Und dann ging es recht fix: Innerhalb von drei Monaten raffte eine Seuche 80% der Weltbevölkerung hin. Die Welt versinkt im Chaos. Anarchie herrscht allerorts. Doch ein Kriegsschiff der US-Navy stellt sich mit all ihrer militärischen Macht dem Wahnsinn, Klischees, Stereotypen und Produktionsbedingungen entgegen…
Der Zerstörer U.S.S. Nathan James wird auf eine geheime Mission in die Arktis geschickt. Offiziell geht es um einen Waffentest, inoffiziell soll die Bakteriologin Rachel Scott (Rhona Mitra) an einem Gegenmittel für einen Virus forschen, der im Begriff ist, die gesamte Menschheit auszulöschen. Die Crew, selbst die Führungsriege, weiß davon nichts. Als sie eines Tages plötzlich von russischen Militäreinheiten angegriffen werden, entscheiden sie sich den Einsatz abzubrechen. Aufgrund der Geheimhaltung ihrer Mission und der totalen Funkstille kehren sie in eine Welt zurück, die im Sterben liegt. 80% der Weltbevölkerung sind innerhalb der letzten drei Monate umgekommen. Länder existieren nicht mehr. Gejagt von einem skrupellosen russischen Kriegsschiff, deren Führung glaubt, dass die Nathan James ein Gegenmittel besitzt, versucht sich die Besatzung unter Führung von Commander Tom Chandler (Eric Dane) in dieser neuen Welt zurechtzufinden, ohne dabei ihren Eid gegenüber den (nicht mehr existenten) Vereinigten Staaten von Amerika zu brechen…
Im mittlerweile riesigen Dickicht des TV-Dschungels kommen und gehen zahlreiche Serien, die man als Zuschauer nur noch nebenbei wahrnimmt. Man hörte von ihnen, setzte sie auf die nicht mehr enden wollende Liste der abzuarbeitenden TV-Produktionen und vergisst sie damit wohl wieder auch sehr schnell. „The Last Ship“ befindet sich mittlerweile in ihrer fünften (und finalen) Staffel, und wenngleich sie von der Prämisse her all das anbietet, was Fans des Phantastischen Kinos sich über Jahre (vielleicht auch Jahrzehnte) gewünscht haben, ist wohl davon auszugehen, dass die Meisten von ihnen sie nie gesehen haben. Denn obwohl die gesamte Geschichte in ein durchaus spannendes postapokalyptisches Setting eingebettet ist, welches natürlich stark an den Sci-Fi-Klassiker „Das letzte Ufer“ („On the Beach“, 1959) erinnert, stellt „The Last Ship“ am Ende dann doch eine recht zahme Action-Serie dar, die bekannte dystopische Story-Archs nur als Aufhänger nutzt, um die US-Navy actionreich, aber auch familiengerecht, in Szene zu setzen. Dies verwundert auch nicht, wenn man sich die Macher hinter der Serie anschaut. Michael Bay produziert, während routinierte Handwerker wie Jonathan Mostow („Terminator 3 – Rebellion der Maschinen“), Jack Bender („Lost“) oder Sergio Mimica-Gezzan („Falling Skies“) inszenieren.
Die Nähe zum US-Militär ist natürlich gewollt. Die dritte Staffel wurde sogar im Pentagon als Werbemaßnahme gezeigt. Nicht verwerflich, da man offen damit umgeht. Es ist eben vordergründig eine US-amerikanische Serie für ein US-amerikanisches Publikum. Doch diese Verbundenheit beschneidet die Serie ungemein in ihren Möglichkeiten. Dies macht sich bereits in der ersten Staffel deutlich, in der ein Teil der Crew aus Sorge um ihre Angehörigen (somit menschlich verständlich) das Schiff verlassen will. Nachdem der Commander sie an ihre Pflicht erinnert, aber auch darlegt, dass ihr Dienst beendet sei, bleiben alle „Meuterer“ trotzdem freiwillig an Bord. Der Treueeid auf die Verfassung eines eigentlich nicht mehr existenten Staates ist wichtiger als die Verbundenheit zur eigenen Familie, denn schließlich hat auch der Commander seine (noch lebende) Familie zurückgelassen. Selbstredend steht der Rest der Crew den „Meuterern“ argwöhnisch gegenüber, aber in einer späteren Folge erhalten diese ihre Redemption, indem einer von ihnen in einem heroischen Gefecht sein Leben für die Crew opfert. Es folgt ein Ehrenbegräbnis auf hoher See. Und so nutzt „The Last Ship“ viel dramaturgisches Potenzial nicht und fühlt sich im Grunde aus vorauseilendem Gehorsam gegenüber der Navy dazu verpflichtet, jeden Konflikt innerhalb des Maincasts zu negieren. Wie soll Drama entstehen, wenn jeder Protagonist der Handlung keine Spannung entwickeln darf?
Diese simplen Charakterzeichnungen spiegeln sich natürlich auch in den Antagonisten der Serie wieder. So harmlos der Maincast ist (oder zu sein hat), so überzogen muss ihr jeweiliger Gegenpart dargestellt werden. So wird das „Last Ship“ bereits von der ersten Folge an von abtrünnigen Russen gejagt, deren Anführer, ein ehemaliger Sowjet, seine eigene Crew ohne ein Augenzwinkern opfert und sogar eine Atombombe vor der Küste Frankreichs zündet, nur um die Nathan James kurzweilig zu stoppen. Die Macher der Serie geben sich teils fragwürdigen und extrem eindimensionalen Stereotypen hin, die die Serie eigentlich überhaupt nicht nötig hätte. Pädophile Warlords in Süd-Amerika, größenwahnsinnige chinesische Generäle, die einen Ethnozid an ihren Nachbarn planen, schmierige Nordafrikaner, die mit dem Heilmittel Handel betreiben wollen, böse Briten, die einen Immun-Kult anführen und sogar die griechische Marine stellen hier nur die Speerspitze des Bösen dar. Zu Gute halten muss man der Serie dennoch, dass die Macher immerhin nicht nur großen Wert auf ethnische Inklusion bei der Besatzung der USS Nathan James legten, sondern auch Antagonisten aus dem eigenen Kulturkreis auferstehen lassen. Aus dem Chaos des Zusammenbruchs erhebt sich in der zweiten Staffel nahe der Ostküsten-Stadt Baltimore ein neues amerikanisches Regime, welches die überlebenden Menschen nach ihren Fähigkeiten gnadenlos einteilt. Wissenschaftler, Akademiker und Künstler, die zum Aufbau einer neuen Nation dienen können, werden aufgenommen. Alle anderen müssen elendig verrecken. Ihre Leichen werden gar zur Energiegewinnung in einem lokalen Kraftwerk verbrannt. Ob dies überhaupt Sinn ergibt, ist zweitrangig, aber mit wissenschaftlichen Details hält die Serie sich eh nicht lange auf. Sämtliche Charaktere und Handlungen müssen sich den Actionmomenten unterwerfen. Auch in späteren Folgen entstehen Konflikte mit einer wiederauferstehenden Regierung, die sogar die Aufsplittung der neu-gegründeten USA vornehmen. Interessant in der Darstellung ist aber hierbei, dass die Serie keine traditionell konservative oder libertäre Randgruppe zu bedienen scheint, so wie man es vielleicht erwarten würde. In der Kritik der inneren Feinde der USA zielt man auf das Ostküsten-Establishment genauso ab, wie auf religiöse Massenbewegungen, die Zentralregierung in Washington D.C., dem Deep State oder den im Grunde separatistischen Einzelstaatbewegungen sowie den State’s Right-Befürwortern. Sie alle finden sich als Antagonisten in der Serie wieder. Die einzige Konstante: Die US Navy. Ob Army, Marines oder Air Force, sie alle werden zu Spielbällen der Macht und lassen sich korrumpieren, nur die Navy, die auf Hoher See patrouilliert, bleibt die unabhängige Bewahrerin der Vereinigten Staaten von Amerika. Natürlich benötigt die Serie Antagonisten, Herausforderungen, Hindernisse und Konflikte. Es ist aber bezeichnend, dass diese fast durchweg aus korrupten oder verblendeten Regierungsbeamten, ausländischen Mächten oder größenwahnsinnigen Akademikern besteht. Jeder begeht Fehler, außer die Navy, was die Handlungen unheimlich vorhersehbar machen. Inhaltlich passt dies durchaus zu anderen Produktionen von Michael Bay. Erst mit Mitte der zweiten Staffel, insbesondere der Einführung eines US-Präsidenten, ist man bemüht ein etwas ausgeglicheneres Bild zu produzieren.
Diese einfachen Feindbildern werden vor allem durch die Struktur der Serie befördert. Viele Folgen stellen in sich abgeschlossene Missionen dar, größere Handlungsbögen erstrecken sich oftmals nur über eine Staffel mit zehn bis dreizehn Episoden. In der zweiten Episode der ersten Season schippert man nach Guantanamo Bay, indem sich zufällig Al-Qaida-Kämpfer befreit haben, dann geht es nach Süd-Amerika, um in einem Dschungel Affen zu Testzwecken zu fangen. Die dritte Staffel bringt uns nach Asien, von Vietnam über Hongkong bis nach Japan. Während die vierte Staffel den Mittelmeerraum abfährt. Die eigentliche Seuche, der Überlebenskampf, der Wiederaufbau der Zivilisation, rückt dabei irritierend in den Hintergrund und dient oft nur noch als eine Art McGuffin. Eben der Aufhänger, den man beliebig ändern kann, um die Story voranzutreiben und die Serie zu exotischen Schauplätzen zu verlagern. So verwundert es auch nicht, dass die Seuche mutiert und in der vierten Staffel nun auch die Pflanzenwelt bedroht. Eine globale Hungersnot droht. Die Heilung liegt im Mittelmeer, welches die USS Nathan James befährt. Interessant ist, dass es kaum Cliffhanger oder echte Übergänge zwischen den einzelnen Staffeln gibt. In jeder neuen Season ändert sich nicht nur der Vorspann, sondern auch die Bedrohung (basierend auf der ursprünglichen Seuche).
Trotz der spannenden Prämisse und einigen exzellenten Storyideen sowie einem sympathischen Maincast, stellt „The Last Ship“ letztlich eine recht einfach gestrickte Actionserie dar, die die dystopische Idee nur nutzt, um kostengünstig exotische Kulissen für routiniert und kompetent inszenierte Actionszenen und -handlungen zu nutzen, die allerdings auch in allen anderen Serien ihren Platz hätten finden können. Handwerklich unheimlich solide, dafür mit zu wenigen Ecken und Kanten, die die Serie tatsächlich hätten hervorheben können. So bleibt am Ende ein großer Werbespot für die United States Navy übrig (was sicherlich auch die Intention war), die im Gegensatz zu anderen Teilstreitkräften der US Armee von Hollywood bisher recht sträflich ignoriert wurde.
‐ Markus Haage
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