mit übernatürlichen Kräften konfrontiert, die sowohl die Fertigstellung des Albums als auch das Leben der Band bedrohen.
Normalerweise würde man an dieser Stelle darauf hinweisen, dass ein Werk wie „Studio 666“ (2022) nur in der heutigen Medienwelt existieren könnte. Die drastische technische Weiterentwicklung hat vor allem in den vergangenen Jahren die Budgets ohne nennenswerten Qualitätsverlust drücken können, während die Streaming-Revolution wiederum nach neuen Content in Form von Serien und Filmen regelrecht giert. Noch vor zehn Jahren wäre es demnach kaum denkbar gewesen, dass selbst eine Band wie die Foo Fighters einen eigenen kleinen Horrorfilm drehen kann, der letztlich davon handelt, beim Versuch ein neues Album aufzunehmen, nicht auf grausame Weise vom besessenen Leadsänger bestialisch ermordet zu werden. Doch dies wurde zur Freude und Überraschung aller Genrefans tatsächlich umgesetzt. Ein Konzept, welches an längst untergegangene (und eigenwillige) Zeiten des Horrorfilms erinnert.
Rockstars kokettierten schon immer gerne mit Elementen des Horrorfilms. In erster Linie wohl, um das Establishment zu schockieren und dadurch natürlich größere Aufmerksamkeit zu generieren. Besonders Alice Cooper legte bei der Präsentation seiner Bühnenshows einen enormen Wert auf theatralische Inszenierungen, die sich Vorbildern aus dem Horror bedienten. So ausgeprägt, dass er bis zum heutigen Tage als „Godfather des Shock Rock“ gilt. Dem Horrorfilm hing immer ein gewisses Verbot an. Dieses zu zelebrieren stellte nicht nur eine Art von Grenzüberschreitung, sondern auch Rebellion dar, insbesondere für jugendliche Zuschauer und Zuhörer. Die Liaison zwischen Rockmusik und Horrorfilm wirkt damit nur natürlich und wurde oft ausgereizt. Bereits in den 1980er-Jahren schwappte eine Welle von Horrorfilmen über die US-amerikanischen Leinwände, die Hard Rock und Heavy Metal nicht nur zelebrierten, sondern in den Mittelpunkt der Handlung stellten. Man denke hierbei an Werke wie „Hard Rock Zombies“ (1984), „Monster Dog“ (1984), „Rocktober Blood“ (1984), „Ragman – Tödliche Frequenz“ („Trick or Treat“, 1986), „Black Roses“ (1988) oder auch den unsäglich irrwitzigen Trash-Heuler „Im Angesicht der Hölle“ („Rock ’n‘ Roll Nightmare“, 1987). Es wäre übertrieben zu behaupten, dass diese Werke bereits ein eigenes Subgenre darstellen würden, auch wenn man sie gerne unter dem Sammelbegriff Metalsploitation zusammenfasst, aber der Trend zum „Heavy Metal Horror“, wenn man diesen so bezeichnen möchte, existierte zweifelsohne und schwappte auch in andere Subgenres des Horrorfilms über. Inhaltlich waren die Werke immer relativ simpel gestrickt: eine Band, die für den Erfolg einen Pakt mit dem Teufel eingeht, eine Platte, die rückwärts abgespielt Dämonen heraufbeschwört oder eben ein Tonstudio, welches von Geistern heimgesucht wird, stellte den Ausgangspunkt der Handlung dar. Zahlreiche dieser Metalsploitation-Filme gelten noch heute als kleine Kultklassiker und so verwundert es auch nicht, dass die kurzfristige Popularität bekannte Rockstars wie Alice Cooper, Gene Simmons oder Ozzy Osbourne dazu veranlasste, in tragenden Rollen aufzutreten. In gewisser Hinsicht knüpfen nun die Foo Fighters an diese Tradition wieder an. Metalsploitation ist somit zurückgekehrt. Zumindest für diesen einen Film.
Man muss keinen Hehl daraus machen, dass „Studio 666“ sich als reiner Fun-Film versteht. Niemand hätte das Werk produzieren müssen und keiner der beteiligten Personen, ob vor oder hinter der Kamera, hätte den Film benötigt. Es ist wohl ein Passionsprojekt, welches anscheinend während der Corona-Pandemie umgesetzt wurde. Dies übertrug sich nicht nur schon im wahnwitzigen Trailer, sondern man spürt es bereits von der ersten Minute an. Demnach müssen die Foo Fighters, insbesondere im englischen Original, auch nicht mit ihren Schauspielkünsten überzeugen. Sie wissen, dass sie keine Oscar®-Nominierungen erhalten werden und sie wissen, dass die Zuschauer dies auch nicht erwarten würden. Dies wird speziell beim Spiel von Gitarrist Pat Smear deutlich, der es wohl selber nicht fassen konnte, jemals die Hauptrolle in einem Horrorfilm übernehmen zu dürfen. In gewisser Hinsicht durchbricht seine Darstellung stets die vierte Wand. Man hat das Gefühl, dass besonders er sich das Lachen nur selten verkneifen konnte. Dennoch wird dies mit einer fast schon kindischen Leichtigkeit präsentiert, dass es einfach unglaublich viel Charme mit sich bringt. Auch, weil die Foo Fighters keine Scheu zeigen, sich selber durch den Kakao zu ziehen. Besonders Keyboarder Rami Jaffee, der viele komödiantische Szenen für sich beansprucht, hat keine Scheu davor, über sich selber zu lachen. Natürlich findet in der Komik immer eine Überhöhung der realen Bühnenpersönlichkeit statt. Vermeintliche Eigenschaften einzelner Bandmitglieder werden vollkommen überspitzt dargestellt. Fans der Foo Fighters werden dies vielleicht besser erkennen können und somit eine größere Freude an „Studio 666“ haben. Der Star des Films ist allerdings Frontman Dave Grohl, der seine Rolle nicht nur mit viel Hingabe spielt, sondern in dieser auch vollends aufgeht. Er ist das Fundament, auf dem die gesamte Handlung (oder eher der gesamte Film) sich stützt.
Diese ist nicht zwingend von nennenswerten Twists, einer besonderen dramaturgischen Tiefe oder großen Überraschungen geprägt, wenn man von zwei charmanten und vollkommen unerwarteten Cameos absieht. „Studio 666“ versteht sich als recht geradlinigen Horror, der schon früh erahnen lässt, wohin die Reise geht. Dadurch machen sich aber leider auch einige unnötige Längen breit, sodass sich das Werk zeitweise wie ein Extended Cut anfühlt. Manche Plot-Points wirken etwas redundant und das Finale des Films wartet mit gleich drei Höhepunkten auf. Die Laufzeit von rund 110 Minuten hätte man sicherlich etwas reduzieren, um dem Film dadurch (noch) mehr Schwung zu geben. Dennoch fällt dies nicht zu sehr ins Gewicht, da auch die wenigen Längen stets von teils grotesken Szenen und Ideen abgefangen werden und der Film auch nicht den Fehler macht, mehr sein zu wollen als er eigentlich ist. Regisseur BJ McDonnell, der vorab den Slasherstreifen „Hatchet III“ (2013) und Musikvideos für Bands wie Slayer inszenierte, ist sich seiner Limitierungen bewusst und kokettiert mit diesen auf charmante Art und Weise. Dies gilt insbesondere für die teils überraschend drastischen Splatter-Effekte, die stets mit einem Augenzwinkern präsentiert werden. Aus dem wohl doch limitierten Budget holte SFX-Magier Tony Gardner, der bereits an Kultfilmen wie „Verdammt, die Zombies kommen“ („The Return of the Living Dead“, 1985), „Aliens – Die Rückkehr“ („Aliens“, 1986) oder auch „Der Blob“ („The Blob“, 1988) mitarbeitete, alles heraus, was wohl möglich war. Freunde des Fun-Splatters und praktischer Effekte dürfen sich somit freuen. Gardner ist übrigens nicht der einzige Altmeister, der am Werk beteiligt war. Der Titelsong stammt von niemand geringerem als John Carpenter.
„Studio 666“ ist vor allem im englischen Original eine der charmantesten Horror-Comedies der letzten Jahre, die alle Eigenheiten des Metalsploitations, aber eben insbesondere auch des nicht minder eigenwilligen Alltags einer Band selbstironisch zelebriert. Wenn man das Werk (und somit die zahlreichen Insider-Gags) der Foo Fighters kennt, dürfte „Studio 666“ sogar noch mehr unterhalten. Auch wenn der Film gewisse unnötige Längen besitzt und das eigentliche Finale hinauszögert, spürt man in jeder Szene die Liebe und Hingabe der Band zum Horrorgenre. „Studio 666“ ist vieles. Ein wilder Genremix, ein Metalsploitation-Streifen, eine Hommage an den Horrorfilm der 1980er-Jahre, eine Parodie auf das alltägliche Bandleben, sicherlich auch eine Comedy über das Musikgeschäft, aber vor allem eines: Ein Film von und für Fans.
‐ Markus Haage
Werbung |