Das ewige Leiden des jungen Bruce: Gothams dunkler Ritter kehrt erneut zurück, um den Verbrechern der Stadt das Fürchten zu lehren. Innerhalb der letzten siebzehn Jahre stellt „The Batman“ die mittlerweile achte Interpretation der Welt des Caped Crusaders dar und besinnt sich hierbei erstmalig auf die Wurzeln des Helden als „world’s greatest detective“ zurück. Herausgekommen ist ein bildgewaltiges Epos voller brodelnder Wut auf die Welt, wie sie ist und zu was sie uns gemacht hat.
Offizielle Synopsis: Seit zwei Jahren schon durchstreift Bruce Wayne als Batman (Robert Pattinson) die dunklen Straßen von Gotham City. Mit Alfred Pennyworth (Andy Serkis) und Lieutenant James Gordon (Jeffrey Wright) als einzigem Vertrauten inmitten eines korrupten Netzwerks von Beamten und hochrangigen Persönlichkeiten hat sich der einsame Rächer unter seinen Mitbürgern als alleinige Instanz der Vergeltung etabliert. Als ein Killer die Elite Gothams mit einer Reihe sadistischer Anschläge ins Visier nimmt, führt eine Spur kryptischer Hinweise den besten Detektiv der Welt tief in den Untergrund.
Als Tim Burtons „Batman“ im Sommer 1989 in den US-amerikanischen Kinos startete, entwickelte sich die Comicverfilmung zum erfolgreichsten Film des Jahres. Eine regelrechte Bat-Mania schwappte über das Land, dass die Umsatzzahlen im Merchandise-Bereich in ungeahnte Höhen trieb. Einen solchen Hype kannte man wohl seit dem Release von „Krieg der Sterne“ („Star Wars“, 1977) nicht mehr. Der Erfolg des Films war auch deswegen so überraschend, weil es de facto erst die zweite wirklich seriöse Big-Budget-Adaption eines klassischen Superhelden von einem Majorstudio für die große Leinwand darstellte. Und abermals waren es DC Comics und Warner Bros. denen dies nach Richard Donners „Superman – Der Film“ („Superman“, 1978) gelang. Es folgten drei Fortsetzungen, von denen die letzte, „Batman & Robin“ (1997) mit George Clooney in der Hauptrolle, als einer der legendärsten Flops der Filmgeschichte gilt. Nicht nur kommerziell, sondern auch künstlerisch. Im Gegensatz zu Burton verwandelte Regisseur Joel Schuhmacher den Großstadt-Moloch Gotham City in eine in Neonfarben getränkte Spielwiese. Warner zog danach den Stecker und schickte den Caped Crusader vorerst in den Ruhestand. Doch das Superhelden-Genre nahm Fahrt auf. Mit Bryan Singers „X-Men“ (2000) oder Sam Raimis „Spider-Man“ (2002) konnte Marvel in Zusammenarbeit unterschiedlicher Major-Studios gleich mehrere Franchises erfolgreich etablieren. 2008 folgte mit „Iron Man“ und „Der unglaubliche Hulk“ („The Incredible Hulk“) der Anbeginn des sogenannten Marvel Cinematic Universe. Eine global erfolgreiche Superhelden-Saga, die mittlerweile mehr als 28 Filme und 22 TV-Serien umfasst. Superhelden-Verfilmungen stellen somit keinerlei Ausnahme mehr dar, sondern eher die absolute Norm. Dies gilt auch für Batman, dem Rächer von Gotham City. Das Gefühl der Einzigartigkeit und Besonderheit, die „Batman“ noch anno 1989 ausstrahlte, ist vollkommen verflogen.
Mittlerweile ist es sogar so, dass Batmans Welt Gotham City – obwohl eines der großen Aushängeschilder des DC-Universums – seit der Jahrtausendwende bereits in zahlreichen unterschiedlichen Adaptionen für die Leinwand und den Fernsehschirm dargestellt wurde. Zeitweise wurden nur in den letzten zehn Jahren mit den Serien „Gotham“ (2014–2019), „Titans“ (2018–), „Pennyworth“ (2019–), „Batwoman“ (2019–) und den Kinofilmen „The Dark Knight Rises“ (2011), „Batman V Superman: Dawn of Justice“ (2016) und „Joker“ (2019) sieben teils vollkommen unterschiedliche Interpretationen derselben Welt, bei denen es keinerlei inhaltliche Verbindung untereinander gab, gleichzeitig präsentiert. Und hierbei sind nicht einmal die Zeichentrick-Adaptionen als auch die Spin-Offs, wie „Suicide Squad“ (2016), „Justice League“ (2017), „Zack Snyders Justice League“ (2021) oder „Birds of Prey: The Emancipation of Harley Quinn“ („Birds of Prey and the Fantabulous Emancipation of One Harley Quinn“, 2020), erwähnt. Alle Werken stellen Bruce Wayne in den Vordergrund oder referenzieren natürlich dessen Alter Ego Batman und seine Welt. In „Gotham“ und „Joker“ (2019) begegnet uns der dunkle Ritter noch vor seiner eigentlichen Geburtsstunde (im Fokus der Handlung der Serie und des Films stehen Batmans engster Verbündeter und sein größter Feind), in „Pennyworth“ konzentriert man sich wiederum auf die jungen Jahre des Butlers Alfred Pennyworth (hier noch im Dienste ihrer Majestät). „Batwoman“ hingegen zeigt uns einen Batman in Rente, während „Titans“ auf den Helden wortwörtlich „scheißt“. In der Pilotepisode, die im Netz für ein gewisses Aufsehen sorgte, emanzipiert sich Robin (Curran Walters) vom dunklen Ritter mit den Worten „Fuck Batman.“, nachdem er in einer überraschend brutalen Gassenschlacht mehrere Übeltäter niedergestreckt hatte. Batman wurde so zu einer Randfigur, einer mythologischen Ikone, die Welt von Gotham City als Schauplatz und dessen zahlreiche Nebenfiguren hingegen zu den Hauptdarstellern.
Das Jahr 2022 wird dies wieder ändern. Nachdem das sogenannte DC Extended Universe (fortan: DCEU) unter der Führung vom visionären Filmemacher Zack Snyder als gescheitert gilt und Ben Affleck als dunkler Ritter zurücktreten wird, soll mit der Verfilmung „The Flash“ (2022) nicht nur das Multiversum im DCEU etabliert werden – sicherlich auch, um so manche kreative Fehlentscheidung auszumerzen und eine Kurskorrektur vorzunehmen –, sondern alte Flattermänner aus der Rente holen: Michael Keaton aus Burtons Batman-Filmen wird als Mentor zurückkehren. Dies sorgt nicht nur für Aufmerksamkeit, sondern verschafft auch ein wohliges Gefühl der Nostalgie auf vergangenen Zeiten, als Batman noch einmalig war. Doch in der Vergangenheit haften bleiben möchte man wiederum auch nicht. Unter der Regie von Matt Reeves wird nun mit „The Batman“ (2022) als Gegenstück abermals eine neue, junge, aber nicht minder leidgeplagte Variante etabliert. Es besteht keinerlei Verbindung zu den bisherigen Werken. Dank des Multiversums muss es dies auch nicht. Und so darf der Zuschauer erneut in ein anderes, aber natürlich vertraut wirkendes Gotham City reisen, um dem jungen Bruce Wayne (Robert Pattinson) erneut bei seiner persönlichen Therapiestunde, der Bekämpfung des Verbrechens und seiner eigenen Dämonen, zuzusehen. Das ewige Leid des jungen Bruce Wayne stets neu interpretiert.
„The Batman“ verschwendet keinerlei Zeit. Waren vorangegangene Interpretationen stets darum bemüht, die Geburtsstunde des dunklen Ritters, die Ermordung von Bruce Waynes Eltern, teils explizit darzustellen, verzichtet Matt Reeves’ Interpretation vollends darauf. Die Geschichte ist bereits erzählt. Reeves will uns keine neue Origin-Story präsentieren, sondern setzt die Welt von Gotham City als vollends bekannt voraus. Dies ermöglicht es dem Film ohne Umschweife in das eigentliche Geschehen einzusteigen und in eine Welt abzusteigen, in der sich alles stets im Zwielicht befindet. Gotham City ist abermals eine Stadt, die kurz vor dem Untergang steht. Korruption ist weit verbreitet, die Zivil-Gesellschaft nicht mehr existent. Ein Mörder, der sich den Namen Riddler gibt, terrorisiert das Establishment, indem er sukzessive bekannte Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung medienwirksam hinrichten lässt. Dies schreckt alle Seiten auf, die (vermeintlich) Guten als auch die (vermeintlich) Bösen, deren Machenschaften eng miteinander verknüpft sind. Jeder scheint korrupt zu sein oder steht der Korruption hoffnungslos gegenüber. Mit dem Riddler schafft Reeves einen vielschichtigen Schurken, dessen Taten grausam, aber begründet sind. Eine Wut auf die Welt und wie sie erschaffen wurde und weiter am Leben gehalten wird, manifestiert sich im Antagonisten, der letztlich den Anspruch besitzt, diese Welt niederzubrennen, um eine neue zu errichten. In dieser Herangehensweise steckt eine gewisse brutale Ehrlichkeit, die man aus vorangegangenen Interpretationen nicht kannte. Der Zuschauer realisiert dies natürlich nicht sofort, auch wenn er schnell erahnt, dass sich im Riddler das ganze Leid einer Gesellschaft manifestiert. Schritt für Schritt, mit jedem weiteren Mord, erfährt der Zuschauer mehr über dessen Motivation. Ein Geflecht aus Lügen, auf der sich die Stadt aufbaut, wird gewaltsam und unter den Augen der Öffentlichkeit aufgelöst, sodass niemand mehr behaupten könnte, er hätte von nichts gewusst. Nach „Joker“ stellt „The Batman“ inhaltlich damit wohl die erwachsenste und komplexeste Interpretation des Stoffes für die Leinwand dar. Auch, weil Matt Reeves es sich traut, die Hauptfigur so konsequent darzustellen, wie sie geboren wurde, nämlich als ein Produkt der Gewalt.
Superman war stets ein Produkt der Liebe, Batman wiederum ein Produkt der Gewalt. Der Tod seiner Eltern erschuf ihn und dies spiegelt sich bereits in allen Einstellungen der Eröffnung wider. Ein brodelnder Moloch wird uns präsentiert, in dem Batman bereits seit zwei Jahren versucht für Vergeltung zu sorgen. Sobald er aus den Schatten heraustritt, rollt er unaufhaltsam und brutal auf seine Gegner zu. Dieser Batman ist eine verlorene Seele, die selber gerettet werden muss und steht damit in einem totalen Kontrast zu allen vorherigen Interpretationen. Er lebt sprichwörtlich in der Dunkelheit, besitzt nicht einmal das Interesse eine falsche Identität als Bruce Wayne aufzubauen. Wayne ist schlichtweg nicht mehr existent. Das Alter Ego Batman hat ihn vollends eingenommen und wenn dieser nachts in Erscheinung tritt, kennt er keinerlei Gnade mehr. Es ist keine gewagte Neuausrichtung, sondern schlichtweg eine einzige logische Konsequenz. Als Teil der Handlung muss Batman realisieren, dass seine Identität Teil einer Lüge ist. Das selbst auferlegte Schicksal, Vergeltung zu verbreiten, ist letztlich auch ein Produkt der Lügen, auf denen Gotham City aufgebaut wurde und die der Riddler zum Einsturz bringen wird. Mit dem Ende des Films wird ein Neuanfang gewagt, der nicht nur die Stadt, sondern auch diesen Batman neu definieren wird. Dass man ihn noch braucht, deutet eine in sich geschlossene Szene zum Finale bereits an, die selbstredend keinen anderen Schluss zu lassen wird, als dass bei kommerziellem Erfolg es weitere Filme geben wird. Eine eigene Streaming-Serie als Spin-Off über das Gotham City Police Department soll bereits in Planung sein.
Inhaltlich greift „The Batman“ zahlreiche Elemente seiner Vorgänger auf. Gotham City erinnert in Teilen an Christopher Nolans Vision aus „Batman begins“ (2005), Wayne Manor hingegen an Tim Burtons Interpretation. Der Riddler (Paul Deno) besitzt Züge von Joaquin Phoenix‘ brillanter Version des Jokers; in gewisser Hinsicht begleitet den Zuschauer stets ein gewisses Déjà-vu. Dies liegt aber wohl schlichtweg in der simplen Tatsache begründet, dass das Werk letztlich natürlich dieselbe Welt und ihre Charaktere wie die zahlreichen Vorgänger referenzieren muss. Diese unterwirft den Film aber einem harten Realismus, der sich zeitweise von den ursprünglichen Comic-Wurzeln weit entfernt. Batman ist eben über die Jahrzehnte vielfältig interpretiert wurden und mittlerweile weitaus mehr als nur eine Comicfigur. Ein Gros der Zuschauer dürfte vielleicht sogar die Vorlagen schon gar nicht mehr kennen. Für dieses Massenpublikum – und dies ist nicht despektierlich gemeint – bietet der Film als Eventstreifen opulente Actionszenen an, die inhaltlich übrigens weitestgehend unnötig sind. Besonders das großangelegte Finale wirkt zum Rest des Films etwas angehängt. „The Batman“ hätte auch hervorragend ohne die Action-Setpieces funktioniert. Insbesondere da man sich auf eine bestimmte Eigenschaft des dunklen Ritters konzentriert, die in vorangegangenen Werken immer etwas zu kurz kam. Fast schon vergessen ist, dass eines von Batmans vielen Pseudonymen auch „world’s greatest detective“ ist. Die Nachforschungen über seine jeweiligen Widersacher wurde zwar in allen Filmen präsentiert, oftmals handelt es sich hierbei aber lediglich um bestimmte Clous, die Plot-Points auslösen oder den Zuschauer subtil aus dramaturgischen Zwecken die möglichen kommenden Konsequenzen der Handlung besser vermitteln sollten. In „The Batman“ steht ein Antagonist im Vordergrund, der den Protagonisten und somit auch den Zuschauer aktiv in die Verfolgung mit einbindet und die Story durch seine Rätsel eskalieren lässt. So ist „The Batman“ ein Action-Epos und Kriminalfilm zugleich, auch wenn sich dies manchmal etwas beißt. Die werbewirksame und in Trailern zelebrierte Verfolgungsjagd zwischen Batman und dem Pinguin (Colin Farrell), die nicht nur visuell, sondern auch auditiv ein Highlight darstellt, hätte das Werk dramaturgisch nicht einmal benötigt. Die eigentliche Handlung besitzt bereits genug inhaltlichen Zündstoff. „The Batman“ ist nach „Joker“ wohl mit Abstand die anspruchsvollste Interpretation der Comicvorlage.
„The Batman“ ist ein egozentrischer Film, der sich nicht viel um die Menschen in seiner Welt schert, sondern stets auf die Titelfigur und die ihr umkreisenden Figuren fokussiert ist. Dieses rächt sich etwas zum großen Finale, wenn man dann doch auf eine Art von Blockbuster-Ende setzt und die Opfer, die eingefordert werden, kaum Empathie beim Zuschauer hervorrufen. Aus dramaturgischer Sicht hätte man bei einer epochalen Lauflänge von fast drei Stunden den Menschen der verlorenen Stadt – und quasi dem Reinwaschen all ihrer Schuld – mehr Tribut zollen sollen. Auch, weil das Werk sich die unnötige Mühe macht und sich zum Ende hin noch die Zeit nimmt, mit einer in sich geschlossenen Szene, die keinerlei Mehrwert für den vorliegen Film bietet, eine Fortsetzung ausdrücklich anzuteasen. Im Hinblick auf das Gesamtwerk sind dies allerdings nur kleine Mankos, die letztlich nicht zu sehr ins Gewicht fallen, sondern eher als eine Art von verpasster Chance zu werten sind.
Mit „The Batman“ erschuf Regisseur Matt Reeves ein bildgewaltiges Epos, das zu den Ursprüngen des Charakters in einem hyperrealistischen, brutal-ehrlichen Setting zurückkehrt und uns eine Welt dermaßen voller Korruption präsentiert, dass sie das Böse braucht, um sich von diesem Bösen zu befreien. Es ist inhaltlich eine in Teilen nihilistische Adaption, die von der ersten Sekunde an in perfekt inszenierten Bildern drei Stunden lang vorprescht und sich traut, die Welt von Gotham City in den eigenen Abgrund blicken zu lassen. Ein Abgrund, der nicht packender hätte inszeniert werden können und auch aufgrund seines Action-Bombasts für das Kino bestimmt ist. Nicht nur visuell, sondern auch Dank des brillanten Scores von Michael Giacchino auditiv. Damit hebt sich „The Batman“ inhaltlich, stilistisch und inszenatorisch vollkommen vom derzeit gängigen Blockbuster-Kino des Superhelden-Genres ab. Während „Joker“ noch als Independent-Experiment konzipiert war, traut sich Warner Bros. nun für ihren bedeutendsten Comic-Charakter radikal neue Wege einzuschlagen. Ein Film voller brodelnder Wut, aber auch Euphorie für die große Leinwand.
‐ Markus Haage
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