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„The First Purge“ (USA, 2018)

verfasst am 26.Juli 2018 von Markus Haage

(© Universal Pictures)

Es darf wieder gesäubert werden. Nachdem man in den vorangegangenen Teilen die sogenannte Säuberung auf ihrem Höhepunkt zeigte, geht man nun in die Vergangenheit zurück und präsentiert mit „The First Purge“ den Anbeginn des neuen Amerikas, der sich inszenatorisch aber kaum von den alten Filmen unterscheidet.

Die Purge-Serie, die im Grunde 2013 mit „The Purge – Die Säuberung“ als kleiner Independent-Film startete, geht mit „The First Purge“ nun bereits in die vierte Runde. Die erste Staffel einer TV-Serie ist ebenfalls schon in Produktion. Führt man sich den ersten Film noch einmal vor Augen, so überrascht es doch, dass aus der dort aufgezeigten Prämisse soviele Ableger entstehen konnte. Denn Teil 1 zeigte sich noch im Gewand eines regulären Home-Invasion-Thrillers, der die Purge nur als Aufhänger nahm. Dies war wohl auch der größte Kritikpunkt, den auch die Produzenten wahrnahmen. Bereits Teil 2, „The Purge: Anarchy“ (2014), verlegte die Story dann in die Großstadt, entpuppte sich aber in erster Linie als reiner Actioner mit gesellschaftskritischen Elementen und Verweisen. „The Purge: Election Year“ (2016) ging dann bereits etwas mutiger vor, und nahm den reißerischen US-Wahlkampf als Anlass, um politisch eine recht eindeutige Position zu beziehen. Mit „The First Purge“ geht man nun einen Schritt zurück, und zwar ganz an den Anfang, zur ersten Säuberung. Und wie der Vorgänger, der das Ende der Purge im Grunde beschrieb, geht auch dieses Prequel nicht besonders subtil mit der Säuberung um.

Die Säuberung als Event. Karneval der Grausamkeiten.
(© Universal Pictures)

Bereits von Anfang an ist deutlich, wer die Purge initiiert und maßgeblich vorantreibt. Bereits der Vorgänger machte hieraus keinerlei Hehl. Es ist eine Oberschicht aus reichen, alten, weißen Männern, die die Purge nutzen wollen, um die verarmte, vor allem multi-ethnische Bevölkerung im Zaun zu halten. Selbstredend liegt in dieser sehr vereinfachten aber gleichzeitig überhöhten Darstellungsweise viel Wahrheit. Schaut man sich das Mächteverhältnis in den Vereinigten Staaten von Amerika an, so kommt man nicht drumherum, zuzugeben, dass eben der Reichtum und Wohlstand und damit auch eng verknüpft die Chancen eines gesellschaftlichen Aufstiegs und der politischen Einflussnahme auch eng mit der eigenen Ethnie verbunden sind. Auch wenn dies in den letzten zwanzig Jahren stark aufgebrochen wurde, ist es eben immer noch spürbar vorhanden. Diese Darstellung der Purge-Reihe mag auf den ersten Blick ein überzogenes und reines Schwarz/Weiß-Denken suggerieren, die Purge-Reihe ist allerdings weitaus differenzierter und politisch unkorrekter als man es auf den ersten Blick glauben mag.

Denn auch die Seite der Armen, vor allem bestehend aus Afro-Amerikanern und Hispanics, frönt ihrer Gewaltobsession. Nicht unkritisch werden gewaltverherrlichende Subkulturen zitiert. Natürlich gibt man sich auch hier gewissen Klischees hin, aber auch diese haben eben ihre Wurzeln tief in der Realität. Jugendgangs, Waffenfetisch, menschenverachtender Rap, falsche Vorbilder. Die Faszination beispielsweise für Waffen findet sich in vielen Teilen der US-Gesellschaft wieder. Nicht nur auf den berühmt-berüchtigten Waffenmessen im weiß-christlichen Heartland, sondern auch auf den Plattencovern von afroamerikanischen Rap-Künstlern aus der Großstadt. All dies wird in der Serie verarbeitet und auch „The First Purge“ nimmt sich hier nicht zurück. Dies haben bereits die Vorgänger recht elegant getan, indem sie unterschiedliche Charaktere aus allen Gesellschaftsschichten darstellten. Die Gleichgültigkeit der weißen, wohlstandsverwahrlosten Mittelschichts-Familie wird im ersten Teil genauso auf die Probe gestellt, wie das teils selbstgerechte Selbstverständnis der politischen Gegenbewegungen zur Purge, die eigene politische und gesellschaftliche Absichten inne hat, die sich mit einer freien und gerechten Gesellschaft nicht zwingend vereinigen lassen. Im Zentrum der Purge-Reihe stehen dann auch so oft ausgleichende Charaktere am Rande, die keinem Extrem zugehörig sind, sich aber in dieser Welt der Extreme zurechtfinden müssen. Sie müssen Entscheidungen, die oftmals gegen ihr eigenes Wertesystem und Selbstverständnis verstoßen, treffen. Um die Purge zu überleben, müssen sie selber purgen. Sie haben gar keine andere Wahl. Diese Zerrissenheit gibt ein interessantes Bild der heutigen westlichen Gesellschaften wieder, die dank einer transparenten Informations- und vor allem Kommunikationskultur tief in ihrem innersten Mark erschüttert werden. „The First Purge“ spiegelt all dies wieder, gerade weil es diese Klischees und Vorurteilen wie die Vorgänger überhöht darstellt. Einem reißerischen B-Movie, der natürlich auch durch Gewaltdarstellungen die Massen in die Kinos locken will, lässt man dies durchgehen. Das erlaubt den Machern eine weitaus größere Ehrlichkeit mit vielen gesellschaftspolitischen Themen, die gemeinhin als Minenfeld gelten, umzugehen. Und es zeigt natürlich auch gleichzeitig eine gewisse Heuchelei aufseiten des Zuschauers auf. Wir wollen die Purge-Filme sehen, weil wir die Purge sehen wollen. Mit „The First Purge“ legen die Macher zum großen Finale den Finger in die vielen offen Wunden der US-Gesellschaft. Es ist ein durchweg amerikanischer Film, auch wenn es zahlreiche Parallelen zu den westeuropäischen Gesellschaften gibt. So verwundert es auch nicht, dass das erste Teaser-Poster zum Film nur eine rote Baseballkappe zeigte, die den Titel des Films in weißen Lettern trug. Es ist keine bloße Provokation. Es ist natürlich ein Statement.

Erstes Opfer der Purge: Die Armen. Wohl auch das Hauptziel.
(© Universal Pictures)

Inszenatorisch steht der Film seinen Vorgängern in nichts nach, auch wenn James DeMonaco, der Schöpfer der Serie, erstmalig nicht mehr auf dem Regiestuhl sitzt, sondern „nur“ das Drehbuch beisteuert. Sein Nachfolger Gerard McMurray bedient sich extrem des visuellen Stils der ersten Filme. Er zelebriert die Handheld-Kamera, die durch die neon-getauchte Nacht zwischen brennenden Autowracks und politischen Graffitis schwenkt. Dadurch reiht sich „The First Purge“ zumindest visuell nahtlos in die Filmreihe ein, schafft es aber nicht eigenständig herauszustechen. Schade. Denn die Purge-Reihe war geradezu dazu prädestiniert von unterschiedlichen Künstlern interpretiert zu werden. So kann man der Reihe sicherlich auch eine gewisse visuelle Eintönigkeit vorwerfen. Nicht weil sie nicht kreativ ist, sondern in ihrer Kreativität leider auch recht redundant sein kann. Es bleibt zu hoffen, dass die kommende TV-Serie diesbezüglich mutiger agiert.

„The First Purge“ bietet für Fans der Reihe einen befriedigenden Abschluss, der noch einmal teils sehr vereinfacht und auch überzogen zugleich aktuelle gesellschaftspolitische Themen aus dem Kontext reißt und in einer teils gewollt zynischen Bilderorgie – einem inszenatorisch regelrechten Karneval der Gewalttätigkeiten – auf den Zuschauer niederprasseln lässt. Nicht immer kreativ, aber oft pointiert und politisch teils überraschend unkorrekt. Natürlich taugt auch „The First Purge“ als in erster Linie exploitativer Actioner nicht dazu, tiefsinnige Debatten um Moral, Ethik, Ethnie, Politik und/oder Kultur zu führen, aber als funkelnde Leuchtreklame für die Massen eben doch darauf hinzuweisen, dass es bei bestimmten Themen einer Debatte bedarf.

Markus Haage

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Mein Name ist Markus Haage, Chefredakteur und Herausgeber vom Neon Zombie-Magazin. Es gibt nicht sonderlich viel spektakuläres über mich zu erzählen. Ich führe ein sehr langweiliges Leben. Aber falls es doch jemanden interessiert, freue ich mich immer über einen Besuch meiner Website www.markus-haage.de! Danke im Voraus!