Empfehlung am Rande: „The Man in the High Castle“ auf Amazon.
Ich bin ein großer Fan von Alternate History-Stoffen. Leider gibt es in diesem Subgenre nicht allzu viele überzeugende Werke. Phillip K. Dicks „The Man in the High Castle“ gehört allerdings dazu und wurde von Amazon Studios verfilmt. Die zweite Staffel ist nun bei Amazon online und sie kann die hohe Qualität der ersten Staffel halten. In der Serie haben das Japanische Kaiserreich sowie Nazi-Deutschland den Zweiten Weltkrieg gewonnen und den nord-amerikanischen Kontinent besetzt. Die Japaner die Westküste, die Nazis die Ostküste, Südstaaten und das Heartland. Dazwischen befindet sich eine Neutrale Zone, in der sich Widerstand gegen die Besetzung formiert. Das diese trostlose Gegenwart nicht immer Realität gewesen ist, erkennen die Protagonisten als sie eine Filmrolle finden, in der die USA den Krieg gewonnen haben. Immer mehr Filmrollen finden sich an, die auch die erschreckende Zukunft der gegenwärtigen Realität aufzeigen. Gesammelt werden diese vom „Mann im hohen Schloss“, der unter den Japanern als auch den Nazis als Staatsfeind Nummer Eins gilt …
Wir erleben hier eine überzogene alternative Realität als Prämisse, die sich allerdings überraschend stark bemüht alle alternativen Entwicklungen logisch zu begründen. Wer eine überzeugendere alternative Realität erleben möchte, dem sei Robert Harris‘ „Vaterland“ ans Herz gelegt (die HBO-Verfilmung mit Rutger Hauer von 1994 ist „okay“, aber leider auch teils albern reißerisch). Der Teufel steckt lediglich im Detail. Einige deutschsprachige Schilder und Hinweise sind falsch übersetzt und die Soldaten des „Greater Nazi Reich“ tragen immer noch die Uniformen aus dem Zweiten Weltkrieg (Richtig wären bspw. die NVA-Helme gewesen, die, die nicht mehr eingeführte nächste Generation der Stahlhelme dargestellt hätten). Das ist Kleinkram, aber dennoch ärgerlich, weil man wirklich bemüht ist, eine realistische Weiterentwicklung aufzuzeigen. Aber wie erwähnt, man muss natürlich die Prämisse (Achsenmächte besetzen Nord-Amerika) akzeptieren. Man hätte auch einen anderen Zeitpunkt der Geschichte wählen können (Bsp.: die stalinistische Sowjetunion besetzen Nord-Amerika), aber dann hätte dieses extreme Gegenspiel zweier extremer Ideologien (jap. Kaiserreich/Drittes Reich) zwischen denen die nord-amerikanische Bvölkerung zermürbt wird, gefehlt. Die Geschichte wird von den Charakteren getragen und diese sind überraschend vielschichtig. Besonders hervorzuheben sind Cary-Hiroyuki Tagawa und Rufus Sewell. Es gibt nicht zwingend nur ein Gut und Böse, alles ist eine Grauzone. In einer Welt der Extreme werden die Charaktere selber dazu gezwungen extrem zu denken und zu handeln. Dazu gehört auch der Widerstand, die „Helden“ der Geschichte. Dies macht die Serie unheimlich spannend, weil der alternative Ausgang des Zweiten Weltkriegs wirklich nur ein Aufhänger darstellt, um aufzuzeigen, wie die Charaktere unter den aufgezwungenen Bedingungen weiter existieren müssen. Einer der schönsten Zitate diesbezüglich stammt aus der zweiten Staffel, in dem ein ehemaliger GI sagt: „Ich habe immer gedacht, Sieg bedeutet zu gewinnen. Dann merkte ich, der wahre Sieg ist zu überleben.“
„The Man in the High Castle“ stellt neben „Westworld“, „Vikings“ oder „Game of Thrones“ sicherlich die Sperrspitze der neuen Premium-Serien dar.
‐ Markus Haage
Werbung |