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Tanz der Teufel (USA, 1981)

verfasst am 11.Februar 2001 von Markus Haage

„Ich habe die dunklen Schatten im Wald gesehen. Und ich glaube, was immer ich hinauf beschwören habe, mich holen wird.“

Yo, ein Klassiker.

(© CMV Laservision)

Eine kreischende Stimme ertönt aus einer abgelegenen Waldhütte. Sie ächzt „Du kannst uns nicht entkommen! Du kannst uns nicht entkommen!“ Was für Hauptdarsteller Bruce Campbell filmische Realität war, galt auch für den Film selber in dem eine Gruppe Teenager, abgeschnitten von der Außenwelt,  sich gegen das unbeschreibliche Böse durchsetzen musste. Nur kam es hier nicht aus dem Munde dämonischer Weiber sondern von selbsternannten deutschen Sittenwächtern. Für mich prinzipiell  dasselbe. Die eine Gruppe stellt sich einem  jedoch wenigstens direkt entgegen, die andere verschanzt sich hinter Paragraphen, Gerichten und veralteten Moralvorstellungen…

(© CMV Laservision)
(© CMV Laservision)

Irgendwo in Tennessee, Anfang der 80er Jahre. Ein hübsches College-Girl in knappen Höschen rennt schreiend durch den Forst, verfolgt von dem unbeschreiblichen Bösen. Bevor sie jedoch ihr vermeintliches Heil in einer abgelegenen Waldhütte suchen kann, wird sie gegen ihren Willen vom umgebenen Gestrüpp in die Begattungsstarre befördert. Währendessen in der Hütte bekommt ihre Freundin ihren Schädel gespalten, und ihr Lebensabschnittsgefährte das Gesicht zerfetzt. Jetzt steht er alleine da: Ash, Einzelhandelskaufmann und Pausbacke. Eigentlich wollte er seiner Freundin einen Heiratsantrag machen, jetzt fliegt sie durch den Raum und will ihn umbringen. Bewaffnet mit einer Axt und abgeschnitten von der Außenwelt muss er sich gegen die Mächte des Necronomicons, das Buch des Bösen, durchsetzen, welches nicht nur seine Freunde in seelenlose Dämonen verwandelte, sondern Inbegriff allen Dunkels ist. Nachdem selbst der Wald um ihn herum nach seinen Leben trachtet und jegliche Fluchtmöglichkeit vom unbeschreiblichen Bösen verhindert wurde, entscheidet er sich den Dämonen zu stellen. Mit Axt und Bleistift.

(© CMV Laservision)
(© CMV Laservision)

Sam Raimis Independenthorror aus dem Jahre 1981 ist strenggenommen nicht mehr als ein Amateurfilm. Was heute als Kultklassiker angesehen wird, war 1981 lediglich der mehrjährige Versuch eines 21-jährigen Filmliebhabers auf sich aufmerksam zu machen. Eine Visitenkarte zu hinterlegen, die ihm größere Produktionen ermöglichen und ihm somit einen Fuß in die Tür Hollywoods setzen würde. Bereits 1978 – mit gerade einmal 18 Jahren – drehte Sam Raimi eine Version von „The Evil Dead“. Unter dem Titel „Within the Woods“ durften sich seine Freunde vor einer 8mm-Kamera durch das Laub wälzen und ihre schmerzverzerrten Gesichter in die Kamera drücken. Als Zutaten versah Raimi den Kurzfilm mit Schreckensschreien, Tiergedärmen und Latexmilch. Dies reichte aus um als Anschauungsfilm Sponsoren zu finden, die bereit waren 8.000 Dollar bereitzustellen, damit Raimi in den Wäldern Tennessees seinen „Within the Woods“  neudrehen konnte. „Within the Woods“ selber durfte allerdings aus urheberrechtlichen Gründen nie veröffentlicht werden, da Raimi nicht lizensierte Musik verwand. Dies ist die offizielle Stellungnahme. Inoffiziell bestätigte Hauptdarsteller Bruce Campbell allerdings mehrmals, dass Raimi sein Erstlingswerk für zu amteurhaft halten würde, um es zu veröffentlichen. Mittlerweile ist eine Kopie des Films im Umlauf – allerdings ohne Ton und nur als abgefilmte Version einer alten 8mm-Aufführung.

(© Renaissance Pictures)
(© Renaissance Pictures)

Als das überschaubare Budget zusammengekratzt wurde, fehlten dem Drehteam um Raimi nur noch zwei weibliche Darsteller. Mit 8 Kumpels – als Cast und Crew in Personalunion – dauerte es nicht mehr als 2 Wochen bis die Schockermär vom unbeschreiblichen Bösen im Kasten war. Natürlich verlief der Dreh nicht vollkommen reibungslos. Bruce Campbell beschrieb die Zeit in seiner Autobiographie „If Chins could kill“ (in jedem gutsortieren Buchhandel erhältlich) wie folgt…

„November 14. The race began: Right from the get go, filming was a comedy of errors, or terrors, if you will. Within minutes of leaving for the first location, an abandoned bridge, the production van got lost and we spent a half hour trying to locate it. No sooner had we found it than Sam [Raimi] drove his classic into a ditch and we had to get a tow truck to haul it out. The next location was an isloated dirt road. Sam felt that a high, wide would be best. […] We just hopped the fence and set up the camera. Things were going pretty well, until Josh spotted a large bull glaring at us. Sam [Raimi] got it in a hurry and was chased about a hundred yards by the angry bovine. A cliff was next. About two hours later, Brother Don, scouting for an additional vantage point, lost his footing and tumbled headfirst off a nearby cliff. Apparently he was well enough to get up under his own power, but he was taken to the hospital for some tests.
Other than that, day one was very productive.“
– Bruce Campbell, If Chins could kill

Bei der Umsetzung des teils recht anspruchsvollen Drehbuchs wurden sämtliche Effekte von der Crew entwickelt. Hierzu setze man sich für die ausgedehnten Kamerafahrten einfach auf ein Moped, der Ton wurde erst gar nicht vor Ort aufgenommen (so sparte man viel Zeit und Geld für den eigentlichen Dreh). Die subjektive Kamerafahrt des unbeschreiblichen Bösen durch die Fenster der Hütte wurde mit Hilfe eines Besens umgesetzt (der einfach die Fensterscheibe zerschlug, kurz bevor die Kamera durchgleitete), die bessesene (schwebende) Ellie Sandweis mit Hilfe einer Hebetechnik von Außen durch den Raum geliftet.

(© Renaissance Pictures)
(© Renaissance Pictures)

Da der Hauptdrehort, die verlassene Waldhütte, auch tatsächlich eben eine verlassene Waldhütte war, konnte das Drehteam sie nach eigen Gutdünken für den Dreh umbauen – der Nachteil war allerdings, dass keinerlei fließendes Wasser oder gar Elektrizität vorhanden war. So musste weiteres Geld in Stromgeneratoren gepumpt wurden (da eh ohne Ton gedreht wurde, hätte neben dem Dreh auch eine Blaskapelle spielen können). Den Darstellern wurde die Wasserknappheit erst gar nicht offenbart, so dass man nach dem Auftragen des Make-Ups und Kunstbluts sie einfach vor vollendete Tatsachen setzte.

(© Renaissance Pictures)
(© Renaissance Pictures)

Der Dreh dauerte länger als eigentlich geplant und wurde erst am 23.Januar 1981 beendet. Der anfängliche Erfolg war verhalten, erst nach mehreren Festivals erkannte das amerikanische Publikum die Qualitäten des Films, im Gegensatz zu Deutschland, denn hier durfte das Publikum den Film in seiner voller Länge kaum begutachten. „Tanz der Teufel“ ist heutzutage ein Synomyn für die Zensurwut des deutschen Staates. Insgesamt wurde der Film in seinen verschiedenen Schnittfassungen mehrmals indiziert und beschlagnahmt. Bedeutet: die öffentliche Verbreitung und Bewerbung ist untersagt und wird strafrechtlich verfolgt. Wer dies trotzdem tut, kann für die Verbreitung von gewaltverherrlichenden Medien hinter Gittern wandern. Was sich absurd anhört, ist leider kein schlechter Scherz, sondern Realität. Raimis Horrorspaß in dem letztlich College-Kids eingefärbter Kartoffelpüree aus den Ärmeln kleckert, verstößt nach dem Amtsgericht Tiergarten gegen die Menschenwürde. Dies kämpfte der ehemalige deutsche Verleih des Films, Prokino, an – und ging sogar bis vor das Bundesverfassungsgericht – doch konnte sich gegen den harten Arm des Gesetzes nicht durchsetzen. Selbst eine rechtliche Definitionsdebatte stieß der Film los, als sein Verleiher sich mit Händen und Füßen gegen das Verbotsverfahren mit der Begründung wehrte, dass die Menschen in dem Film eben keine Menschen mehr seien sondern Zombies. Unterliegen Zombies nun der Menschenwürde? Sie tun es. Laut gerichtlichen Beschluß erfüllen alle Schnittfassungen (mit Ausnahme einer FSK 16-Version) von „Tanz der Teufel“, die unter hohem Kostenaufwand von den jeweiligen Verleihern und Vertrieben über die Jahre hergestellt wurden, den Strafbestand des Paragraphen 131 oder stellen zumindest eine Jugendgefährdung dar – sind somit entweder indiziert oder beschlagnahmt. Natürlich darf jeder deutsche Bundesbürger den Film besitzen und so oft schauen wie er mag. Die Mär, dass eine Beschlagnahmung ein generelles Verbot ist, stimmt natürlich nicht. Der Staat darf keine Filme verbieten, sonst wäre es Zensur – und eine Zensur existiert laut Grundgesetz ja nicht. Ein juristischer Kniff. Oder Farce. Abhängig vom Standpunkt. Dennoch bedeutet die Indizierung und in diesem Fall auch Beschlagnahmung, dass der Film de facto nicht existiert, da er eben öffentlich nicht beworben werden darf. Somit wird dadurch nicht nur die unabhängig Berichterstattung eines Kunstwerkes behindert, sondern der Zugang zu einen der wichtigsten Klassikern des modernen amerikanischen Independent-Horrorkinos erheblich erschwert.

(© CMV Laservision)
(© CMV Laservision)

Die immer wiederkehrende Beschlagnahmung von den verschiedenen Schnittfassungen des Films, hat ihn somit zumindest in Deutschland auch einen ganz besonderen Ruf eingebracht. In den 90ern sprach man nur vom ominösen „Tanz der Teufel“ – der Film selber wurde als ranzige VHS-Kopie unter der Hand weitergereicht. Heutzutage stellt es keine große Schwierigkeit mehr da, den Film nicht nur zu sehen, sondern auch sein Eigen zu nennen (allerdings nicht, wie es in einer freien und modernen Gesellschaft eben sein sollte). Mehrere DVD-Fassungen (nur über Österreich erhältlich) sind mittlerweile erschienen und der Film steht in den Verkauscharts von Importhändlern – trotz seines Alters – immer ganz weit oben. Und auch hier können wir eine weitere Justiz-Mär klären: der Kauf des Films im Ausland, so z.B. Österreich, ist ebenfalls nicht verboten. Nur eben der Import – über den Postweg. Eine weitere Farce, die die Beschlagnahmung noch absurder wirken lässt.

Nicht nur in Deutschland sorgte der Film für Furore. In dem für Gewaltdarstellungen recht liberalen Land USA lief der Streifen lange Zeit ohne ein MPAA-Rating (quasi die amerikanische FSK) – erst in den 90er Jahren gab man ihm ein NC-17, welches in der Regel nur an Pornos vergeben wird. In Finnland wurde der Film ebenfalls verboten, in Großbritannien galt dies nur für die ungeschnittene Fassung. Mittlerweile ist der Film in beiden Ländern offiziell und ungeschnitten erhältlich.

Was Saim Raimi mit „Tanz der Teufel“ schuf, sucht bis heute im Amateurfilm-Bereich seinesgleichen. Über die Jahre versuchten viele junge Nachwuchsregisseuere den Erfolg nachzueifern – einge schafften es, sowie Peter Jackson mit „Bad Taste“, Kevin Smith mit „Clerks“  oder Robert Rodriguez mit „El Mariachi“, viele scheiteren allerdings. Aber auch hier schaffte es nur genannter Rodriguez aus seinem Amateuer-Erstlingswerk mit den Nachfolgefilmen „Desperado“ und „Once upon a time in Mexico“ eine eigene Filmreihe zu schmieden. Bei „Tanz der Teufel“ wurden aber nicht nur mehr zwei Filme nachgeliefert, sondern auch noch eine eigenständige Comic- und Videospielreihe. Und als ob das noch nicht genug wäre, tourt seit mehreren Jahren ein „Tanz der Teufel“-Musical durch die Staaten, welches bald seinen Weg auf den Broadway und – mag man den Gerüchten glauben – auch auf die Leinwand finden wird. Die deutsche Justiz wird dies mit Sicherheit mit Interesse verfolgen.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!